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Ex-Skiläuferin. Maria Höfl-Riesch gewann drei olympische Goldmedaillen und wurde zweifache Weltmeisterin.

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Après-Ski in Obertauern: Maria Höfl-Rieschs Karriere nach der Karriere

Drei Mal gewann sie bei Olympia, zwei Mal wurde sie Weltmeisterin. Jetzt übt Maria Höfl-Riesch ein diplomatisches Amt aus: Schneebotschafterin.

Maria Höfl-Riesch schläft. Sie liegt auf einer Bühne in einem Saal im österreichischen Skiort Obertauern, neben ihr sitzt eine Yoga-Lehrerin, die gerade in den Raum haucht: „Sooo, wir kommen langsam wieder zu uns.“ Vor der Bühne, auf knapp 20 ausgelegten Yogamatten, öffnen Journalisten, Influencer und Touristen die Augen. Sie hatten sich versammelt, um mit Höfl-Riesch Rumpfbeugen zu üben. Dann übernahm die Yogalehrerin, und alle träumten ihrer Stimme nach. Der Tag war lang und hart gewesen, und so war Höfl-Riesch eingenickt. Nun hält einer der Influencer kichernd seine Kamera auf sie, die Yogalehrerin stupst an ihre Schulter. Doch die Schlafende rührt sich nicht.

Maria Höfl-Riesch war einst die beste Skifahrerin der Welt. Sie gewann drei olympische Goldmedaillen und wurde zweifache Weltmeisterin. Jetzt ist sie 34 Jahre alt, körperlich fit, ihre gleichaltrige Weggefährtin Lindsey Vonn jagt noch immer Bestzeiten nach, ihr Schulkollege Felix Neureuther will bei den Olympischen Spielen 2022 antreten. Höfl-Riesch beendete ihre Karriere schon vor fünf Jahren. Statt weiter Medaillen zu sammeln oder Jungprofis Tipps zu geben, liegt sie nun schlafend auf dieser Yogamatte. Höfl-Riesch ist hier, um ein diplomatisches Amt auszuüben: Sie ist die „Schneebotschafterin“ von Obertauern. Hat sie alles richtig gemacht – oder alles falsch?

Zehn Stunden vor der Yogaeinheit, morgens früh um acht an der Kringsalmbahn im Skigebiet. Hinter verschneiten Bergen geht langsam die Sonne auf, durch die Luft schwirren feinste Schneepartikel und werden so angestrahlt, dass sich rund um die Sonne ein magischer Kranz bildet. Eigentlich öffnen die Lifte in Obertauern erst um neun für Skifahrer, heute ist das anders. „First Track“ nennt das Tourismusbüro dieses Event, bei dem Skifahrer schon eine Stunde vor allen anderen auf die Pisten dürfen, zusammen mit der Frau Schneebotschafterin. Heile Piste, heile Welt. Zwischen all den Frühaufstehern fällt besonders eine schwarz gekleidete Frau auf, die akkurate Bögen in die Pistenwalzenspuren malt. Sie ist groß gewachsen, hat erstaunlich breite Schultern und die mit Abstand schönste Skitechnik am Hang. Unten, am Lift schwingt sie ab und klappt die verspiegelte Skibrille hoch. „Da ist sie ja“, ruft einer der Influencer, „Maria!“

Sie lebt bis heute von ihren Erfolgen

Profisportler des Kalibers Höfl-Riesch müssen sich nach dem Karriereende alle derselben Frage stellen: Wie weitermachen? Steffi Graf zog sich nach ihrem letzten Spiel komplett zurück und erwarb so eine stille Würde. Boris Becker heiratet und scheidet sich in der Öffentlichkeit, Lothar Matthäus sagte neulich „Wäre, wäre, Fahrradkette“ im Fernsehen, ansonsten schlägt er sich als Moderator aber besser als im Liebesleben. Und Höfl-Riesch? Da ist es komplizierter.

Skifahren in Deutschland ist ein Sport ohne Stars und ohne das ganz große Geld. Martina Ertl, Hilde Gerg oder Alois Vogl mögen skibegeisterten Bayern ein Begriff gewesen sein – in Oer-Erckenschwick waren sie weitgehend unbekannt. Das liegt an der Übermacht des Fußballs, aber vor allem an der Vermarktbarkeit des Skisports, die sich lediglich auf die Wintermonate beschränkt. Dazu kommt, dass bislang nur wenige deutsche Spitzenskifahrer neben dem Sport in die Öffentlichkeit drängten, Stars sein wollten und damit wiedererkennbar geworden wären. Martina Ertl führt heute ein Sportgeschäft, Hilde Gerg betreibt Ferienwohnungen mit Königsseeblick, und von Alois Vogl heißt es, der Golfclub Furth im Wald sei sehr zufrieden mit seinem Abschlag.

Höfl-Riesch ist da die Ausnahme, zieht die Spur im unverspurten Gelände. Sie moderiert als ARD-Expertin Skirennen zur besten Sendezeit, auf dem Kreuzfahrtschiff „MS Europa“ bietet sie dasselbe Fitnessprogramm an wie in Obertauern, schon seit 2014 gibt es ihre Autobiografie zu kaufen. Sie hat auch eine Modekollektion zusammen mit Bogner entworfen, Handschuhe mit Ziener, einen Helm mit Dainese, und beim DFB-Pokalfinale 2014 zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund trug sie im goldenen Kleid den Pokal aufs Spielfeld. Maria Riesch lebt bis heute von ihren Erfolgen.

Bis Anfang April ausgebucht

In Obertauern fährt sie erst Ski mit den Gästen, dann sitzt sie lässig beim Brunch. Travel Fred, ein Influencer, hat schon ein Video mit ihr gemacht, bei Instagram hochgeladen und Höfl-Riesch verlinkt. Sie hat gleich geantwortet, digital. Er wiederum hat das seiner Mutter geschickt. „Die wird in Ohnmacht fallen“, sagt er, „für sie ist Maria ein Superstar!“

Nach dem Brunch beginnt die Fitnesseinheit, „wichtig für die Rumpfstabilität beim Skifahren“, sagt Maria, dann übernimmt die Yogalehrerin, und der Star schläft ein. Erst nach einer endlosen Minute, in der die Lehrerin sie wieder und wieder angestupst hat, wacht sie auf, schreckt hoch, im Gesicht ganz rot. Sie geht schnell zum Buffet, trinkt einen Tee und macht sich bereit für Interviews.

Frau Höfl-Riesch, vermissen Sie den Sport?

„Überhaupt nicht.“

Auch nicht den Erfolg, den Nervenkitzel des Wettkampfs, die Sonnenaufgänge, wenn Sie frühmorgens auf Alpengletschern trainierten?

„Nichts davon, nein. Wenn man das sein Leben lang gemacht hat, ist es irgendwann mal gut.“

Sind Sie stolz darauf, dass Sie heute noch von Ihren Erfolgen zehren können, dass man Sie kennt?

„Letztens haben mich Freunde gefragt: Können wir nicht mal essen gehen? Das geht bei mir bis Anfang April nicht, ich bin ausgebucht. Das ist zwar ein straffes Programm, aber darauf bin ich ein Stück weit stolz, ja.“

Mehr Marke als Mensch

Sie hat eine Modekollektion und trifft sich mit Influencern. Manche werfen Höfl-Riesch, sie sei fremdgesteuert.
Sie hat eine Modekollektion und trifft sich mit Influencern. Manche werfen Höfl-Riesch, sie sei fremdgesteuert.

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Los ging das mit der bundesweiten Bekanntheit 2010. Da suchte Maria Riesch, wie sie damals noch hieß, einen neuen Manager. Sie hatte den Job schon fast vergeben, da bekam sie einen Anruf vom Kaiser. Nicht dem von China, dem echten, dem bayerischen, Franz Beckenbauer. Der riet ihr zu seinem Manager, einem gewissen Marcus Höfl. Riesch sagte zu – und nahm den neuen nicht nur zum Manager, sie heiratete ihn auch 2011 in Kitzbühel. Der sah in seiner Frau das Potenzial, „in die allererste Liga aufzusteigen, und erste Liga in Deutschland bedeutet für mich: Beckenbauer, van Almsick, Becker“. Der Kaiser war als Kuppler bei der Hochzeit natürlich selbst anwesend, Alfons Schuhbeck kochte, der Boulevard auch.

War Maria Riesch schon telegen gewesen, Maria Höfl-Riesch war es erst recht. Ihren Mann hatte sie bei Interviews fortan per Kopfhörer zugeschaltet und für den Fall, dass Make-up-mäßig mal Luft nach oben gewesen wäre, trug Marcus Höfl in seiner Jackentasche ein Schminkdöschen. Fremdgesteuert sei sie, kritisierten jetzt die Kritiker, mehr Marke als Mensch, mehr Testimonial als Sportlerin. Professionell sei das, entgegnete Maria Höfl-Riesch. 2014 wurde sie noch einmal Olympiasiegerin und beendete danach ihre Karriere.

Wenn ihr Mann Marcus Höfl eines über öffentliche Aufmerksamkeit weiß, dann, dass man sie schüren muss wie ein Lagerfeuer. Während der Karriere sorgen die Erfolge dafür, dass es brennt, nach der Karriere geht das Feuer langsam aus. Je nachdem wie heiß es einst loderte, kann man sich noch eine Weile daran wärmen. Nur wenige schaffen es, die Flammen weiterbrennen zu lassen. Weil Höfl schon immer gute Kontakte nach Obertauern pflegte, dort schon als Kind Ski fuhr, schlug er seine Frau als Schneebotschafterin vor. Eine Deutsche in Österreich. Wichtiger noch ist aber ihre Funktion als ARD-Expertin, da ist sie länger im Bild als früher bei ihren Wettkampfteilnahmen und kann dazu noch einen Charakter entwickeln auf dem Bildschirm. Und schließlich gibt es noch den Boulevard. Maria Höfl-Riesch und Marcus Höfl verrieten im Herbst der „Gala“, dass „viele intensive Gespräche“ und eine Reise nach Südostasien ihre Ehe gerettet hätten. Das Feuer brennt.

Der Sport nur noch Mittel zum Zweck?

Das ist der Vorwurf, dem sich Maria Höfl-Riesch seit der Hochzeit ausgesetzt sah. Dass ihr der Sport weniger und weniger bedeutet habe und das Rampenlicht mehr und mehr. Dass der Sport leide unter Sponsorenterminen und Interviews. Die Spannung gipfelte, als Höfl-Riesch während der Weltmeisterschaft in ihrer Heimat Garmisch-Partenkirchen 2011 Wasserstandsmeldungen vom Krankenbett verschickte, aber trotz eines Hustens bei einer Präsentation eines Uhrenherstellers bis elf Uhr abends blieb. Da denke eine schon jetzt nur noch an die Karriere nach der Karriere, so lautete der Tuschelvorwurf im Kern, da wolle eine schon jetzt alles rauspressen, der Sport sei nur noch Mittel zum Zweck.

Auf der Piste in Obertauern am Morgen versuchte Travel Fred, der Influencer, einen kleinen Spaß, er wollte Höfl-Riesch zu einem Wettrennen herausfordern. „Lieber nicht“, sagte sie, „nachher bist du noch schneller als ich.“

Fehlt er ihr nicht ein bisschen, der Wettkampf?

„Ich suche überhaupt gar nicht mehr diese Challenges“, sagt Höfl-Riesch, „ich scheue sie eher. Ich spüre da sofort wieder diesen Druck, dieses Beweisen, dass ich gut bin.“

Wie ging es Ihnen damit während der Karriere?

„Ich musste mich immer dazu zwingen.“

Sie sagt’s und klingt dabei gelöst.

Reisetipps für Obertauern

Hinkommen

Mit Easyjet von Berlin nach Salzburg ab 60 Euro, dann mit dem Zug nach Radstadt und weiter mit dem Bus nach Obertauern, das Kombiticket kostet 16,90 Euro

Unterkommen

Hotel Zehnerkar, im Zentrum gelegen, von dort ist man schnell am Gamsleitenlift, Doppelzimmer ab 114 Euro, zehnerkar.at.

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