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Berliner Intensivpfleger an der Corona-Front: „Jeder Fehler kann tödlich sein“

Ricardo Lange berichtet jede Woche aus dem Krankenhaus. Diesmal: Abschied von den Covid-Patienten und die „Intensivbetten-Lüge“.

Von Barbara Nolte

Ricardo Lange, 39, arbeitet als Pflegekraft auf Berliner Intensivstationen mit Covid-Schwerpunkt. Hier berichtet er jede Woche von Nachtschichten, Provisorien und Hoffnungsschimmern.

Herr Lange, in Deutschlands Intensivstation liegen nur noch circa 1000 Covid-Kranke…
…wir haben keinen mehr. Die letzten sind diese Woche verstorben. Beispielsweise eine Frau, Mitte 50, die anfangs unsere Hoffnungsträgerin war.

Macht es Ihnen die Arbeit leichter, dass die Lagen von Schutzkleidung wegfallen?
Ich habe diese Woche Leukämie-Kranke betreut, da musste ich auch Maske und Schutzkittel tragen. Ihr Immunsystem ist komplett runtergefahren durch die Immunsuppressiva, die sie kriegen, damit ihr Körper die neuen Stammzellen annimmt. Jeder Fehler, der zu einer Infektion führt, kann für so einen Patienten tödlich sein. Was mir da auffiel: Solch schwer kranke Patienten wurden bis vor kurzem nicht bei uns, sondern auf provisorischen Intensivstationen betreut. Doch sie gehören in die Hände von erfahrenen Intensivmedizinern und Intensivpflegekräften. Aber wir waren mit Covid-Patienten ausgelastet. Deshalb ärgert mich die Schlagzeile von der „Intensivbetten-Lüge“ so…

… sie bezieht sich auf einem Rechnungshofbericht: Weil sich die Zuschüsse für die Kliniken nach der Auslastung für die Covid-Intensivstationen richteten, haben manche weniger Intensiv-Betten gemeldet, als sie hatten. So war die Auslastung vermeintlich höher.
In den Kliniken, in denen ich arbeitete, waren die Stationen ausgelastet. Das Problem dieser Schlagzeilen ist, dass dadurch die Corona-Maßnahmen in Zweifel gezogen werden. Die Krankheit wird bagatellisiert, was sogar dazu führen kann, dass die Impfbereitschaft sinkt. Der RKI-Chef Lothar Wieler, mit dem ich am Freitag telefoniert habe, meinte, dass es davon abhängt, wie viele Menschen geimpft sind, ob es zu einer neuen Welle im Herbst kommt.

Ricardo Lange (links) mit seinem Kollegen und Freund Marc.
Ricardo Lange (links) mit seinem Kollegen und Freund Marc.

© privat

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