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Der ehemalige Moderator Alfred Biolek. Er ist am 23.07.2021 in Köln im Alter von 87 Jahren gestorben.

© Rolf Vennenbernd/dpa

Alfred Biolek ist tot: Der Menschenzoo konnte ihm nicht voll genug sein

„Bio’s Bahnhof“, „Boulevard Bio“, „Alfredissimo“ – stets richtete der Entertainer den Blick auf den Menschen. Und zwar leise, elegant. Das ist sein Vermächtnis.

Das war neu, das war fast schon revolutionär: Alfred Biolek hat den Zuschauern und den Sendern des deutschen Fernsehens gezeigt, dass Unterhaltung nicht laut und lärmig sein muss. Stattdessen ist durch sein Lebenswerk klar geworden, dass das Medium auch leise – ja, sogar elegant – daherkommen kann. Und dadurch erfolgreich ist.

Auf zwei Wegen hat er dies bewerkstelligt, einmal mit dem Gespräch, heute Talk genannt, und mit „alfredissimo!“, der ersten und wegweisenden Kochshow. Wie Alfred Biolek, besser bekannt als „Bio“, in seinem wöchentlichen ARD-Format „Boulevard Bio“, sich seinen Gästen mit Feingefühl und Sensibilität näherte, das zeugte von Neugier, Herzenswärme, Empathie.

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Nun kommt die Meldung, dass Alfred Biolek tot ist. Er starb am Freitagmorgen. Sein Adoptivsohn Scott Biolek-Ritchie sagt, Alfred Biolek sei in seiner Kölner Wohnung friedlich eingeschlafen. Biolek war seit längerem gesundheitlich angeschlagen. Er wurde 87 Jahre alt.

Der Journalist wollte Zeit seines Lebens niemanden vorführen. Er wollte, dass sich die Gäste selber vorstellen konnten - mit ihren Gedanken, Gefühlen und Überzeugungen. Alfred Biolek wirkte immer perfekt vorbereitet, gerne versicherte er sich über seine Karteikarten, dass die Fakten stimmten. So entwickelte sich „Boulevard Bio“ zum Fernsehsalon der Republik. Die Sendung lief von 1991 bis 2003, ein Hochamt der gepflegten Unterhaltung.

Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU, r) prostet 1996 in der Sendung "Boulevard Bio" Talkmaster Alfred Biolek zu.
Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU, r) prostet 1996 in der Sendung "Boulevard Bio" Talkmaster Alfred Biolek zu.

© dpa/Roland Scheidemann

Im Nachhinein sieht es so aus, als habe sich der Unterhalter zwangsläufig in diese Rolle hinein entwickelt. Vielleicht, vielleicht auch nicht – Alfred Biolek kam erst relativ spät zu Ruhm und Ehre und Alleinstellung, zu seinem Markenzeichen "Bio".

Alfred Biolek wird 1934 als Sohn des promovierten Rechtsanwalts Joseph Biolek und dessen Frau Hedwig, einer Klosterschülerin und Laienschauspielerin, in Freistadt in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Seine Kindheit hat er als glücklich und behütet beschrieben. 1946 zieht die Flüchtlingsfamilie nach Waiblingen bei Stuttgart, wo sein Vater als Rechtsanwalt weiterarbeiten kann.

Nach Abitur und juristischem Studium, immer im Dunstkreis katholischer Studentenverbindungen und zeitweiliger CDU-Mitgliedschaft, absolviert Biolek 1958 das erste juristische Staatsexamen mit Prädikat. Danach arbeitet er als wissenschaftlicher Assistent an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und wird 1962 zum Dr. iur. promoviert.

Wichtige biografische Stationen von Alfred Biolek:

  • Biolek kam 1946 als Flüchtlingskind aus Schlesien nach Schwaben.
  • Er studiert Jura und promovierte 1962.
  • In der ZDF-Rechtsabteilung hielt er es nur wenige Tage aus und wechselte lieber in die Programmabteilung.
  • Von 1976 bis 2007 moderierte er die WDR-Talkreihe „Kölner Treff“.
  • 1978 bekam er seine eigene Sendung, „Bio's Bahnhof“.
  • Im wöchentlichen „Boulevard Bio“-Talk (1991-2003) empfing er in 485 Ausgaben 1600 Gäste, darunter den Dalai Lama und Bundeskanzler Helmut Kohl, der sich das erste Mal in eine Talkshow traute.
  • Biolek wurde vor allem ab 1994 durch seine Kochsendung „Alfredissimo“ im WDR bekannt. Die Sendung lief in 459 Folgen bis 2007.
  • 2010 zog er sich bei einem Sturz von einer Wendeltreppe schwere Schädelverletzungen zu und fiel ins Koma.

Wenige Monate später wird Biolek beim ZDF zunächst als Justitiar in der Rechtsabteilung eingestellt, doch wechselt er schon bald zu redaktionellen Tätigkeiten, die ihn mehr reizen. Er arbeitet als Moderator in Sendungen wie „Tipps für Autofahrer“, „Urlaub nach Maß“, „Nightclub“ und „Die Drehscheibe“. 1970 wechselte er zur Bavaria Film, zieht von Waiblingen nach München und ändert radikal seine bis dahin konservative Lebensweise und Ansichten. Er wird Mitglied der Münchner Bohème um Rainer Werner Fassbinder.

Auch im Berufsleben nimmt er eine neue Perspektive ein. Von 1974 an produziert er für den Westdeutschen Rundfunk die ARD-Erfolgsshow „Am laufenden Band“ mit Rudi Carrell. Schnell folgen die Talkshow „Kölner Treff“ und „Bio’s Bahnhof“, eine Sendung, in der Biolek Talente wie Anke Engelke entdeckt. Von Biolek ist der Satz überliefert, dass er Priester werden wollte, Zirkusdirektor oder Dirigent: „Und ich bin von allem etwas geworden.“

Der polyglotte Biolek lässt seinen Blick über den deutschen Tellerrand hinaus schweifen. Er ermöglicht Künstlern, die bereits im Ausland erfolgreich sind, auch in Deutschland kommerzielle Erfolge, darunter Monty Python, Helen Schneider, Kate Bush, The Police und Herman van Veen. Denn Biolek war nicht nur ein begnadeter Talkmaster, sondern auch Ideengeber, Entdecker, Förderer. Stets war seine Fernseharbeit vom Bemühen um anspruchsvolle Unterhaltung grundiert, aber sein Interessen gingen weit darüber hinaus, ein (Fernseh-)Leben ohne Kunst und Kultur waren für ihn nicht vorstellbar.

Klaus Wowereit (SPD, l), damals Regierender Bürgermeister von Berlin, und der Autor und Fernsehkoch Alfred Biolek probieren 2005 einen Weißwein.
Klaus Wowereit (SPD, l), damals Regierender Bürgermeister von Berlin, und der Autor und Fernsehkoch Alfred Biolek probieren 2005 einen Weißwein.

© Marcus Brandt/dpa

Dass das Leben nicht nur Arbeit, sondern auch Genuss sein kann, macht er den Deutschen von Ende Dezember 1994 an klar: Mit „alfredissimo!“ legt er den Grundstein für das nichtendenwollende Fernsehformat der Kochsendung. Prominente Gäste stellen ihre Lieblingsgerichte vor, während Biolek sich dabei mit ihnen unterhält, ein meist dazu passendes Gericht kocht, sich und ihnen ordentlich viel Wein einschenkt. Er vermarktet die Sendung auch außerhalb des Fernsehens, die begleitenden Bücher werden allesamt Bestseller. Wenn in deutschen Küchen heute einfallsreicher, bewusster und leckerer gekocht wird, hat Biolek einen entscheidenden Anteil daran.

Gegen seinen Willen als schwul geoutet 

Und vielleicht auch daran, dass Homosexualität aus der verruchten Ecke in die gesellschaftliche Mitte gerückt worden ist: 1991, während der schlimmsten Zeit der Aids-Krise, wird Biolek von Rosa von Praunheim als schwul geoutet. Erst später sagt Biolek, dass er nun froh sei, jetzt offen schwul leben zu können. Dabei war für Biolek Diversität kein Fremdwort. Er war ein Menschenfänger, Menschenkenner, Menschenentdecker, ihm konnte der Menschenzoo gar nicht voll genug sein.

Fast möchte man von einem Vermächtnis sprechen. Alfred Biolek hat als Entertainer die Blicke auf Menschen gerichtet, prominent oder nicht. Und in diesen Momenten zeigten sich die Menschen von ihrer individuellen bis eigenwilligen Seite. Bio ging mit ihnen auf Entdeckungsreise, er ließ sich so sehr überraschen wie sein Publikum. Alfred Biolek, das darf man über den öffentlichen wie den privaten Alfred Biolek sagen, war ein Menschenfreund. Ein Menschenfreund in einem Medium, das sonst seine Protagonisten gerne vorführt. Nichts lag dem Mann, der in Köln schließlich seine Heimat fand, ferner.

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