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Jes Möller, ehemaliger Präsident des brandenburgischen Verfassungsgerichts.

© sophia Kembowski/ dpa

Besetzung Bundesverfassungsgericht: Es ist Zeit für einen Richter ostdeutscher Herkunft

Mit Jes Möller steht ein kompetenter Jurist bereit. Die West-SPD muss über ihren Schatten springen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ein Name wird zum Fanal: Jens Albert „Jes“ Möller. Am gebürtigen Greifswalder, der seit Jahrzehnten in Brandenburg zu Hause ist, scheiden sich die Geister – aber es entscheidet sich auch, wes´ Geistes Kind diese Republik im Jahr 30 der Wende ist. Jes Möller ist ein Kandidat für die Nachbesetzung des Postens am obersten Gerichtshof, der durch das Ausscheiden von Richter Johannes Masing frei wird, und für den die SPD das Vorschlagrecht hat. Sie ist allerdings uneinig.

Denn bei Jes Möller geht es nicht um den Friedhofsgärtner, der er vor der Wende war, weil der DDR-Staatsapparat ihn nichts anderes machen lassen wollte.

Es geht auch nicht um den, der Theologie im Sprachenkonvikt studierte, wo viele DDR-Oppositionelle eine Heimat fanden.

Nein, Möller ist der Richter, der es bis zum Bundesverfassungsgericht schaffen könnte: als Erster mit einer ostdeutsche Biographie, wie sie in einem halben oder einem Jahrzehnt keiner oder keine Bewerberin mehr haben wird. Weil die Zeit über die gebrochenen Biographien hinweggegangen ist.

Möller kann, was verlangt wird

Ja, Möller könnte es werden – vor allem, weil er das, was verlangt ist, kann. Sage keiner, dass es nicht so ist; denn dann wäre er immer schon am falschen Platz gewesen, in allen seinen Richterstationen, zuletzt als Präsident des Landesverfassungsgerichts oder jetzt als Vorsitzender Richter des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.

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Jes Möller: Brandenburgs Kandidat mit jahrzehntelanger Erfahrung, direkt und aktiv in der Rechtsprechung, einer mit Leitungserfahrung, Richter von Beruf und aus Berufung. Als ob das nicht für sich spräche, muss der Vorsitzende der Regierungskommission „30 Jahre Deutsche Einheit“, Matthias Platzeck, doch tatsächlich noch einmal in diesem Sinn für Möller werben.

Nur nicht bei denen, die im Osten groß geworden sind, Ministerpräsidenten wie Reiner Haseloff und Michael Kretschmer, sei es auch, dass sie aus der CDU kommen. Und nicht bei Angela Merkel: Die Kanzlerin kennt Möller seit Wendetagen.

Die West-SPD tut sich schwer

Die SPD, die als erste über Möller und die anderen Bewerber zu befinden hat, tut sich da ungleich schwerer – die West-SPD.

Ihre Einsprüche: Dass Möller keine großartige wissenschaftliche Publikationsliste vorzuweisen habe. Wen wundert’s? Er hat erst nach der Wende Recht studieren können. Aber er hat Recht gesprochen; die Urteile sind nachzulesen.

Dass er nicht Bundesverwaltungsrichter wurde, weil zwei Bewertungen mäßig gewesen seien: Ein Jahrzehnt ist das her, lesen darf die heute keiner, und vielleicht war es ja mangelnde Erfahrung im Revisionsrecht, wie einer aus dem Richterwahlausschuss des Bundestags berichtet.

Dass er ein Netzwerker sei: Das mussten Ostdeutsche lange erleben, wie Westdeutsche zusammenhielten. Bei Richterposten bis heute.

Dass Möller, 58, altersmäßig nicht zwölf Jahre amtieren könne – na, dann halt sechs. Es wird Zeit für eine Wende. Für einen Ostdeutschen am Bundesverfassungsgericht. Für Jes Möller.

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