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In den dunklen Tiefen der Meere soll es weltweit zwischen 1600 und 1800 Seesternarten geben.

© imago/Cavan images

Berliner Schnauzen: Stern ist nicht gleich Stern

Von wegen hübsch und harmlos: Die Seesterne sind nicht, was sie scheinen. Warum sie gleich dreifach überraschen.

Arglos, ruhig und schön klebt der beinahe goldene Seestern an der Scheibe des Aquariums. Fünf Arme, dazu unzählige Stacheln, so anmutig, so hübsch, so altbekannt. Die allermeisten Zoobesucher bremsen kurz ab, riskieren einen Blick, ein kurzes Lächeln – dann geht’s weiter zu den großen Fischen, den Ballett tanzenden Quallen und überhaupt zu all den Lebewesen, die mehr oder minder anmutige Bahnen durchs Wasser ziehen.

Doch die Seesterne, sie sind nicht, was sie scheinen, erklärt Dirk Wegener, Tierpfleger im Meerwasserbereich des Aquariums des Berliner Zoos. Sie überraschen gleich dreifach. Denn erstens ist Stern nicht gleich Stern: Zwischen 1600 und 1800 Arten soll es weltweit geben in den dunklen Tiefen der Meere, ganz genau kennt die Zahl niemand.

Zweitens kommt dazu, dass die Sache mit den Armen etwas komplizierter ist. Klar, viele Seesterne haben tatsächlich fünf, es gibt aber auch Arten mit bis zu 50 – was bei manchen einfach eine Laune der Natur, bei anderen aber ein Zeichen von Kämpfen und Verletzungen ist. Die Arme der Stachelhäuter wachsen nämlich nach, wenn sie etwa von einem Krebs oder einer Garnele angeknabbert werden, aber eben nicht zwangsläufig geordnet und symmetrisch.

Und drittens, sagt Wegener, sind Seesterne omnivore Jäger. Das heißt: Sie fressen alles, was ihnen über den Weg, nun ja: läuft.

Diese Tiere, so hübsch und harmlos und kaum imstande, sich ernsthaft zu bewegen, sollen Aggressoren sein?

Manche Aren verdauen außerhalb ihres Körpers

Wegener nickt ernst. Seesterne fressen andere, kleinere Artgenossen, fressen Seeigel, Schnecken und Fischlaich. Sie jagen ihrer Beute tatsächlich nach. Manche Arten, erklärt der Pfleger, können ihre Mägen ausstülpen und damit dann, nur als Beispiel, in die Schale einer Muschel eindringen. So verdauen sie die Muschel in deren eigenem Zuhause schon mal vor, ehe sie den Magen mit dem Muschelbrei wieder in ihren Seestern-Körper einfahren.

Je länger Dirk Wegener diese Slow-Motion-Welt unter Wasser erläutert, desto weniger wirkt das, was eben noch aussah wie ein gemütliches Stillleben in freundlichen Farben, ruhig und hübsch. Es ist nur … langsam. Denn tatsächlich bewegen sich Seesterne für menschliche Dimensionen in einer irrsinnigen Trägheit fort, man müsste viele, viele Stunden vor dem Aquarium zubringen, um dieser Jagd in Zeitlupe beizuwohnen.

Aber nur, weil sie sehr langsam vonstatten geht, ist sie ja nicht weniger real. Und während man so vor dem scheinbar friedlichen Seestern-Aquarium steht, festigt sich der Gedanke: Genauso müssen Geparden auf Menschen blicken. Genauso müssen die Raubkatzen uns betrachten, wenn sie uns mit 120 km/h nachjagen: Ja, warum bewegt er sich denn nicht, um Himmelswillen!? Das soll eine Flucht sein? Wie armselig ...

Seestern im Zoo
Lebenserwartung: Je nach Art zwischen zehn und mehr als 30 Jahren
Interessanter Nachbar: Kanonenkugelqualle

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