Die Restaurantkritik: Montraw in Mitte: Ostmediterrane Leichtigkeit
Modern-elegantes Ambiente, frei interpretierte Klassiker von Nordafrika bis Israel auf hohem Niveau. Das neue Montraw bereichert die Torstraße
Hostels, Spätis, Touristen in Feierlaune – die Torstraße wäre prädestiniert, zum kulinarischen Ballermann zu werden. Aber ihr Immunsystem scheint zu funktionieren. Am Wochenende sind praktisch alle Restaurants mit Anspruch gut besucht – und davon gibt es dort einige. Es werden sogar stetig mehr.
Das ehemalige "Tucholsky" wurde generalüberholt
Die jüngste Eröffnung ist das „Montraw“, das mit moderner israelischer Küche bereits 2018 in Prenzlauer Berg eröffnet hatte. Am alten Standort werden in der „Mezze Bar by Montraw“ jetzt unterhaltsame Kleinigkeiten serviert.
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Im neuen Restaurant, wo früher das „Tucholsky“ deutsche Klassiker servierte, geht es deutlich ambitionierter zur Sache. Der Gastraum wurde generalüberholt, die schummrige Atmosphäre ist eleganter Leichtigkeit gewichen: mattgrüne Wände und Bänke, ein Arrangement aus Spiegeln, Ziegelsteinen und viel Naturholz, das hat was. Dazu auffallend schöne Designerleuchen, die mit ihren Punktstrahlern die Lücken markieren, die durch die Abstandsregel entstehen.
Auch Küchenchef Ben Barabi dreht das Rad weiter. Die Basis bleibt nordafrikanisch-israelisch: Freekeh (geräucherter grüner Weizen), Tahini, Datteln, Feigen und Salzzitrone tauchen in vielen Gerichten auf.
Aber Barabi setzt sie in einen globalen Kontext. Das „Israelische Sashimi“ (13 Euro) zum Beispiel: Fünf rohe Hamachi-Stücke schwimmen in reichlich Olivenöl und werden von einer Aromenattacke aus Chiliringen, Salzzitrone, Feigen und Radieschen auf die Textur reduziert. Nichts für Produktpuristen, aber das Gericht ist stimmig: gleichzeitig fremd, exzessiv und verführerisch.
Beim gegrillten Oktopus (9) ist es der sautierte Grünkohl, in dem getrocknete Feigen, Salzzitrone und darübergehobelter Kishk, ein libanesischer Parmesan artiger Käse, am Gaumen Ping-Pong spielen.
Das erinnert an die Küche Gal Ben Moshes aus dem besternten „Prism“.
Lesen Sie hier die Restaurantkritik des "Prism" von Bernd Matthies aus dem Dezember 2018.
Doch Ben Barabi kocht kompakter, wuchtiger, lehnt seine Gerichte mehr an traditionelle Vorbilder an: „Sambusak“ (7,50) sind frittierte libanesische Teigtaschen, die er mit Ochsenschwanz und Kichererbsen füllt. „Seafood Kebab“ (17) kommt in Form gegrillter Fisch-Garnelen-Buletten mit Aubergineneintopf, umringt von Bohnencreme und schwarzem Tahini.
Letzteres gibt auch dem gebackenen Blumenkohl (16) eine wenig schmeichelnde, stumpf-bittere Sesam-Note, die Barabi mit säuerlich eingelegtem wilden Brokkoli und süßlicher Dattel-Salsa gerade noch so auf Wohlgeschmack prügelt.
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Kraftvoll, aber versöhnlich kreuzt er beim Dessert „Montraw’s Kadayif“ türkisches „Engelshaar“ mit italienischer Mascarpone, frischen Früchten und israelischem Dattelsirup.
Dieser unterhaltsame Ausflug in eine frei erfundene, ostmediterrane Weltküche wird durch die – etwas forsch kalkulierte – Weinauswahl komplettiert, die Deutschland, mit Italien, Frankreich, Israel und dem Libanon kombiniert.
Der Service um Gastgeber Shimon Rokhlin arbeitet konzentriert, und zur Rechnung gibt es augenzwinkernd einen Schnaps aufs Haus. Wie auch immer, die Torstraße hat einen neuen Abwehrkörper gegen kulinarische Banalität gewonnen.
– Montraw, Torstr. 189, Mitte, Di – So ab 18 Uhr, Tel. 25 78 27 07, montraw.com
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