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Der Karpfen ist der nachhaltigste Zuchtfisch, den man in Deutschland essen kann.

© picture alliance / dpa

End of Fish Day: Lachs-Ersatz

Fisch aus dem Meer? Ökologisch oft heikel. Slow-Food-Koch Christoph Hauser hätte da ein paar überraschende Alternativ-Rezepte.

Missverständnisse will Christoph Hauser gar nicht erst aufkommen lassen, beim End of Fish-Day am Freitag in der „Markthalle Neun” in Kreuzberg. Als ersten von vier Mini-Gängen serviert der Koch den etwa 30 Gästen, die sich an Tischen vor einem Podium versammelt haben, ein so umwelt- und klimafreundliches Gericht, wie man es selbst hier, im selbsterklärten Berliner Zentrum der regionalen und nachhaltigen Ernährung, selten vorgesetzt bekommt: ein Karpfen-Ceviche.

Karpfen und dann noch roh – da dürfte die eine oder der andere zusammenzucken. Zwar ist Karpfen der nachhaltigste Zuchtfisch, den man in Deutschland essen kann, er leidet aber auch unter einem miesen Image. Zu Unrecht, wie Christoph Hauser beweist.

Das Fleisch hat er in kleine Stücke geschnitten und für ein für ein paar Minuten in einer Marinade aus Zitronensaft, Gemüse und Gewürzen eingelegt. Auf dem Teller stellt er ihm die volle Wucht von Sellerie-Penetranz, Chili-Schärfe, Zitrussäure und ganzen, gerösteten Kürbiskernen zur Seite. Das ist im Ergebnis erfrischend und kantig, von muffigen oder schlammigen Noten, die man Karpfen ja noch immer nachsagt, keine Spur.

Teichbewohner auf Weltreise: Auch im Ceviche macht sich der Karpfen überraschend gut.
Teichbewohner auf Weltreise: Auch im Ceviche macht sich der Karpfen überraschend gut.

© Ferdinand Dyck

Hauser kocht an diesem Abend im Auftrag von „Slow Food“, zu deren Köche-Vereinigung „Chef Alliance” er gehört. Die 1986 in Italien gegründete Organisation, die sich der guten, bewussten und verantwortungsvollen Küche verschrieben hat, veranstaltet einen Diskussionsabend zum "End of fish day”, den Slow Food Deutschland mit Brot für die Welt und Fair Oceans ins Leben gerufen hatte, um auf eines der vielen Probleme modernen Fischkonsums aufmerksam machen: Die Deutschen ernähren sich mittlerweile zu vier Fünfteln des Jahres von Import-Fisch.

Mehr als die Hälfte des weltweit konsumierten Fisches stammt aus Aquakulturen

Zwischen 14 und 15 Kilogramm Fisch, Muscheln, Garnelen und andere Meeresfrüchte verzehrt jeder Bundesbürger im Jahr, etwa 40 Gramm pro Tag, und damit viel mehr, als deutsche Fischer fangen oder züchten. Statistisch reichte der selbst erzeugte Fisch dieses Jahr nur bis vergangenen Freitag, dem “Ende-des-Fisches-Tag” eben. Der Rest stammt zum Teil von Trawlern, die Thunfisch und Kabeljau in den weiten Ozeanen fangen, beide gehören zu den am meisten verspeisten Fischen hierzulande. Oder er kommt aus riesigen Netzgehegen, die unter anderem in norwegische Fjorde eingelassen sind und in denen der Lieblingsfisch der Deutschen wächst: der Lachs. Mittlerweile beträgt sein Anteil am Fischkonsum hierzulande knapp 18 Prozent.

Dass die Lachszucht Probleme mit sich bringt, hat sich herumgesprochen. Manfred Kriener, Umweltjournalist und Slow-Food-Experte, fasst zusammen: Mittlerweile stamme mehr als die Hälfte des weltweiten konsumierten Fisches aus Aquakulturen. Das sei „ein dramatischer Epochenwandel”, der sich „fast geräuschlos“ vollzogen habe, so Kriener, und dessen Auswirkungen man weltweit zu spüren bekomme. Lachse zum Beispiel würden unter hohem Einsatz von Antibiotika gezüchtet, durch die Netze gelangten die Medikamente in die Ökosysteme, etwa in norwegische Fjorde. Außerdem seien noch immer große Mengen an Fischmehl und -öl nötig, um Raubfische in Gefangenschaft zu füttern. Dafür müssen Wildfische verarbeitet werden, im großen Stil, etwa Anchoveta, Sardinen aus Peru, die den Menschen dort als Grundnahrungsmittel fehlen. Der Mensch aus einem „großartigen Fisch” einen „Problemfisch” gemacht, so Kriener. Und deshalb schlägt Slow Food an diesem Abend nachhaltige Alternativen vor.

Warum bekommt man eigentlich fast nirgends Süßwasserfisch?

Radikal regional interpretiert Christoph Hauser diesen Auftrag. Neben der Karpfen-Ceviche serviert er eine Fischsuppe, Forellen-Velouté und Barsch-Maultaschen. Alle Fische stammen aus Brandenburg. Dazu gibt’s Räucherfischcreme und eine mediterrane Barsch-Creme. Überzeugende Kreationen sind das, aromatisch kräftig interpretiert, mal mit Koriander und Chili, mal mit dem tiefen Aroma der eingebrannten Velouté.

Nur: Wie viele Menschen bringt man mit rohem Karpfen dazu, den Lachs links liegen zu lassen? Dessen zart rosa schimmerndes Fleisch ist ja gerade deshalb so begehrt, weil es mit dem Tier nicht mehr viel zu tun hat: Portioniert aus der Plastikpackung und garantiert grätenfrei bekommt man es, rund um die Uhr und fast überall, in jeder Supermarkttheke und auf jedem zweiten Frühstücksbüffet. Im Gegensatz zu frischem Süßwasserfisch aus der Region: Den sucht man selbst in der Markthalle Neun vergebens. Der “Fish Klub”, der momentan einzige Fischstand dort, serviert Maräne, Hummer und Dorade aus Frankreich.

Solange sich an der Logik des Lebensmittelhandels nichts ändert, dürfte es schwer werden, den Deutschen ihre Liebe zum Lachs auszutreiben. Wer aber mit dem ursprünglichen Geschmack von Süßwasserfisch aus deutschen Flüssen, Seen und Teichen etwas anfangen kann und es schafft, beim Fischhändler welchen zu ergattern, wird an Christoph Hausers Rezepten viel Freude haben.

Ceviche vom Karpfen

Zutaten

300 g küchenfertiger Karpfen (Karpfenfilets) : Alternativ Karpfenfilet mit Haut, hier muss allerdings von die Haut und die Y-Mittelgräte entfernt werden. 5 Zitronen unbehandelt 100 ml Apfelessig 150 ml Wasser 1 Rote Zwiebel 1/2 Bd. Koriander 2 Knoblauchzehen 1 Chilischote 150 g Staudensellerie Salz, Pfeffer, Zucker, Olivenöl

Zubereitung

Bei Ceviche wird der Fisch in Zitronensaft "gegart". Bei der sogenannten Säure-Denaturierung kommt es zu einer strukturellen Veränderung der Eiweiße im Fischfleisch ähnlich wie beim Braten. Das Schöne ist, dass dabei die Primärstruktur erhalten beliebt und der Fisch seinen tollen Biss behält. Koriander waschen und die Blätter abzupfen, Chili klein hacken. Fisch ggf. enthäuten/entgräten und anschließend abwaschen, Karpfenfilet in sehr feine Streifen schneiden. Die Fischstreifen in eine flache Schüssel legen. Den Saft der Zitronen und den Apfelessig über den Fisch geben und etwa 10 Minuten ziehen lassen. Zwiebel schälen und in feine Streifen schneiden, Staudensellerie und Koriander grob schneiden, Knoblauchzehen schälen und fein schneiden, alles miteinander vermengen und über den Fisch geben, dabei einmal kräftig mischen. Mit Salz, Pfeffer, Zucker und Olivenöl abschmecken, nach einer weiteren halben Stunde ist der Karpfen verzehrbereit.

Barschcreme mediterrane Art

Zutaten

300 g Barschfilet 250 g Frischkäse 1 EL Meerrettich 1 EL Tomatenmark 1 Knoblauchzehe 2 Spitzpaprika 1 TL Senf 100 ml Weißwein 1 Zweig Rosmarin 1 TL Kräuter der Provence Salz, Pfeffer, Apfelessig

Zubereitung

Paprika waschen und Kerngehäuse entfernen, anschließend walnussgroße Stücke schneiden.

Barschfilet in einer heißen Pfanne mit Öl, Paprika und dem Knoblauch scharf anbraten, sodass Röstnoten entstehen. Mit dem Weißwein ablöschen und aufkochen lassen.

In einem Mixer alle Zutaten kräftig mixen. Nach und nach der Frischkäse zugeben.

Nach dem Pürieren mit Salz, Pfeffer und Apfelessig abschmecken. Zum Schluss den frisch und fein gehackten Rosmarin unterrühren. Im Kühlschrank ist die Paste sieben Tage haltbar.

Ferdinand Dyck

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