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Hanns-Josef Ortheil widmet sich in seinem neuen Roman "Der von den Löwen träumte" Hemingways Zeit in Italien

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Mundpropaganda - das Genuss Interview: Hanns-Josef Ortheil

Der erfolgreiche Autor über die Vorzüge eines Unterwasserrestaurants, das Hemingway Cookbook und die feine Sitte, Cicchettis zum Wein zu servieren

Von Kai Röger

Herr Ortheil, Ihre Eltern lebten als junges Paar in Berlin, in Ihrem Buch „Die Berlinreise“ begeben Sie sich mit Ihrem Vater auf Spurensuche durch das Berlin der 60er Jahre - und doch ist ein Unwohlsein gegenüber der Stadt geblieben. Woher kommt das?
Meine Eltern lebten in den Kriegsjahren von 1939 bis 1945 in Berlin. Sie verloren dort ihren ersten Sohn während eines Bombenangriffs. Die Erzählungen über diese schrecklichen Jahre haben bei mir eine starke Nachwirkung hinterlassen. Deshalb habe ich mit „Berlin“ lange Zeit vor allem Angst und Schrecken verbunden.

Gibt es auch etwas Schönes, was Sie mit Berlin in Verbindung bringen?
Oh ja, natürlich. Anfang der neunziger Jahre habe ich zum Beispiel einige Sommerwochen im „Literarischen Colloquium“ am Wannsee gelebt. Nach dem Mauerfall war das eine besonders schöne Zeit. Die Nähe zum Wasser, die großen Wälder – ich war laufend mit dem Fahrrad oder einem Schiff in ganz Berlin unterwegs.

Wo essen Sie denn in Berlin häufiger?
In der Feinschmeckeretage im sechsten Stock des KaDeWe. An der legendären Austernbar habe ich viele Stunden verbracht. Man trifft dort begeisterte Austernliebhaber und sehr anregende Gesprächspartner.

Sie waren 2017 in Potsdam als Writer in Residence. In welcher Bar oder welchem Restaurant waren Sie denn dort?
Ich habe bei sehr gastfreundlichen Bekannten gewohnt, die sich jeden Tag große Mühe gegeben haben, mich mit einem wunderbaren Menu zu überraschen. Der Gipfel bestand darin, dass mir der Hausherr einen alten Buick zeigte, den er in seiner Garage stehen hatte. So einen Wagen hatte ich noch nie gesehen, hatte aber gerade vor, von einem zu erzählen. Hemingway hatte seinen alten Buick aus Kuba über den Atlantik mit nach Venedig gebracht.

Haben Sie eine kulinarische Empfehlung für Potsdam oder Brandenburg?
Ja, ein Wochenende im Hotel Bleiche im Spreewald mit Abendmenus im Restaurant „17fuffzig“. Das ist ein Traum, auch wegen der Abgeschiedenheit, die einem lauter unerwartete Ideen und Einfälle beschert.  

Welches Restaurant auf der Welt würden Sie gerne einmal besuchen?
Das Unterwasser-Restaurant Under in Norwegen! Dort Fisch zu essen – das würde eine gute Erzählung geradezu provozieren.

Hanns-Josef Ortheil pflegt seine "romanische Haltung" genüsslichen Dingen gegenüber auch beim Schreiben
Hanns-Josef Ortheil pflegt seine "romanische Haltung" genüsslichen Dingen gegenüber auch beim Schreiben

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In Ihrem neuen Roman „Der von den Löwen träumte“ erzählen Sie von Hemingways Zeit in Venedig. Was hat Ihnen in der Lagunenstadt an kulinarischen Dingen besonders gefallen?
Die Vielzahl von kleinen Weinlokalen, wo man zu einer Ombra (Glas Wein) sehr gute Cicchetti isst. Mein Favorit ist das „Al Botegon“ im Sestiere Dorsoduro, ich habe der Besitzerin (Alessandra De Respinis) in langen Gesprächen sogar ihre Rezepte entlockt und sie ins Deutsche übersetzen lassen. Da ist ein wunderbares Buch („Cicchettario“) draus geworden.

In Ihrem neuen Roman finden sich viele sinnlich-detaillierte Beschreibungen von Mahlzeiten, aber auch von der authentischen Zubereitung einiger Gerichte wie etwa dem Risotto nero. Wie haben Sie diese Rezepte recherchiert? Kochen Sie gern selbst?
Nein, ich koche nicht, helfe aber gerne in der Küche beim Präparieren von Mahlzeiten. Ich spiele Musik ein, lese vor, unterhalte die Köchin oder den Koch. Hemingway war, anders als oft angenommen, ein großer Genießer, gekocht hat aber auch er niemals. Es gibt jedoch ein „Hemingway Cookbook“, das von seinen Lieblingsspeisen und Lieblingsrestaurants berichtet.

Ihre szenischen Beschreibungen von Gerichten und Menüs sind ebenso sinnlich wie appetitanregend – ist das Ausdruck tiefer Bewunderung für die mediterrane Esskultur?
Meine Vorfahren kamen aus Frankreich, dort habe ich (wie auch in Italien) lange gelebt. Ich glaube, ich habe eine romanische Haltung zum Essen, zu Mahlzeiten und dem Vergnügen, das sie bedeuten. Ich erzähle davon aber ganz selbstverständlich, ohne großes Brimborium. In Frankreich und Italien ist die Esskultur in fast allen Gesprächen einfach ein großes, leidenschaftlich verfolgtes Thema. In Deutschland wird man dagegen oft schon schräg angeguckt, wenn eine Romanfigur ein Glas mehr trinkt als im Gesundheitsprogramm vorgesehen.  

Adressen
KaDeWe, Tauentzienstr. 21-24, Schöneberg

Bleiche Resort & Spa, Bleichestr. 16, Burg im Spreewald, Brandenburg

Under, 4521 Båly, Norwegen

Al Botegon, Fondamenta Nani 992, Venedig (I)

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