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Sekretär

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (25): Der Sekretär

Sieht aus wie ein Kranich, ist aber ein Greifvogel. Und was für einer.

Zuerst einmal der Name. Wie die beiden langbeinigen Vögel durch das Gehege im Tierpark stolzieren, die auffallenden Schopffedern dabei nach allen Seiten abstehen und die Tiere ihre Köpfe aufmerksam hin- und herbewegen – das hat einige Menschen im 19. Jahrhundert an Gerichtssekretäre erinnert. Auch sie trugen damals Federn im Haar, nur waren es welche zum Schreiben, mit denen sie die Verhandlungen aufzeichneten, und ihr gespreiztes Daherschreiten hielten Zeitgenossen für geckenhaft.

Dafür kann der Vogel nun überhaupt nichts. Er bewegt sich mit langen Füßen über den Boden, von den mit Hornschuppen behafteten Krallen sind es gute 30 Zentimeter bis zu seiner Ferse – die viele Besucher für sein Knie halten. Dabei knickt sie nach hinten weg, und daher rührt auch der Gang. Mit so einem Laufknochen, wie die zusammengewachsenen Mittelfüße heißen, kann der Sekretär nicht viel anders über die offenen Steppen Afrikas laufen.

Aufgrund seiner Art, Beute zu jagen, nämlich wie ein Laufvogel auf dem Boden, hielten ihn Wissenschaftler eine Zeit lang für einen Kranich. Heute wissen Biologen, dass er ein Greifvogel ist – und zwar ein sehr besonderer. Eine „Einnischung“ nennt Vogel-Kurator Martin Kaiser die Anpassung des Sekretärs an seinen Lebensraum. Obwohl es südlich der Sahara bis zum Kap genug Nahrung für Geier und Adler gibt, hat sich in der Evolution diese besondere Spezies herausgebildet. Ihre Spezialität; das Erbeuten von am Boden lebenden Tieren, die sie vorher aufscheuchen.

Normalerweise beobachten Greifvögel aus der Luft, ob sich im Gras gerade Mäuse, Echsen oder Schlangen bewegen. Verhalten sich die potenziellen Beutetiere ruhig, fallen sie dem Räuber nicht auf. Der Sekretär ist da einen Schritt voraus – im wörtlichen Sinn. Mit seinen kräftigen Füßen trampelt er auf dem Boden herum, die Krallen wühlen das Erdreich auf und die aufgeschreckten Kleintiere ergreifen die Flucht. Mit seinen sensationell guten Augen – ein Sekretär kann mehr als 1000 Meter weit sehen – erfasst er die Bewegungen und greift sich die Beute.

Es kommt noch heftiger. „Mit gezielten Tritten brechen die Vögel die Wirbelsäulen von Schlangen, bevor sie diese verspeisen“, sagt Martin Kaiser. Gerade bei giftigen Schlangen ist das eine überlebenswichtige Technik. „Die Sekretäre sind nicht immun gegen deren Gift.“ Es hängt alles von der Geschicklichkeit und Schnelligkeit der Angreifer ab. Auch im Tierpark trampeln die beiden Exemplare, ein Männchen und ein Weibchen, gelegentlich auf den Boden, manchmal schnappen sie eine Grille oder anderes Kleingetier, das sich in die Voliere verirrt hat. Bei solchen Gelegenheiten stellen sich die grau-schwarzen Federn im Nacken auf, ein deutliches Zeichen der Erregung. Vor allem bei der Balz dienen die langen Federn, man ahnt es, um Weibchen zu imponieren.

Im Tierpark, leider, ist es noch nicht zu einer Balz gekommen, nach der das Weibchen befruchtete Eier in den Horst gelegt hatte. „Eine Folge der Handaufzucht“, sagt Martin Kaiser. Die beiden Tiere aus einem deutschen und einem englischen Zoo seien auf den Menschen geprägt und nähmen Artgenossen nicht als Kopulationspartner wahr.

SEKRETÄR IM TIERPARK

Lebenserwartung:  40–50 Jahre

Nachzucht: das letzte Mal vor 30 Jahren

Interessanter Nachbar: Weißschwanz-Stachelschwein, Hängebauchschwein

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