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Ein Osterhase? Nein, ein Hauskaninchen.

© imago/blickwinkel

Berliner Schnauzen: Hauskaninchen: Ein falscher Hase

Dem kleinen, weißen Hauskaninchen wird oft Unrecht getan. Schon die Phönizier hielten es fälschlicherweise für einen Klippschliefer.

Eigentlich wäre Montag der bessere Name für Dienstag. Denn so wie die Woche landet auch das Hauskaninchen im Tierpark immer wieder am Anfang – egal, wie sehr es sich anstrengt, egal, in welche Richtung. Mit seinen langen, kräftigen Hinterläufen springt es zwei Meter hoch, nach vorne noch einen mehr. Selbst bei einfachen Hoppelschritten schafft es eine Distanz, die zweimal so lang ist wie es selbst. Das liegt an der lockeren Struktur seiner Muskelfasern. Mittlerweile lassen manche Züchter ihre Tiere bei Wettkämpfen gegeneinander anspringen. Mit ihren kurzen Vorderläufen graben die Kaninchen in Freiheit Höhlensysteme, die 100 Quadratmeter groß sein können. Doch das Gehege der Hauskaninchen ist von einer hohen Mauer umgeben, die sicherheitshalber einen Meter tief in den Boden eingelassen ist. Fluchtversuche sind aussichtslos, keine Chance für Dienstag.

Frustriert schaut er trotzdem nicht aus, sondern vor allem niedlich. Klein, weißes, flauschiges Fell, Stupsnase. Unbeeindruckt hockt er in der Ecke seines Geheges und mümmelt an einem Salatblatt. Wäre das hier ein Gefängnisfilm, er wäre der Erfahrene auf Lebenslänglich, der am Rande des Basketballfeldes sitzt und Selbstgedrehte raucht. Aber die Kulisse ist eine andere. Sein Gehege wurde 2014 ausgebaut, ist nun deutlich größer als die alten Ställe. Es ist nun dem Auenland aus „Herr der Ringe“ nachempfunden. In der Mitte ein Hügel, an den sich kleine bunte Häuser schmiegen. Dort kann Dienstag kurze Strecken mit bis zu 40 Stundenkilometern zurücklegen oder sich in eine stille Ecke zurückziehen und Blätter malmen. Nur raus kann er eben nicht. Das ist dann doch eher wie in dem Streifen „Die Verurteilten“.

Spanien verdankt den Tieren seinen Namen

Das Kaninchen selbst kennt natürlich keinen dieser Filme, auch weil es schlecht sieht. Es kann lediglich zwischen Blau- und Grüntönen unterscheiden, sein räumliches Sehvermögen ist miserabel, weil sich die Augen seitlich am Kopf befinden.

Immerhin hören geht. Die trichterförmigen Ohren kann Dienstag unabhängig voneinander bewegen, so entgeht ihm kaum ein Geräusch. Übrigens – da wird den Nagern ja oft Unrecht getan – heißen Kaninchenohren einfach Ohren und nicht Löffel wie beim Hasen. Deren Hörorgane sind viel größer, und überhaupt unterscheiden sich die beiden Arten voneinander. Dass Dienstag deshalb bloß ein falscher Hase wäre, sollte man lieber nicht zu laut sagen. Er würde es hören.

Eingesperrt zu sein ist ein Schicksal, dass den Hauskaninchen nicht nur dem Namen nach vertraut ist. Einmal, im 18. Jahrhundert, breiteten sie sich in Australien aus, genossen die schier unendliche Weite des Kontinents. Die Australier fanden das nicht so niedlich und bauten 2000 Kilometer Zaun, um die Nager von Feldern und Farmen fernzuhalten.

Lediglich in Nordafrika und in Spanien sind die Hauskaninchen heute noch heimisch. Letzteres verdankt den Tieren sogar seinen Namen. Als die Phönizier an die iberische Küste segelten, hielten sie die Kaninchen für Klippschliefer – Nager, die an Murmeltiere erinnern. Sie nannten das Land Ishapan – Land der Klippschliefer. Daraus machten die Römer Hispania. Nicht sehr einfallsreich, aber zweckdienlich. So wie auch Dienstags Name. Der kommt – wie bei Robinson Crusoes Freitag – vom Wochentag, an dem er geboren wurde.

Hauskaninchen im Tierpark

Lebenserwartung: Sieben Jahre

Fütterungszeiten: Spätnachmittags

Interessanter Nachbar: Ziegen

Katja Neitemeier

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