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Im „Coaast“ in Warnemünde gibt es nicht nur Schallplatten, man kann sich auch bei Bier und Kaffee zwischen den Regalen verlaufen.

© Promo

Ausflugstipps für Hipster: Im Herbst nach Meck-Pomm?

Aber ja, das geht! Ob Warmtanzen am Strand von Heiligendamm oder Plattenkaufen in Warnemünde: sechs Tipps für Berlin-müde Hipster.

Schwerin

Ein Freitagabend in der Landeshauptstadt. Selten fährt ein Auto die Bornhövedstraße entlang bis zum Schweriner Innensee, eine schwarze Wasseroberfläche, auf der kleine Boote schunkeln. Ein Mann, Mitte 30, Weg-Bier in der Hand, steuert auf das Ufer zu, wo bunte Lichterketten Birke mit Birke verbinden. Er verschwindet im Stimmengewirr des „Angler II“, Hafenkneipe, Konzert-Location, Restaurant – und Garant für einen gemütlichen Abend.

„Moin“ sagen die Raucher, die vor dem Eingang stehen, wenn sie mehr werden. Und während draußen der Wind die Äste einer Trauerweide gegen die Holzwände peitscht, zupft drinnen ein Musiker die dicken Saiten seines Kontrabasses. Eine Diskokugel dreht sich und wirft Lichtflecken auf tätowierte Arme, Regenjacken, Meerjungfrauen an den Wänden.

Zwei Minuten vom Marktplatz entfernt steht der Club „Komplex“ wie eine Festung in der Nacht. Musikalisch wechselt das Thema zwischen Drum ’n’ Bass, Techhouse, Elektro, Swing und Rock – „und wenn Letzteres, dann Punkrock“, sagt Henning, 36, Sakko, T-Shirt und Veranstalter der Tanzreihe. Schwerin hat nun mal keine Universität und die Mittzwanziger gehen nach Rostock oder Berlin.

Nach einer langen Nacht ein Katerfrühstück, am besten in der Rösterei Fuchs, wo Claudia Pirnke die Bestellungen in den Computer tippt. Am Nachmittag serviert sie Cappuccino, Trinkschokolade und Chai Latte, am Abend Prosecco, Weißwein und orientalischen Linsensalat. Als Pirnke vor 13 Jahren ihren Job in der Verwaltung aufgab und mit einem Kaffeehaus neu anfing, war Schwerin noch nicht bereit für Coffee to go und Pastrami. Heute ist das anders.

Heiligendamm

Sarah Fleischer feiert den achten Geburtstag ihres „Deck Heiligendamm“. Der Beach-Club öffnet auch im Winter, dann meist tagsüber. Nur bei Regen und Sturm ist geschlossen. Doch leichte Brise und Minusgrade machen den Gästen nichts aus. „Die wissen ja, worauf sie sich einlassen, wenn sie an einem Novembernachmittag an die Ostsee fahren.“ Mit Mütze, Pulli und Sanddornsaft bevölkern die Gäste die 200 Quadratmeter große Terrasse. Genießen den Blick aufs Meer, essen Pommes, Currywurst oder Suppe. Im Sommer zieht es vor allem die Jungen aus Berlin, Hamburg und München in den Club, der noch bis Ende Oktober Electropartys und Feuershows am Strand veranstaltet.

Warnemünde

Rostock beginnt oder endet im Ortsteil Warnemünde, je nachdem, wen man fragt. Während sich die Touristengruppen am Warnemünder Strom entlang schieben, vorbei an den Backsteinhäusern, Fischrestaurants und Regenjacken-Shops, sortiert Frank in seinem Laden alte Schallplatten. Der 59-Jährige trägt Dreitagebart und Armbanduhr mit vier Abba-Köpfen auf dem Ziffernblatt. „Unser Kerngeschäft sind die 60er und 70er“, sagt er. Seit einiger Zeit verkaufen sich auch die Modern Talking-Scheiben wieder, die jahrelang rumlagen. Die Nachfrage kommt aus Berlin.

Das „Coaast Schallplattencafé“ befindet sich am Leuchtturm 4, von hier sieht man Sanddünen und Ostsee. Auf den Pflastersteinen kreischen die Möwen, auf dem Meer tönt das Signalhorn einer Fähre, und im Schallplattencafé läuft Santana. Weil vor einigen Jahren an den „Laden“ das Wort „Café“ angehängt wurde, steht Frank hinter einem kleinen Tresen, der eher an ein DJ-Pult erinnert, und drückt alle paar Minuten auf den „Cappuccino“-Knopf. Seit er Kaffee verkauft, darf der Laden auch an Sonn- und Feiertagen aufsperren. Bier gibt es im Coaast schon seit der Eröffnung im Jahr 1991.

Direkt gegenüber, an der S-Bahn-Station Warnemünde Werft, steht das „Dock Inn“. Wie Waben sind die Container aufgestapelt, in denen sich die Zimmer des Hostels befinden. Wer hier übernachtet, hat eine ideale Anbindung an die Innenstadt und bucht den lässigen Aktivurlaub gleich mit: Vor der Tür parken Longboards und Strandfahrräder. In der Boulderhalle nebenan klatschen Sportler ihre Hände zusammen und lassen das Magnesiumpulver aufstäuben. Die hohe Eingangshalle aus Beton erinnert an ein Loft. Hier befinden sich die Rezeption, ein kleiner Laden, der Fair-Wear-Shirts eines Rostocker Modelabels verkauft, und das Restaurant. Bierbänke, Europaletten und Holztische von skandinavischen Designern. An den Wänden kleben „Refugees Welcome“- und „Kein Mensch ist illegal“-Sticker.

Volleyballer in ihren Trainingsanzügen hängen auf Couches, daneben starren junge Touristinnen auf ihr MacBook und trinken Fritz Cola. Im Dock Inn ist man schnell beim Du, kann den ganzen Tag abhängen und am Abend versumpfen, am besten bei den Konzerten. Oder in der hauseigenen Vinylbar, einem Container in dem die LPs von Adam Green, Miles Davis und Feine Sahne Fischfilet darauf warten, abgespielt zu werden.

Homophobe Arschlöcher und Nazis fliegen raus

Greifswald zählt zu den bedeutendsten Städten entlang der Europäischen Route der Backsteingotik.
Greifswald zählt zu den bedeutendsten Städten entlang der Europäischen Route der Backsteingotik.

© imago/Torsten Becker

Rostock

„Keine Fotos“, sagt der Türsteher im Jugendalternativzentrum JAZ. Junge Mädchen in ausgelatschten Doc Martens und Jungs in schwarzen Converse schlurfen an ihm vorbei. „Was denn los, Alter“, sagt ein Punk zu einem anderen und geht, die Antwort nicht abwartend, in den Nebenraum, wo sich die Bar befindet. Er prostet einem Mädchen mit Pony, Jeansjacke und Minirock zu und plumpst auf eine Europalette. Ein Iro wippt zu den Gitarrenklängen der Dead Kennedys. Bierflaschen. Ein Einhorn an der Wand, eine Diskokugel an der Decke, Schilder mit Warnungen vor K.-o.-Tropfen. Hier versammelt sich Rostocks Punkszene. Rau, dreckig, fast wie Berlin.

Doch wer Bier trinkt, sollte essen, und zwar deftig. Im „Ursprung“, gleich neben der Petrikirche, werden Backkartoffel, Steak und Burger serviert und auf Leinwand Fußballspiele übertragen. Aus den Lautsprechern raunzt Marco Wanda „Bologna“ und im Keller, wo die Schallplatten an Wände und Decke montiert wurden, tritt eine Liveband auf.

Richtig gute Abende fangen jetzt erst an und führen in Rostock in den „Bunker“. Das ist der Nachfolger der „Gerberei“, jenem Club, der die Technoszene in Meck-Pomm mitgeprägt und vor drei Jahren geschlossen hat. Im Bunker riecht es nach Lack und „wahrscheinlich nach all dem, was über die Abende hier so verschüttet wird“, sagt Kellnerin Sine.

Im Raucherraum und zwischen Wohnzimmerlampen sitzen junge Männer in Jeans und Sneakers und Mädchen in Röcken. Die roten Kinosessel klappen nach hinten, wenn der Daraufsitzende aufsteht, um seine Zigarette auszudrücken, oder in den Darkroom nebenan geht. Die Abende im Bunker enden meist um fünf, manchmal auch um zehn Uhr morgens. Diesmal ist „Prodigy“-Night und die Laserlichter blitzen bis in das in die Wand integrierte Aquarium, in dem kleine Fische dümpeln.

Greifswald

Von außen sieht das „Ikuwo“ wie eine bürgerliche Villa aus und passt sich in das Bild der Greifswalder Innenstadt ein, in der rote Backsteinhäuser stehen, die man so auch in Schweden finden würde. Drinnen dann die volle Ladung linkes Hausprojekt, vollgeklebte Wände, die Besucher wissen lassen: „homophobe Arschlöcher fliegen raus“, Nazis auch. Jeden Mittwoch wird hier Tischtennis gespielt, am Donnerstag über Politik diskutiert und am Wochenende gefeiert. Im oberen Stock wohnen manchmal Musiker. Im Keller befinden sich Proberäume für Bands. Greifswald ist eine Studentenstadt, hier findet man von Dreadlocks über North-Face-Jacke bis Bauchtasche alles. An der Bar kommt man schnell ins Gespräch und trinkt billiges Bier.

Neubrandenburg

Tom Pochert habe den Havanna Club nach Neubrandenburg gebracht, sagt der Betreiber des „Foyercafes“ im Schauspielhaus über sich selbst. „1999 tranken 80 Prozent der Leute hier Cuba Libre und rauchten Zigarre.“ Heute bestellen die Gäste, darunter ein verlässlicher Anteil aus dem Studenten- und Theatermilieu, bunte Cocktails und, so wie es sich für das bordeauxrote Theaterambiente gehört, den farblich dazu passenden Wein. Wenn es keine Vorstellung gibt, wird im Foyercafe geraucht und so lange gefeiert und geschnackt, wie die Leute eben da sind, sagt Pochert. Die Musik passt er den Gästen an, kaum Mainstream, dafür smoothen Electro und alternativen Rock. Wenn man in Neubrandenburg was machen will, dann hier.

Reisetipps für Meck-Pomm

Hinkommen

In Mecklenburg-Vorpommern ist man mit dem Auto am flexibelsten, doch auch die Bahnverbindungen sind von Berlin aus komfortabel. Mit dem Regio nach Warnemünde ab 44 Euro in drei Stunden, nach Schwerin schon ab 27 Euro. Weniger als zwei Stunden bis Neubrandenburg.

Unterkommen

In Rostock-Warnemünde liegt das Kurhotel Sanddorn etwa 15 Gehminuten vom Hafen entfernt. Etwas in die Jahre gekommen, aber sauber und dafür ruhig, wenn man sich von all dem Feiern ausruhen will. Doppelzimmer ab 70 Euro pro Nacht: www.kurhotel-sanddorn.de.

Direkt an der Promenade gelegen und von außen ein scheußlicher Betonklotz ist das Hotel Neptun. Aber von innen sieht man die Fassade ja nicht, dafür das Meer. Ab 189 Euro pro Nacht, hotel-neptun.de.

Rumkommen

Mehr Infos und Ausflugstipps online unter auf-nach-mv.de oder mecklenburg-vorpommern.de.

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