zum Hauptinhalt
Sie sind bis acht Zentimeter groß, haben einen festen Panzer und sehen aus wie Kakerlaken: die Madagaskar-Riesenfauchschaben.

© imago/imagebroker

Berliner Schnauzen: Das geheime Leben der Fauchschaben

Viele Besucher sind von den Schaben im Terrarium angewidert. Doch ihr wahres Zuhause ist ein Glaskasten im Hinterzimmer des Zoos.

Man muss es so ehrlich sagen: Um das offene Terrarium im dritten Stock des Aquariums des Berliner Zoos herrscht nicht direkt Gedränge. Die Besucherinnen und Besucher, jung wie alt, schlendern an dem Ast vorbei, vorbei an den etwa 20 männlichen Fauchschaben, die auf ihm leben. Nur manchmal bleibt ein Kind stehen und sucht kurz, was es da zu sehen geben könnte. Eine ältere Dame entdeckt die Schaben, verzieht das Gesicht. Dann sind die Tiere, inmitten des sonstigen Trubels, wieder für sich.

Was sich erst ändert, als Shahin Tavangari an das kleine quadratische Terrarium tritt und sich eines der Insekten auf die Hand legt. Nun schauen die Kinder mit großen Augen und die Erwachsenen regelrecht angewidert. Ob man die Fauchschabe anfassen kann? „Klar“, sagt Tavangari, nimmt eine auf die Hand und lächelt etwas melancholisch – eben wie jemand, der sich tagein, tagaus auch mit den Klischees in den Köpfen der Menschen befasst.

Denn ja: Die Große Fauchschabe, Princisia vanwaerebeki, sieht nicht nur aus wie eine Kakerlake, sie gehört auch zur selben Familie. Sie ist fünf bis acht Zentimeter groß, stammt ursprünglich aus Madagaskar, hat einen festen, dreiteiligen Panzer. Die Männchen erkennt man an den kleinen Hörnchen auf dem Kopf. Ausgestellt im Berliner Zoo ist aber nur eine von fünf Arten der Madagaskar-Riesenfauchschabe, erklärt der Tierpfleger, zuständig für den „Bereich Terra“, wie er das formuliert. Das heißt: die Terrarien, also alle Insekten, die auf der Erde leben.

Sie erzeugen fauchende Laute, warum? Das ist umstritten

Und nein: Schaben seien an sich reinliche Tiere, auch die klassische Kakerlake, erklärt der Pfleger. Unreinlich sei, wenn sich Schaben heimisch fühlen, eigentlich nur der Mensch. Dann drückt Tavangari der Schabe auf seiner Hand behutsam auf das Brustschild und – pssst! – tatsächlich hört man sofort ein leichtes Zischen, ein bisschen so, als würde ein sehr, sehr kleines Deo-Spray versprüht.

Das Geräusch entsteht, wenn die Schabe Luft durch Tracheen genannte Öffnungen im Hinterleib pressen. Warum die Fauchschabe faucht, ist umstritten: Man vermutet, sagt Tavangari, dass die Tiere mit dem kollektiven Zischen ihre Fressfeinde – auf Madagaskar wären das Mungos oder Lemuren – abschrecken wollen. Aber das Fauchen scheint auch unter den Schaben selbst eine Rolle zu spielen, in Auseinandersetzungen oder während der Balz.

Da auf dem Ast im dritten Stock aber nur Männchen sitzen, spielt diese sich in einem der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Hinterzimmer des Zoos ab: Dort leben Männchen, Weibchen und der Nachwuchs gemeinsam, hängen an einem vier Hände großen Stück Rinde, laben sich an Orangenschalen und Frolic und fauchen ab und an in ihr Terrarium aus Glas. Nur dann, wenn im öffentlichen Terrarium ein Stockwerk weiter unten ein Männchen stirbt, wird es hier aus dem Glaskasten genommen und in die Öffentlichkeit verfrachtet. Um dort, man muss es so ehrlich sagen, von den meisten Menschen ignoriert zu werden.

Fauchschabe im Aquarium

Lebenserwartung: Bis zu zwei Jahre

Fütterungszeiten: Frolic und Orangenschalen

Interessanter Nachbar: Gelb-schwarze Halloween-Fauchschabe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false