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Der Tamandua.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (14): Der Tamandua

Der Mittlere Ameisenbär oder Tamandua ist ganz Klauen und Muskeln.

Er greift mit seinen Vorderbeinen, an denen die sichelförmigen Krallen sitzen, zum Beispiel eine Avocado, presst diese mit seinen scharfen Greifern zusammen und bricht die harte Schale auf. Während er das tut, wickelt sich sein knapp 40 Zentimeter langer und muskulöser Schwanz um einen Ast – das ist seine Sicherung. Warum kann der Tamandua nicht einfach die Frucht mit seinem Gebiss aufknacken? Ganz einfach. Er gehört zu den wenigen Säugetieren, die gar keine Zähne haben. Er ist ein Sonderfall der Evolution, der sich so auf Insekten und insbesondere auf Termiten spezialisiert hat, dass ihm darüber das Gebiss vollständig abhandengekommen ist.

Das hätte ihm auch nichts genützt, wenn er an seine Lieblingsspeise herankommen möchte. Die Ameisen leben wie er in den Wäldern Südamerikas, in Guayana, Brasilien oder Bolivien, und zwar unter der Baumrinde. Mit den wehrhaften Klauen schlitzt er die Rinde auf und fischt die Insekten mit seiner flinken und klebrigen Zunge heraus. Mehr als vier Minuten, sagt Florian Sicks, Kurator für Säugetiere im Tierpark, halten sich Tamanduas nicht an Termiten auf. Ihre ledrige Haut hält die Bisse auf, doch die Sekrete der Ameisen brennen, wenn sie auf Augen oder Zunge treffen.

Apropos Sekrete. Weil Tamanduas bei Gefahr eine übel riechende Substanz versprühen, heißen sie bei den Indios „Stinker des Waldes“. Reviertierpfleger René Viete beruhigt: Im Tierpark sei das noch nicht passiert. Hier sind die Bedingungen so optimal, dass sich Männchen und Weibchen hoffentlich bald paaren. Viete gießt nun einen Brei aus Hundefutter, Eiern, Haferflocken, Birnen und Honig in die Schalen, behäbig klettern die beiden Tamanduas aus ihrer Schlafhöhle, denn eigentlich sind sie nachtaktiv. Über den Geruchssinn nehmen sie Witterung auf. Gelegentlich schnellt die Zunge heraus, eine Kontrolle, ob sich da nicht was Fressbares in der Nähe befindet.

So wie diese Woche, als das Männchen Anton beim Tierpfleger an den Waden schnupperte und schürfte. Irgendetwas erregte seine Aufmerksamkeit, wie es sein Instinkt verlangte, schabte er mit den Krallen vorsichtig über die Haut, neugierig, ob sich darunter nicht etwas Interessantes verbergen würde. Viete hat ihn nicht lange gewähren lassen. Die Nebengelenktiere, zu denen sonst Faul- und Gürteltiere zählen, sind sehr kräftig. Wenn sich der Griff einmal schließt, lässt er sich nicht so leicht wieder öffnen. Auch sonst müssen die Tierpfleger Acht geben. „Fühlen sich die Tiere bedroht, stellen sie sich auf ihre Hinterbeine“, erklärt Florian Sicks, „und dann teilen sie schmerzhafte Hiebe mit den Klauen aus“.

Tamanduas bewegen sich normalerweise vierfüßig durch das Geäst fort. Dass sie so gut aufrecht stehen können, verdanken die knapp 80 Zentimeter langen Säuger ihrer ausgeprägten Bauchmuskulatur. Tamanduas müssen sich in den Bäumen am Schwanz hochziehen können – das ist wie eine Extrem-Klimmzugübung. Sie schlafen in Wipfeln und Asthöhlen. Nicht selten ziehen tropische Stürme über die Urwälder hinweg. Wenn sich da ein Tamandua nicht gut als festgekralltes Muskelpaket behauptet, fällt er herunter. Ulf Lippitz

TAMANDUA IM TIERPARK

Lebenserwartung:  15 Jahre

Fütterungszeiten:  täglich 10 und 15 Uhr

Interessanter Nachbar: Kurzschnabeligel, Panzernashorn

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