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Vom einfachen sauren "Soßenklops" zur Gourmetspeise: Die "Königsberger Klopse" kommen in einer ungemein feinen Neuinterpretation von Kristof Mulack mit Tempura-Sardinen und Rote-Bete-Sirup

© Florian Bolk

Kristof Mulacks Rezeptkolumne: Die zeitgemäße Renaissance der Königsberger Klopse

Sie sind das bekannteste deutsche Gericht: Man kennt Klopse seit dem 18. Jahrhundert. Bei Kristof Mulack kommen sie wieder groß raus.

Von Kai Röger

"Soßklopse" oder "Kochklopse" in säuerlich abgeschmeckter und mit Mehl gebundener Brühe zu garen, bekam der Mensch schon im 18. Jahrhundert hin, selbst der Philosoph Immanuel Kant soll sie seinen Gästen serviert haben. Damals wurde das Fleisch noch mürbe geklopft und dann geschabt, der Fleischwolf wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden.

Aus dieser Zeit stammt auch die erste Erwähnung der „Königsberger Klopse“ in einem Kochbuch: Im „Praktisches Kochbuch für die bürgerliche und feine Küche“ von Henriette Davidis enthielten sie auch Sardellen, Zitrone und Kapern, was nicht nur Raffinement, sondern auch die historische Verortung in der vermögenden Hansestadt an der Ostsee mit sich brachte. Denn Königsberg betrieb schon damals regen Handel mit dem Mittelmeerraum, aus dem die mediterranen Zutaten importiert werden konnten.

Der bekannteste regionale Klassiker der Deutschen

Laut einer Umfrage des Forsa-Instituts von 2009 haben Königsberger Klopse den höchsten Bekanntheitsgrad unter allen deutschen Klassikern. Bis sie aber zum Allgemeingut in Alltagsküchen und Kantinen wurden, dauerte es noch einige Zeit. Nicht nur Kapern und Zitrone – Sardellen konnte man ja durch gewässerten Salzhering ersetzen – waren für das gemeine Volk unerschwinglich, auch die Beigabe von Kalbfleisch deutet darauf hin, dass es zu einer parallelen Entwicklung von Sauren Klopsen, wahlweise auch Heringsklops genannt, und der feineren Königsberger Variante kam, die vorerst dem wohlhabenden Bürgertum vorbehalten war.

Ab den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts setzte sich der heute gebräuchliche Begriff für alle Klops-Spielarten durch, darunter auch für Edelvarianten, die ab dem aktuellen Jahrtausend in besternten Luxusrestaurants auftauchten, zuerst in Michael Hoffmanns „Margaux“, dann bei Stefan Hartmann und nicht zuletzt bei Tim Raue im „La Soupe Populaire“, dessen Fleischbällchen in der „Villa Kellermann“ in Potsdam gerade eine Neuauflage erleben.

Der Ur-Berliner Kristof Mulack, Gewinner der TV-Kochshow "The Taste", Küchenkonzepter für "Tisk" und Mitbetreiber der Speisekneipe "Lausebengel" modernisiert in seiner Kolumne Berliner Klassiker
Der Ur-Berliner Kristof Mulack, Gewinner der TV-Kochshow "The Taste", Küchenkonzepter für "Tisk" und Mitbetreiber der Speisekneipe "Lausebengel" modernisiert in seiner Kolumne Berliner Klassiker

© Florian Bolk

Ein Ur-Berliner modernisiert die Berliner Küche

Kristof Mulack kennt Klopse noch aus seiner Kindheit, eines der am häufigsten gekochten Gerichte seiner Oma, bis heute ein Lieblingsgericht, das immer auf der Karte seiner Speisewirtschaft „Lausebengel“ steht. Statt Kalb verwendet er Schweinefleisch, weniger aus Kosten- als aus ethischen Gründen. Dafür verarbeitet er die Sardelle nicht in die Fleischmasse, sondern frittiert eine Jahrgangssardine in Tempurateig und legt sie obenauf. Rote-Bete-Reduktion und -Pulver geben dem Ganzen einen erdig-süßen Akzent. Bodenständiges Soulfood auf Höhe der Zeit.

Der Koch: Kristof Mulack

Der Urberliner und kulinarische Autodidakt betrat nach seinem Supper-Club „mulax“ als Gewinner der TV-Kochshow „The Taste“ die große Bühne. Für die Restaurants „Tisk“ und „Lausebengel“ entwickelte er das Konzept einer Speisekneipe mit bodenständig modernisierten Klassikern der Berliner Küche, die er nun auf Tagesspiegel „Mehr Genuss“ in unregelmäßigen Abständen in seiner ersten Kochkolumne vorstellen wird. Alle Gerichte kann man auch in seinem Restaurant „Lausebengel“, Grimmstraße 21, Kreuzberg essen.

Das Rezept

Königsberger Klopse mit Tempura-Sardinen und Rote Bete

Zutaten für 4 Portionen
1,5 l Wasser
5 Lorbeerblätter, frisch
1 TL Pimentkörner
1 TL schwarze Pfefferkörner1 TL Senfkörner
100 ml Weißer Balsamico
10 ml Einlegeflüssigkeit von Kapern
250 g Schweinehack
4 Bio-Eier
6 Kapernäpfel
1/2 Gemüsezwiebel
100 g Paniermehl
1 kg mehlig kochende Kartoffeln
100 ml Milch
250 g Butter
4 Sardinen aus der Dose
Tempuramehl
Sonnenblumenöl (nach Wunsch)
100 ml Rote-Bete-Saft
Salz, Zucker, Muskatnuss und weißer Pfeffer (nach Geschmack)
getrocknete Rote Bete (zu Pulver gemörsert)
Zitronensaft zum Abschmecken

Zubereitung

Zuerst die Zwiebeln und die Kapernäpfel klein hacken. Die Zwiebeln im Sonnenblumenöl glasig anschwitzen und anschließend beides mit dem Hack, Paniermehl und den Eiern zu einer Masse verkneten. Aus der Masse dann möglichst gleich große Klopse formen. Anschließend Wasser aufsetzen und die Gewürze (Lorbeer, Piment, schwarzer Pfeffer, Senfkörner) mit dem weißen Balsamico aufkochen. Auf mittlere Hitze stellen und die Klopse darin garen, bis sie an der Oberfläche schwimmen. Den Fond anschließend auf die Hälfte reduzieren, mit Sahne, Kapernwasser und Butter abschmecken und abbinden. Man kann auch etwas weiße Mehlschwitze nutzen.

Die Kartoffeln schälen und in Wasser weich kochen. Ausdampfen lassen und mit der Butter und der Milch zu einem cremig-stückigen Brei zerstampfen. Mit Muskatnuss, Salz und Pfeffer nach Geschmack würzen. Den Rote-Bete-Saft auf die Hälfte sirupartig einreduzieren. Dünne Rote-Beete-Scheiben bei 70 Grad Umluft und leicht geöffneter Ofentür 20 Minuten trocknen und anschließend im Mörser zu Pulver zerstoßen. Das Tempuramehl mit kaltem Wasser anrühren, schnell die Sardellen durchziehen und im tiefen Fett knusprig, aber farblos ausbacken. Mit dem Rote-Bete-Pulver bestreuen.

Zum Anrichten einen tiefen Teller nehmen und einen großzügigen Klecks Kartoffelstampf in die Mitte setzen. Darauf ein paar Klopse verteilen und mit Sauce übergießen. Ein paar Spritzer von der Rote-Bete-Reduktion daraufgeben und die Tempura-Sardelle auf die Klopse legen.

Mit Kerbel garnieren – fertig!

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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