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Gefährliches Maul: das Flusspferd.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (80): Das Flusspferd

Große Tiere, große Dramen: Wie man im Flusspferdbecken um sein Revier kämpft.

Von Andreas Austilat

Max muss weg, spätestens in drei, vier Jahren. Dann ist der Junge sieben und muss aus dem Haus, damit sich nicht wiederholen möge, was sich hier schon einmal zugetragen hat, im Frühsommer 1988.

Damals wurde ein Drama Realität, von dem man angenommen hatte, dass es sich so eigentlich nur die alten Griechen in ihrer morbiden Fantasie ausmalen konnten: Der Vater gemordet vom eigenen Sohn, im Kampf um die Mutter. Der Lümmel war gerade mal acht.

Das heißt, genau genommen starb Knautschke nicht sofort. Er hatte sich im Zweikampf mit seinem Sohn Nante den Kiefer gebrochen und musste eingeschläfert werden. Mit dem Flusspferdbullen Knautschke traf es den Superstar des Berliner Zoos, vergleichbar höchstens mit dem seligen Eisbären Knut.

Knautschke hatte als eines von nur 91 Zootieren die Bomben des Zweiten Weltkriegs überlebt. „Doch sein Pech war der Darmverschluss“, sagt Uwe Fritzmann, seit 30 Jahren im Zoo, 18 davon als Flusspferdpfleger. Da konnte Knautschke sein Revier nicht mehr markieren, Flusspferdbullen tun das mit ihrem Kot.

Das war für Nante, der scharf auf seine Mutter Bulette war, das Signal zum Losschlagen. Er machte dem Alten das Revier streitig. Heute steht Knautschke aus Bronze vor dem Flusspferdhaus, eine Tafel erinnert an den Showdown 1988. Übrigens sagt man nicht mehr wir früher Nilpferd, denn im Nil sind die nicht selten drei Tonnen schweren Tiere längst ausgestorben.

Narben am Körper

Kämpfe mit dem pubertierenden Nachwuchs sind in freier Wildbahn normal. Sichtbarer Beleg sind Narben am ganzen Körper, die die alten Bullen zeichnen. Ede, den aktuellen Herdenchef im Berliner Zoo, zeichnet allein ein weißer Fleck auf dem Hinterteil, er hat hier seine Ruhe. Übrigens wäre es gemein, dieses Hinterteil als dick zu bezeichnen. Flusspferde begnügen sich mit 40 Kilo Heu am Tag, da würde eine Kuh noch Hunger haben.

Als gute Futterverwerter setzen Flusspferde, die weitläufig sowohl mit Schweinen als auch Walen verwandt sind, kaum Fett unter der Haut an. Im Zoo gibt es mittags noch ein paar Brötchen, „das sind für die nur Pralinen“, sagt Fritzmann. Das Heu gibt es abends im fürs Publikum nicht sichtbaren Stall, wenn die Tiere das Wasser verlassen. Wie in freier Wildbahn, wo Flusspferde zum Schutz vor der Sonne ihre empfindliche Haut lieber im Wasser kühlen und nur im Dunkeln herauskommen.

Auf 150 Grad das Maul aufsperren

Sollten Sie übrigens jemals in freier Wildbahn zwischen Wasserloch und Flusspferd stehen, gehen Sie da weg, und zwar schleunigst. Das Flusspferd kann sein Maul auf imposante 150 Grad aufsperren, da kriegt sogar der Löwe Angst. Und von einem Dreitonner angerempelt zu werden, ist auch nicht ohne. Das Flusspferd gilt als gefährlichstes Tier Afrikas.

Im Zoo ist von alledem nichts zu spüren. Die Tiere haben es warm, genießen eine der teuersten Anlagen im weiten Rund. Zum Problem könnte nur Max werden, der einzige männliche Konkurrent im Kampf um Kathi, Nicole und Nele, den Rest der Herde. Und deshalb sucht der Zoo für Max schon jetzt ein neues Zuhause, obwohl er erst drei ist. Keine leichte Aufgabe, weil die Haltung so aufwendig ist. Die Weibchen kriegen derweil die Pille, denn größer soll die Herde nicht werden.

FLUSSPFERD IM ZOO

Lebenserwartung:  50 bis 60 Jahre

Fütterungszeiten:  Täglich 14.15 Uhr

Interessanter Nachbar: Flachlandtapir

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