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Vulpes vulpes, der Rotfuchs.

© Wolfgang Kumm/dpa

Berliner Schnauzen: Der Fuchs ist Stammgast im Zoo

Kein Stammgast spaziert so häufig durch den Zoo wie er. Für den Rotfuchs ist es praktisch, dass seine Beute nicht weglaufen kann.

Von Julia Prosinger

Meistens muss man die Tiere vor den Menschen schützen. Selbst in Streichelgehegen gibt es Ruhezonen gegen gierig-liebkosende Hände. Vor ein paar wenigen Tieren muss man den Menschen schützen – Kobra und Eisbär hätten gern mal Besuch. Und manchmal muss man Tiere vor Tieren schützen, selbst im Zoo.

Im Tierpark zeigt Säugetier-Kurator Florian Sicks auf den Wassergraben vor den Flamingos. Elektrozaun. Auch die Kängurus stehen hinter Strom. Diesseits der Gitter leben wilde Waschbären, Marder und Igel, Krähen liefern sich nachts Altpapierschlachten auf den Wiesen und picken den eingesperrten Löffelhunden ihr Fleisch weg, freifliegende Graureiher stibitzen Vögeln den Fisch aus den Volieren. Und kein Stammgast spaziert so häufig vorbei wie er: Vulpes vulpes, aus Fabeln bekannt als Reineke, der Rotfuchs.

Im Aachener Zoo bediente er sich mal an 13 Pinguinen, einen davon fanden die Pfleger enthauptet im Gehege. Praktisch, wenn die Beute nicht weglaufen kann. 2014 rissen Füchse im Berliner Zoo bis zu 40 Tiere. Sie unterschieden dabei nicht zwischen geschützten und ungeschützten Arten, erlegten Zwergantilopen und heimische Enten. Zoos unterscheiden sehr wohl, aktiv halten sie den Fuchs nicht. Als Anpassungskünstler überlebt dieser Wildhund in verschiedenen Unterarten am Polarkreis bei minus 80 Grad und in der Wüste, wo er sich in Sanddünen eingräbt.

Vorspeise bei Ikea, Hauptgang an der Dönerbude

In Berlin gibt es wahrscheinlich einige Tausend Rotfüchse. Sie dösen auf Verkehrsinseln und jagen Ratten in Hinterhöfen. Sophia Kimmig recherchiert am Institut für Zoo- und Wildtierforschung zum Fuchs in der Stadt. 17 Exemplare hat sie mit ihren Kollegen besendert, darunter „Il Presidente“, der am Schloss Bellevue residiert.

In den letzten Jahren hat Kimmig gelernt, dass Berliner und Brandenburger Füchse inzwischen zu zwei genetischen Clustern gehören, die sich nicht miteinander paaren. Dass die Tiere viel weniger gern Kontakt mit Menschen haben als angenommen. Auf Streifzügen durch ihr bis zu vier Quadratkilometer großes Revier ziehen sie S-Bahn-Trassen Grünflächen vor, da treffen sie garantiert keine Menschen. Sie lieben Schulen und Sportplätze, weil sie da verlässlich wissen, wann niemand da sind. Einzelnen Junk-Foodies ist Kimmig schon durch die Kieze gefolgt: Vorspeise bei Ikea Tempelhof, Hotdog-Reste, Hauptgang an der Dönerbude, zum Nachtisch ein paar wilde Mäuse aus den Hecken am Straßenrand. Auch Katzenfutter und süßes Fallobst locken Füchse an. Wer sie im Garten duldet, kann sie im Dezember heiser bellen hören und in der Paarungszeit einsilbig schreien. Im Frühjahr winseln die Kleinen, keckern tonlos beim Spiel mit dem fürsorglichen Vater. „Füchse sind echte Labertaschen“, sagt Kimmig.

Im nördlichen Teil des Tierparks verwittert ein Pförtnerhäuschen vor sich hin. Hier finden die Pfleger im Winter Fuchsspuren im Schnee, die Tiere „schnüren“, setzen die linke Hinterpfote in den Abdruck der rechten Vorderpfote. Ob die Füchse die Freiheit im Angesicht der Gitter zu schätzen wissen?

Lebenserwartung
In der Wildnis bis 5, in der Stadt bis 2 Jahre
Fütterungszeiten
Nach Gelegenheit
Interessanter Nachbar
Krähe, Igel

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