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Von TISCH zu TISCH: First Floor

Keine Vorrede notwendig: Das „First Floor“ im Hotel Palace ist eine Säule der Berliner Kulinarik, schon ewig mit einem Stern ausgezeichnet.

Matthias Buchholz hat hier gekocht, jetzt kocht Matthias Diether. Und der hat nun ein echtes Problem: Schon vier Köche in Berlin sind an ihm vorbeigezogen zum zweiten Michelin-Stern, und das macht allen Restaurants mit gleichem Anspruch höllischen Druck. Also mehreren in Berlin, also auch diesem.

Es ist auf diesem Überdrüber-Niveau eine Grundsatzfrage zu lösen: Macht man die komplizierte „Pinzettenküche“ mit, die eine unüberschaubare Vielzahl von disparaten, kontrastierenden Elementen miteinander kombiniert, gern im Halbkreis verschlungen auf einer Tellerhälfte? Den dritten Stern gibt es nur dann, das ist bekannt. Aber das muss ja nicht immer so bleiben, womöglich wird die neue skandinavische Wurzelpeterei schon morgen durch den noch neueren Luxuspurismus abgelöst? 

Diether ist für all das gerüstet, kocht nur noch an fünf Abenden, also mit fester Mannschaft – das schützt vor Abstürzen. Er startet mit einem asiatischen Hauch, gestaltet komplizierte Vorspeisen und haut dann einen ganz simpel wirkenden, köstlichen Rochenflügel mit Spinat, Parmesan und ein wenig Sesam heraus, der einfach nur Genuss ohne Nachdenken bietet. Und er setzt gegenwärtig – vielleicht ein wenig zu oft – auf die modischen Fleisch-Fisch-Kombinationen: Rohe Makrele mit Gänselebercreme und Pak Choi, gebeizter Saibling mit verschiedenen Stücken vom Kalb und Karotten, Schweinebauch mit Austern und Artischocken.

Das alles ist aber sehr gut gemacht, immer so, dass die Beigaben dort, wo es nötig ist, die Harmonie zwischen den Gegenspielern herstellen, unerwartete aromatische Verwandtschaften aufzeigen. Kleine Beigaben, Mikroelemente spannen den Bogen, setzen Kontraste, akzentuieren. Das Essen hier macht Spaß, es läuft aber nicht mehr so nebenbei wie früher durchaus üblich, sondern verlangt vom Gast Konzentration, zumal dann, wenn der souveräne Sommelier Gunnar Tietz noch ein paar Ideen beisteuert und die Botschaften seines Küchenchefs mit originell ausgesuchten Weinen auf Touren bringt.

Nur in einem Fall war ich nicht ganz zufrieden: Das Schwarzfederhuhn mit Quinoa, nach Art der Zeit per Niedertemperatur gegart, wirkte insgesamt geschmacklich ein wenig monoton, ließ genau jene Kontraste vermissen, die das Menü zuvor spannend gestaltet hatten. Sehr schön wie stets: die Desserts im ähnlich vielfältigen Stil, beispielsweise gelierte Schokowürfel mit grünem Tee und asiatischen Pandan-Blättern. Ein solches Vergnügen kostet je nach Menülänge 110 bis 160 Euro, das ist teuer, und der Wein ist es auf jeden Fall auch. Dafür gibt es sehr viel Platz und Komfort in einem neuen, längst nicht mehr so quietschbunten Rahmen. Müsste eigentlich auch dem Michelin gefallen.

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