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Auf dem Oktoberfest gibt es auch leisere Schausteller mit langer Geschichte. Manfred Schauer vom Varieté „Beim Schichtl“ ist einer davon.

© imago images/CEPix

Abseits der Bierzelte: Die Wiesn und ihr Henker

Lederhosen und Dirndl, Maß und Hendl – dafür ist das Oktoberfest weltberühmt. Im Varietétheater „Beim Schichtl“ gibt es eine andere Seite zu bestaunen.

Schneller, lauter, teurer – Oktoberfest? Die Münchner Wiesn, die gerade zum 186. Mal stattfindet, wird von vielen geliebt für ihre rauschhaften Bierzelt-Massenfeiern und die immer gigantomanischeren Fahrgeschäfte – und von manchen dafür gehasst. Doch es gibt weiterhin auch andere Schausteller, kleine, leisere, die aber eine lange Geschichte haben. Ein solcher ist Manfred Schauer vom Varieté „Beim Schichtl“, bekannt auch als Enthauptungs-Varieté. 150 Jahre gibt es das Theater schon auf dem Oktoberfest, „Beim Schichtl“ ist damit der überhaupt zweitälteste Betrieb nach der Schottenhamel-Festhalle.

Jeden Tag gibt die Schichtl-Truppe auf der Wiesn am laufenden Band 20 bis 30 Vorstellungen, jede dauert etwa eine Viertelstunde. Leiter Manfred Schauer, der sich „Prinzipal“ nennt, hat immer einen Spruch drauf. Die Frage, auf was er am meisten stolz ist, beantwortet der 68-Jährige mit: „Auf die Zukunft.“ Er meint: „Schauer macht lustig.“ In einem Interview gab er Auskunft, wie er selbst zum Schichtl gekommen sei: „Zu Fuß, weil mit dem Auto kann man nicht hinfahren.“ Und in seinem Lebenslauf wird geschrieben, er sei „Sohn seiner Eltern“.

Das Theater, eine Bretterbude mit Holzdielen und roten Vorhängen, sieht nicht mehr ganz neu aus. Die Bühne ist zwei auf vier Meter klein, der Raum insgesamt überschaubar.

Das Schichtl-Varieté, das nur von elf Leuten inklusive Kassiererin betrieben wird, ist vor allem Klamauk mit Musik, hauptsächlich Queen-Klassikern, als Figuren gibt es etwa die dicke Rosi oder Ringo, den Henker und Mann für alles, sowie eine Bauchrednerin. Das Varieté wird von der Stadt München, dem Wiesn-Veranstalter, als „Zauberei, Puppenspiel und Kuriositäten“ angepriesen. Wie sehr sich das Oktoberfest verändert hat, zeigt eine Zahl: Als das Schichtl im Jahr 1869 begann, gab es noch 50 derartige Theater auf der Wiesn.

Vier Inhaber in 150 Jahren

Manfred Schauer macht das nun schon seit 34 Jahren als Besitzer und Chef des Varietés. Insgesamt hatte das Haus in 150 Jahren nur vier Inhaber, beginnend mit Michael August Schichtl, der einst „Extra-Galavorstellungen mit noch nie dagewesenen Sensationen“ angepriesen hatte. Seine direkten Nachkommen betreiben die Schichtl-Stiftung, die sich um unverschuldet in Not geratene Künstler und Schausteller kümmert.

An die 10000 Zuschauer hat Schauer jedes Jahr während der Wiesn, es gibt um die 400 Vorstellungen. Und damit auch 400 Hinrichtungen. Das ist die morbide wirkende Hauptattraktion seit 150 Jahren, Schauer meinte kürzlich: „Ich bin gespannt, wann es mal heißt: Eine Hinrichtung ist nicht komisch.“ Am Ende jeder Show steht die „Enthauptung einer lebenden Person auf offener hell erleuchteter Bühne mittels Guillotine“. Das Fallbeil – „50 Pfund schwer und scharf wie ein Rasiermesser“ – habe der Schichtl-Gründer aus Frankreich bezogen, erklärt Schauer.

Während die Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ läuft, wird Rita aus dem Publikum ausgewählt, eine Frau mittleren Alters. „Weg mit dem Kohlrabi“, sagt der Henker und zieht ihr eine schwarze Mütze über den Kopf. Rita muss sich in eine Kiste legen, das Fallbeil saust herab, der Henker hebt den Kopf mit der Mütze empor. Nach der Veranstaltung sagt Rita draußen: „In der Kiste war es ganz schön eng und stickig.“

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