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Klassischer Gourmettempel mit ausgezeichneter Küche: Das Haerlin in Hamburg

© Haerlin, Vier Jahreszeiten Hamburg / promo

Von TISCH zu TISCH - die Restaurantkritik: Haerlin

Ein Ausflug nach Hamburg zu einer Traditionsadresse: Keine Avantgarde, aber kulinarische Optimierung.

Zu bestimmten Tageszeiten kommt man von Tegel schneller nach Hamburg als nach Köpenick – ein Grund dafür, hier ab und zu auch in die Töpfe der Hansestadt zu gucken. Wichtiger als die Reisezeit scheint mir allerdings, dass die kulinarische Zeit in Hamburg etwas langsamer läuft, es wird gelassener gekocht als bei den notorisch hibbeligen Berliner Avantgardisten (andere gibt es ja kaum noch ...).

Keine Trendgastronomie, sondern klassisches Gourmetrestaurant

Ich habe mir deshalb auch keinen Trendbetrieb ausgesucht, sondern ein fast historisches Luxusrestaurant, wie es das bei uns kaum noch gibt; allenfalls „Lorenz Adlon“ und „Facil“ spielen hier mit. Und eine weitere Parallele zum „Facil“ liegt darin, dass Küchenchef Christoph Rüffer auch schon seit 2002 im Amt ist. Auf dieser Hochebene, wo kein Detail dem Zufall überlassen bleibt, kann Restaurantkritik allenfalls Stilkritik sein. Sind das eventuell diese gefürchteten Streberteller mit drölfzig Komponenten? Sie sind komplex, keine Frage, aber sie folgen einer konsequenten Dramaturgie, die Gestaltung lenkt den geschmacklichen Fokus genau auf die Hauptsache, die nie unter Schnickschnack verschwindet. Beispielhaft fand ich den Steinbutt, ein prächtiges Filetstück aus einem Neun-Kilo-Fisch, zu makelloser Konsistenz geflämmt. Drüber ein Hauch Zitrus, daneben Zitronenhollandaise, Chorizovinaigrette, Knollensellerie in Scheiben mit grünem Apfel, Nussbutterschaum mit geröstetem Sellerie.

Einfach ist das also nicht, aber es zeigt, wozu solche Restaurants da sind: den Genuss auf die Spitze zu treiben. Zweites Beispiel: Thunfischbauch von makelloser Qualität, minimal angeröstet und fett genug, um auf der Zunge zu schmelzen. Dazu Thunfischtatar mit Kaviar, Avocado-Jalapeñocreme unter Gurkensorbet, Kleckse von Meerrettichcreme und Yuzu-Gel, und schließlich eine verblüffende Idee, die alles erdet und zusammenführt: Spitzkohlsud mit Algen und Bonitoflocken. Konzipiert dafür, die möglichen Kombinationen auf der Zunge auszuprobieren, die Kontraste und die aromatischen Korrespondenzen wirken zu lassen. Und es gelingt, wenn hinterher keine Verwirrung herrscht, sondern wie hier ganz klar ist: ein Thunfischgang.

Großes Gourmetkino, locker-akkurater Service, luxuriöse Weinauswahl

Eine Aufzählung aller Gerichte, die wir probiert haben, würde den Rahmen sprengen – aber die Stilistik dürfte klar geworden sein. Eins geht vielleicht noch: Heidelbeer-Schoko-Ganache, Quarkschaum, Heidelbeergranité, Macadamianusscreme, flüssig gefüllte Heidelbeerpraline, Quark-Milcheis und Kerbelcreme. (Menüs: 155/195 Euro.) Gut, dass es hier trotz großer Pracht- und Serviceentfaltung nicht hanseatisch steif zugeht – interessanterweise sind viele Gäste entspannte Skandinavier zu viert. Der Service lässt alles präzise laufen, die Weinkarte ist hoch kalkuliert und luxuriös konventionell, aber die Weinbegleitung bringt viel Ungewöhnliches. Und der Blick auf die Binnenalster, nein, so was kriegen wir in Berlin nicht hin.

Haerlin im Fairmont-Hotel Vier Jahreszeiten, Neuer Jungfernstieg 9–14, Hamburg, Tel. 040 / 34 94 33 10, Di–Sa ab 18.30 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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