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Das Restaurant "Alte Überfahrt" im Hotel "Prinz Heinrich" in Werder/Havel.

© Bernd Matthies

Von Tisch zu Tisch - die Restaurantkritik: Hochgenuss mit Havel-Blick

Spitzenküche ist in Brandenburg noch immer eine Seltenheit. Große Ausnahme: Die "Alte Überfahrt" in Werder/Havel - ein Restaurant in malerischer Insellage.

Weit draußen in Brandenburg wäre Platz für unzählige gute Restaurants mit und ohne Seeblick, nur fehlt es eben an Gästen, und deshalb gibt es sie nicht. Damit das Thema aber nicht ganz aus dem Blick gerät, schauen wir immer mal wieder bei unseren Favoriten nach, ob dort alles zum Besten steht. Die „Alte Überfahrt“ in Werder liegt nicht an den großen Trampelpfaden, aber wer den Weg dorthin gefunden hat, außerhalb des Baumblütenfestes natürlich, der wird es schön finden. Mich fasziniert die ruhige, kaum gestörte Atmosphäre der Altstadt auf der Insel, die Rundumsicht über die Havel hat was Altniederländisches, und ...

Das Essen, richtig. In der Alten Überfahrt, zu der auch ein kleines Hotel gehört, ging es von Anfang an ambitioniert und modern zu. Patrick Schwatke, der Patron, kann zwar gut kochen, erledigt nun aber den Service, und die Küche liegt in den Händen von Thomas Hübner – das war von Anfang an so, aus der Notlösung ist ein eingespieltes System geworden. Der Stil von Hübners Küche läuft darauf hinaus, den aktuellen Trends eine Richtung zu geben, die auch Zufallsbesuchern eine Chance zum Genuss gibt, durchdacht, aber nicht kopflastig. Täglich sind acht Gänge verfügbar, die zu beliebigen Menüs zusammengefügt werden können (51,80 bis 98,50 Euro). Vorab gibt es auch noch was, zum Beispiel leicht gebratene Zanderbäckchen auf fermentiertem Spitzkohl, wobei der Kohl seinen Charakter behielt und nicht in Richtung Sauerkraut abdriftete, was mir typisch vorkam für die sorgfältige Arbeit der Küche.

Die "Überfahrt"-Küche hält Balance und achtet die Grundprodukte

Die „Überfahrt“-Küche achtet immer auf einen gewissen Schmelz, hält Balance und respektiert die Grundprodukte. So schmeckt der Kartoffelschaum mit Parmesan zum pochierten Eigelb nach Kartoffel, etwas Knusperbrotiges füllt die Leerstelle für die Zähne. Der Schweinebauch hat Schmelz und Biss, dazu gibt es Kohlrabi und Mohrüben in verschiedenen Farben und Konsistenzen, ohne dass der Gesamteindruck auch nur ansatzweise ins Rustikale kippte – weiter weg von Großmutters Eintopf geht nicht. Unter den gebackenen, eher nussig als kohlig schmeckenden Rosenkohlblättern lagen Aalstücke auf einem geschmeidigen Püree, das offenbar mit salzig eingelegter Clementine gewürzt war; dieses Aroma hätte ich mir betonter vorstellen können, gleichwohl wirkte es insgesamt subtil und fein.

Ebenso das Saiblingsfilet mit dem klaren Geschmack, den die Ike-Jime-Schlachtmethode mit sich bringt. Dazu ein Hauch von Miso und Steckrüben als Püree und gestückelt – wieder nicht einfach, so etwas weder rustikal noch japanisch wirken zu lassen, aber es gelang. In der Menükomposition waren schließlich zwei Hauptgänge ausgewiesen, etwas größer dimensioniert als die Vorspeisen. Zum einen der Skrei, also Winterkabeljau, sehr schon saftig gebraten mit einem Hauch von Bräune, arrangiert mit einer pochierten Auster auf schwarzen Linsen in einer Austern-Beurre-blanc sowie roten Beten für den erdigen Hauch – unser Favorit, für sowas kann man durchaus mal einen Michelin-Stern in Erwägung ziehen.

Angenehm und gut versorgt wird man hier das ganze Jahr

Kaum weniger gelungen fanden wir den sekundengenau dunkelrosig abgepassten Hirschrücken mit Karotten in verschiedenen Zubereitungen und meisterlich dunkler Jus. In den Desserts liegt wohl nicht die Stärke dieser Küche, das mag auch arbeitsökonomische Gründe haben. Der Schokokuchen mit marinierten Birnen und Tabak-Eis schmeckte, alternativ gab es Blomeyer-Käse, vier gute Sorten in schmalen Streifen mit Chutneys und Nussbrot. Dazu Weine von der gut und ähnlich zugänglich wie das Menü zusammengestellten Weinkarte. Billig sind sie nicht: Wir zahlten 7 Euro für 0,1 l von Johners feinem Weißburgunder/Chardonnay. Man kann mit dem Besuch warten, bis die hübsche kleine Havelterrasse offen ist, muss aber nicht. Denn angenehm und gut versorgt wird man zu jeder Jahreszeit.

Alte Überfahrt, Fischerstr. 48 b, Werder/Havel, Tel. 03327-731 33 36, Mi-Fr ab 18, Sa/So ab 12 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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