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Mulacks neue Berliner Küche - die Rezeptkolumne: Ich bin ein Berliner!

Die "Kalbsleber Berliner Art" ist eines der letzten Überbleibsel der einst so vielfältigen Innereienküche. Hier erfährt sie eine würdige Neuauflage.

Von Kai Röger

Eine Frage, die sich viele Zugezogene stellen: Wie wird man ein echter Berliner? Die Kalbsleber mit Apfel, Zwiebeln und Kartoffelstampf hat es geschafft. Sie wurde zur „Berliner Leber“ oder „Leber Berliner Art“. Und das, obwohl Kalbsleber mit gerösteten Zwiebeln in ganz Deutschland heimisch ist und mit der Zugabe von Salbei sogar einen venezianischen Akzent bekommt. Auch das Duo Apfel und Kartoffel, als „Himmel und Erde“ seit dem 18. Jahrhundert vom Rheinland über Westfalen, Norddeutschland bis Schlesien bekannt, gibt zwar einen Hinweis darauf, wie die Leber nach Berlin kam, nicht aber, was sie zu einer Einheimischen machte.

Die Schlesischen Zuwanderer ab Anfang des 19. Jahrhunderts prägten mit ihrer Kochtradition die Berliner Küche und sind vermutlich Urheber des Komplettpakets aus Kalbsleber, Zwiebeln, Apfel mit Kartoffelstampf. Nun könnte man den alten Spruch zitieren „jeder zweite Berliner stammt aus Breslau“ und die Leber gleich mit vereinnahmen. Aber die schlesische Herkunft allein reicht als Erklärung nicht. Es braucht auch eine gewisse Verbissenheit, hier bleiben zu wollen und sich gegen alle Unzulänglichkeiten, Widerstände und Krisen zu behaupten.
Das hat die Berliner Leber geschafft: Von all ihren Gleichgesinnten, den unzähligen Innereiengerichten vergangener Tage, die sowohl als Armenspeise als auch bei Hofe geschätzt wurden, ist sie die einzige, die sich noch heute flächendeckend auf Berliner Speisekarten findet. Noch in den sechziger Jahren standen auf der Karte eines Berliner Brauhauses Gerichte wie Lungenhaschee, Kalbsherz am Spieß, gepökelte Rinderzunge mit Madeira, Hirn mit Sauce Remoulade, Hasenleber und Kalbsnieren, wie Jürgen Dollase auf seinem Blog eat-drink-think beschreibt. Wohlgemerkt in einem Brauhaus.
Die wunderbare Innereienkultur der deutschen Küche verschwand leider mit der immer günstiger werdenden Fleischproduktion aus dem Berliner Kochalltag, erlebt aber mittlerweile zarte Widerbelebungsversuche in der feinen Gastronomie und wird im Trend „nose to tail“ zum Steckenpferd einiger weniger Erleuchteter.
Nur: Wo kann man heute noch gute Zunge essen? Welcher Fleischer hat noch Nierchen, Herz oder Lunge in seinem Angebot? Wer weiß noch, wie man sie zu Hause zubereiten muss? Innereien waren einst heimisch in Berlin, aber sie wurden weggentrifiziert von der Überflussgesellschaft aus Filet und Co. Nur die Leber hat den Austausch im Warensortiment stoisch überstanden. Sie kam, um zu bleiben, eisern, wie ein echter Berliner.

Lust bekommen, selbst zu kochen? Hier finden Sie über 150 einfache Rezepte für jeden Tag.
Der Koch Kristof Mulack widmet der Berliner Leber nun den letzten Teil seiner Rezeptkolumne im Tagesspiegel. Der gebürtige Berliner mochte als Kind tatsächlich keine Leber. Mit den Jahren gewöhnte er sich aber an sie. Zunächst fand er Leberwurst ganz lecker, später dann auch gebratene Leber mit Zwiebeln und Äpfeln.
Heute gehört „Leber Berliner Art“ zu seinen Lieblingsessen. Dennoch hilft er dem Klassiker in seinem speziellen Rezept mit ganz wenigen Kniffen, mit der Zeit zu gehen und sich dabei noch selber treu zu bleiben.

Hier finden Sie weitere Artikel aus der Serie "Mulacks neue Berliner Küche"
Teil 1: Königsberger Klopse
Teil 2: Blumenkohl polnisch
Teil 3: Hackepeter Deluxe
Teil 4: Senfeier mit marinierter Bete
Teil 5: vegetarische Soljanka
Teil 6: Hühnerfrikassee
Teil 7: Rote Grütze
Teil 8: Erbsensuppe mit Flusskrebsen
Teil 9: Rollmops mit Makrele

Kristof Mulack modernisiert in der Kochkolumne Berliner Klassiker. Mehr über ihn: kristof.mulack.berlin und #kristof_mulack_official
Kristof Mulack modernisiert in der Kochkolumne Berliner Klassiker. Mehr über ihn: kristof.mulack.berlin und #kristof_mulack_official

© Florian Bolk

REZEPT - Kalbsleber Berliner Art

Zutaten für 4 Personen
4 Scheiben Kalbsleber
500 g mehlig kochende Kartoffeln
3 Gemüsezwiebeln
1 Glas Apfelmus
12 Perlzwiebeln
250 ml Rinderfond
250 ml Portwein
1 Stängel frischer Majoran
2 St. Sternanis
250 g Butter
150 ml Sahne
1 El Mehl
Muskatnuss, Lorbeerblatt, Salz & Pfeffer
Kerbel oder Kresse zum Garnieren

Zubereitung
Die geschälten Kartoffeln in Salzwasser weich kochen. Wasser abgießen und Kartoffeln ausdämpfen lassen.
Die Sahne mit dreiviertel der Butter erhitzen, bis die Butter geschmolzen ist. Etwas Muskatnuss hineinreiben und eine Prise Salz dazugeben.
Nun die Kartoffeln hinzufügen und mit einem Stampfer in die Sahne-Butter-Mischung einarbeiten, bis alles einen cremigen Kartoffelstampf ergibt.
Apfelmus in einem kleinen Topf bei mittlerer Hitze unter ständigem Rühren einreduzieren lassen, bis fast die gesamte Flüssigkeit verschwunden ist und das Mus leicht karamellisiert.
Das Mus mit einer Prise Salz abschmecken.

Die Hälfte der Zwiebeln mit Mehl bestäuben und salzen. Im tiefen Fett (Fritteuse oder tiefe Pfanne) goldbraun ausbacken. Kalbsleber von Sehnen und Häutchen befreien und von beiden Seiten anbraten. Erst jetzt mit Salz und Pfeffer würzen und bei 80 Grad im Ofen ruhen lassen. In derselben Pfanne die Hälfte der Zwiebeln mit der restlichen Butter anbraten und mit Portwein ablöschen. Den Rinderfond aufgießen, Sternanis, Majoran und das Lorbeerblatt hinzufügen und das Ganze kräftig einreduzieren lassen, bis es eine dickflüssige Soße ergibt. Anschließend durch ein Spitzsieb passieren und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Perlzwiebeln halbieren und zur Seite stellen.

Anrichten
Alles nebeneinander auf einem flachen Teller platzieren.
Die gebackenen Zwiebelringe ins Püree stecken und die Perlzwiebeln auf dem Apfelmus verteilen.
Etwas Kerbel platzieren und zum Schluss die Soße angießen.

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