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Klares Design: schön anzusehen, aber akustisch mit einigen Tücken

©  Remi/promo

Die Restaurantkritik: Remi in Mitte - spektakulär gute Küche mit kleinen Tücken

Die Macher von „Lode & Stijn“ haben im Domizil des Suhrkamp-Verlages eine Brasserie eröffnet – ein gelungenes Projekt, sowohl mittags wie abends.

Von Felix Denk

Mutiges Haus, mutiges Restaurant: In den scharfkantigen Eckbau von Architekt Roger Bundschuh am Rosa-Luxemburg-Platz ist vergangenes Jahr der Suhrkamp-Verlag eingezogen. Jetzt haben Lode van Zuylen und Stijn Remi im Erdgeschoss das „Remi“ eröffnet, das Schwesterrestaurant von „Lode & Stijn“ in Kreuzberg.

Anders als im Stammhaus herrscht hier kein Menüzwang

Mit ihrer produktnahen saisonalen Küche haben sich die beiden jungen Niederländer in den letzten Jahren in die Herzen der Foodies gekocht. Und während sie sich in Kreuzberg in Richtung Michelin-Stern strecken, gehen sie es in Mitte eher casual an. Soll heißen: Hier kann man mittags schnell was essen, auf der schönen Terrasse einen Kaffee trinken und abends à la carte bestellen.

Lesen Sie hier die Restaurantkritik des "Lode & Stijn" von Bernd Matthies (erschienen im Februar 2020)

Wie in einer Brasserie eben, und die hier ist besonders schön: Riesige Fensterfronten, Sichtbeton, eine offene Küche und eine spektakulär geschwungene Neonröhre prägen den Raum.

Keine Verkünstellungen - hier steht das Produkt im Vordergrund

Mini-Skandal gleich zum Beginn: Das Brot ist nicht selbstgebacken! Wäre nicht erwähnenswert, wenn Lode van Zuylen nicht auch einer der besten Bäcker der Stadt wäre. Die Butter zum gut gekauften Albatross-Sauerteigbrot hat dafür etwas Programmatisches. Sie ist mit gebräunter Butter aufgeschlagen, also quasi aus sich selbst heraus gewürzt. Nicht mit Koji oder Miso, wie das gerade so viele machen, sondern mit einfachen Mitteln, aber großem Effekt. Ein Leitmotiv im „Remi“: Hier soll das Produkt glänzen.

Sehr gelungen: Rote Bete mit geeistem Feta und Raddicchio
Sehr gelungen: Rote Bete mit geeistem Feta und Raddicchio

© Felix Denk

Das klappt oft. Bei den Roten Beten etwa. Die kommen dem Ofen, einmal gewürfelt, einmal püriert, mit genau der richtigen Mischung aus süß, sauer und erdig. Mit dem dezent bitteren Radicchio, mazerierten roten Zwiebeln, gerösteten Haselnüssen und dem eisgekühlten und damit in der Salzigkeit etwas runtergedimmten Feta spannt der Gang einen weiten, aber harmonisch aromatischen Bogen (14 Euro). Und er ist farblich so schön, dass man ihn gern zu den regenbogenbunten Bänden der Edition Suhrkamp von Willy Fleckhaus stellen würde, die hier als Deko im MDF-Regal stehen.

Bester Gang: krosse Porchetta mit gelbem Pfirsich
Bester Gang: krosse Porchetta mit gelbem Pfirsich

© Felix Denk

Ein Bekenntnis zum Handwerk sind die Tagliolini, die selbstgemacht sind, ebenso der Pancetta, der sie begleitet (15). Bester Gang ist die Porchetta, der italienische Schweinebraten hat eine feine Kräuterschicht, eine krosse Kruste und sein vollmundiger Schmelz wird durch den süßsäuerlichen gelben Pfirsich frisch begleitet. In der Spitzengastronomie wird ein Produkt oft leicht streberhaft in zwölf Varianten serviert. Hier funktioniert das im Kleinen. Den Pfirsich gibt es frisch und als Kompott. Obendrauf noch ein paar Blätter Senfsalat, der eine sanfte Bitterkeit spendiert und das Fett ein wenig aufbricht – wunderbar (15).

Recht zahm: pochierter Heilbutt mit Pak Choi, Kartoffelcreme und Schnittlauchöl
Recht zahm: pochierter Heilbutt mit Pak Choi, Kartoffelcreme und Schnittlauchöl

© Felix Denk

Die Hauptgänge sind etwas blasser. Der pochierte Heilbutt (recht kompakt) bekommt mit gebratenem Pak Choi und mit einer sehr luftigen Kartoffelcreme mit Schnittlauchöl etwas Aroma-Action (24). Die Hühnerbrust mit knuspriger Haut begleiten ein gebackener Spitzkohl und ein zitronig abgeschmecktes Selleriepüree angenehm leicht. (24). Das abschließende Joghurteis zu Sauerampfer-Granité und Sommerbeeren war etwas kristallin, könnte cremiger sein (8).

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Die Weinkarte setzt den Fokus auf Deutschland und Frankreich, gönnt sich aber ein paar Ausflüge, etwa nach Slowenien. Anders als man in so einer zeitgeistigen Gastronomie erwarten könnte, spielen Naturweine nicht die Hauptrolle, sind aber auch gut vertreten.

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So schön das „Remi“ ist, akustisch hat es durch glatte Oberflächen und hohe Wände seine Tücken. Und wie immer bei offenen Küchen: Ordert der Nebentisch gegrillte Makrele, riecht es der ganze Laden. Günstig ist es nicht gerade. Isst man vier Gänge, zahlt man kaum weniger als im Fine Dining-Restaurant in Kreuzberg. Genug gemeckert: Der Besuch hier ist eine Freude.
- Remi. Torstr. 48, Mitte, Tel. 27 59 30 90, Di – Sa 12 –22 Uhr, remi-berlin.de

Felix Denk

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