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Der Waldrapp gehört in die Familie der Ibisse und gilt in Europa als ausgestorben. Die EU fördert seine Wiederansiedelung.

© imago

Berliner Tierpark: Waldrappen - Punks im Käfig

Die vielleicht hässlichsten aller Vögel sind durchaus zutrauliche Wesen. Das wurde den Tieren aber bereits vor Jahrhunderten zum Verhängnis.

Er ist schon wirklich hässlich. Wenn er drei wird, gehen dem Waldrapp die Haupthaare aus. Nur am Hinterkopf sprießen dann noch ein paar Federn, sie spreizen sich einsam über der Glatze. Der rote Schnabel krümmt sich wie die Nase einer widerwärtigen Hexe, die Haut an seinem Hals schrumpelt fleischig vor sich hin. Punk, könnte man ihn nennen, wenn man es gut meinte. Scheusal, wenn man ihn beleidigen wollte. Und schon tut er einem leid.

Denn natürlich, diese Pointe war erwartbar, steckt hinter dem vielleicht hässlichsten aller Vögel ein gefühliges Wesen. Waldrappe leben in Kolonien von hunderten Tieren. Einzelne Paare verweigern schon mal die Geburt von Nachwuchs, weil der Halt der Gruppe fehlt. Der Hexenschnabel ist in Wahrheit ein sensibles Tastorgan, mit dem der Waldrapp im Erdreich nach Regenwürmern und Insektenlarven stochert. Zudem ist er auch noch zutraulich und gewöhnt sich fix an Menschen. Oder wie man in Europa fast sagen müsste: gewöhnte.

Der Waldrapp galt früher als feiner Schleck

Weil der Waldrapp auch zutraulich zu Menschen mit Gewehren war, schossen Jäger ihn im 16. Jahrhundert aus seinen Nistplätzen in den Stadtmauern und von siedlungsnahen Felsen. Conrad Gessner formulierte das in seinem 1555 erschienenen Standardwerk zur Vogelwelt so: „Der Waldrapp ist ein feiner Schleck.“ Ein Kochbuch aus jener Zeit empfiehlt den Rapp (übrigens süddeutsch für Rabe) „mit brauner Brüh“ oder mit Nelken, Zimt und aufrichtigem Kopf! Anfang des 17. Jahrhunderts starb der Vogel in Europa aus.

400 Jahre später flattern elf Vögel durch die Volière des Berliner Tierparks. Fliegen, sitzen, picken, gucken. Auseinanderhalten könne man sie schwer, sagt ihr Kurator, Dr. Martin Kaiser. „Nur einer hat einen abgebrochenen Schnabel. Auch das gibt’s.“ Weil die Zoos in Europa Waldrapp-gesättigt sind, hat die European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) einen Zuchtstopp erlassen. Wann immer die Waldrappen nun ein Ei legen, tauschen die Tierpfleger es gegen ein künstliches aus. „So können die Tiere ihrer Brutlust nachgehen“, sagt Kaiser, „aber zeugen trotzdem keinen Nachwuchs.“

Forscher versuchen die Zugvögel wieder anzusiedeln

Alles wieder gut also? Mitnichten. Auf der Roten Liste der bedrohten Vogelarten, herausgegeben vom Naturschutzbund, rangiert der Waldrapp in der Kategorie 0 – ausgestorben. Dass es an drei Orten in Europa trotzdem wieder welche gibt, liegt am „Team Waldrapp“. 2002 gegründet, wildern Forscher dieses Projekts den Vogel wieder aus, bislang im österreichischen Kuchl bei Salzburg, in Überlingen am Bodensee und im bayerischen Burghausen. Problem: Waldrappe, so viel ist überliefert, flüchten natürlicherweise vor der Winterkälte und ziehen gen Süden. Da die ausgewilderten Tiere keine Eltern haben, die den Zug vorleben, müssen die Forscher den Vögeln ihre Natur erst lehren. In Ultraleichtflugzeugen fliegen sie über die Alpen in die Toskana, die Vögel, treudoof an die Pfleger gewöhnt, folgen ihnen.

So geht es dem Waldrapp sprichwörtlich wie den meisten, die von der Natur mit Hässlichkeit bedacht wurden: Die inneren Werte machen ihn besonders. Wer vor der Berliner Volière steht, merkt davon freilich nichts. An einem Herbstnachmittag läuft ein Junge am Gitter vorbei, vielleicht zwölf. Als er die Waldrappen erblickt, schaut er seine Oma an. Dann kreischt er: „Iiiiiih!“ WALDRAPP IM TIERPARK

Lebenserwartung:  bis zu 35 Jahre

Interessanter Nachbar: Berber-Affen

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