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Prenzlau

© dpa

Gastronomie: Freundliche Übernahme

Immer mehr Polen entdecken für sich die Uckermark und möbeln leerstehende Häuser und geschlossene Restaurants wieder auf.

An die alte Dorfkneipe erinnert nur noch der Name „Zur Linde“. Alles andere hat Marian Kazmierczak, der neue Eigentümer, gründlich verändert. Und dabei befindet sich das vor vier Wochen wiedereröffnete Lokal in einem Ort, der nicht mal auf jeder Landkarte steht. 74 Menschen leben in Bagermühl im Dreieck zwischen Uckermark, Vorpommern und Polen. 85 Prozent haben das Pensionsalter erreicht. Prenzlau, die nächste größere Stadt, liegt 35 Kilometer entfernt. Dazwischen dominiert die Einöde.

Der Eigentümer gehört zu der wachsenden Schar von Polen, die Immobilien und Grundstücke in den Regionen vor der Grenze kaufen. „Das gute Niveau des Restaurants in Bagemühl wird sich schon herumsprechen“, sagt Manager Gregor Schlappa. Der junge Mann spricht deutsch und polnisch und hat für den Käufer, seinen Onkel, die meisten Gespräche mit den Behörden gedolmetscht.

„Nach Berlin ist es über die Autobahn doch ein Katzensprung, nach Stettin sind es 45 Kilometer“, sagt er. Der Saal biete sich für Hochzeiten, Lesungen oder Tagungen an. Ganz unerfahren sei sein Onkel ohnehin nicht ins deutsche Gastronomiegeschäft eingestiegen. Im zehn Kilometer entfernten Grünow habe er das Landgasthaus „Zum Schafstall“ gekauft. Zuvor war dort in zwei Versteigerungen kein Käufer gefunden worden. Die Angestellten kommen weiterhin aus Deutschland.

Auch die meisten Umbauarbeiten in den Restaurants haben deutsche Firmen vorgenommen. „Polnische Handwerker meinen immer, sie könnten alle Arbeiten vom Dach bis zu den Fliesen erledigen“, erzählt der in Gelsenkirchen aufgewachsene Gregor Schlappa. „Das erweist sich aber schnell als Trugschluss. Für gute Qualität braucht man Spezialisten.“

Die schlagen natürlich mit höheren Preisen zu Buche. „Polnische Unternehmer erhalten von deutschen Banken leider keine Kredite“, klagt der Restaurantmanager. „Die gelten wohl noch immer als unzuverlässig und unsicher.“ Überhaupt müssten sich die Behörden in der Region viel mehr um polnische Käufer kümmern. Sonst sei die Gegend wegen der Abwanderung der jungen Leute in fünf bis zehn Jahren tot.

Ganz so pessimistisch sieht Immobilienmaklerin Monika Lenart die Lage nicht. Sie vermittelt in der Uckermark leerstehende Ein- und Mehrfamilienhäuser, Lagerräume oder auch Restaurants an polnische Kunden. „In den vergangenen zwei Jahren liefen die Geschäfte ganz gut“, erzählt die einstige Angestellte einer Spedition in ihrer Geburtsstadt Stettin. „Manchmal gab es monatlich mehrere Verträge, mitunter aber auch nur einen Kontrakt.“

Den Besitzer wechseln vor allem Häuser, deren Eigentümer gestorben oder weggezogen sind. „Die meisten Deutschen glauben, dass man diese Bauten nach dem langen Leerstand nur noch abreißen kann“, sagt die 30-jährige Geschäftsfrau. „Die Polen aber können daraus immer noch etwas machen.“ Ein unsaniertes Einfamilienhaus in der Uckermark ist schon für 10 000 bis 20 000 Euro zu haben, ein Mehrfamilienhaus kostet nicht mehr als 30 000 Euro. In und um Stettin dagegen liegen die Preise um ein Vielfaches höher.

Die meisten Käufer aus dem Nachbarland ziehen selbst in die sanierten Häuser ein. Sie arbeiten oft in Deutschland als selbständige Handwerker, Autohändler, Kosmetikerin oder Friseuse. „Die guten Unternehmer aber“, so heißt es in der Region, „sind schon nach England, Irland oder Frankreich weitergezogen.“ Da verdiene man viel mehr Geld. Ihre Häuser in der Grenzregion werden dann vermietet.

In jüngster Zeit erhalten die polnischen Immobilienmakler jedoch auch besorgte Anrufe ihrer Landsleute. In der knapp 3000 Seelen großen Stadt Löcknitz, im benachbarten Vorpommern an der Landstraße nach Stettin gelegen, sind Mitte Januar mehrere polnische Autos demoliert worden. Immer wieder gibt es Parolen auf Hausmauern, mit denen die 200 in Löcknitz wohnenden polnischen Bürger zum Verlassen des Ortes aufgefordert werden. Die meisten Erwachsenen fahren täglich zur Arbeit nach Stettin, einige ihrer Kinder besuchen in Löcknitz die deutsch-polnische Schule. Ein Ärzteehepaar verdient sein Geld im Krankenhaus Pasewalk.

Bürgermeister Lothar Meistring (Linke) hat sich für die Ausschreitungen entschuldigt und will seinen Kurs fortsetzen. Nur durch das allmähliche Zusammenwachsen des deutsch-polnischen Grenzraumes erhalte die Region eine Perspektive, sagt er. Er hoffe auf weitere Firmen aus Polen, die hier Jobs schaffen. Erst unlängst hat das Unternehmen „Fleischmannschaft“ eine Filiale in Löcknitz eröffnet. Doch vor allem die hier sehr aktive NPD macht weiter Stimmung gegen diese Entwicklung und fordert einen Zuzugsstopp für Polen und die Schließung der Grenzen. Bei der angeblichen „Polonisierung“ der Gegend würden die Deutschen auf der Strecke bleiben, heißt es von der NPD.

Maklerin Monika Lenart und Restaurantmanager Gregor Schlappa zucken bei diesem Thema nur mit den Schultern. „Hoffentlich siegt die Vernunft“, sagt Lenart. „Man kann doch nicht die ganze Region zum Naturpark ohne Menschen werden lassen.“

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