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US-Präsident Donald Trump dürfte nervös den Ergebnissen der Ermittlungen von Ex-FBI-Chef Robert Mueller entgegensehen.

© Saul Loeb/AFP

Garret Graff im Interview: "Mueller geht unglaublich schnell vor"

Ex-FBI-Chef Robert Mueller ermittelt gegen Donald Trump. Mueller-Biograf Garrett Graff über den Mann, der den US-Präsidenten zu Fall bringen könnte.

Herr Graff, Sie beobachten den jetzigen Russland-Sonderermittler und einstigen FBI-Chef Robert Mueller seit Jahren. Wer ist der Mensch, der den US-Präsidenten Donald Trump zu Fall bringen könnte?

Mueller ist der vielleicht anständigste Amerikaner, den es gibt. Er hat sein ganzes Leben dem öffentlichen Dienst verschrieben – und ganz besonders der Suche nach Gerechtigkeit innerhalb des amerikanischen Rechtssystems. Seine Karriere ist unvergleichbar.

Seine Kritiker sehen das anders. Hat er aus Ihrer Sicht denn gar keine Schwächen?

Die Kritik an Mueller gleicht im Grunde genau dem, was seine Anhänger so toll an ihm finden. Er ist sehr fokussiert auf seine Arbeit. Als FBI-Direktor war er extrem nachtragend und unversöhnlich, wenn jemand seine Arbeit nicht perfekt erledigt hatte. Er kann Lügen nicht ausstehen und hat eine ganz genaue Vorstellung davon, wie sich die Menschen um ihn herum zu verhalten haben.

Seine Kritiker auf der rechten Seite werfen ihm vor, bei den Russland-Ermittlungen machtbesessen und größenwahnsinnig zu sein, weil er Trump aus dem Amt jagen wolle. Ist er in Gefahr, Grenzen zu überschreiten?

Wenn man sich den aktuellen Fall und Muellers Arbeit anschaut, dann sieht man, dass er hier eine sehr begrenzte, sehr konservative juristische Strategie verfolgt. Er hat bisher nur Menschen angeklagt, bei denen er eindeutige Beweise ihrer Schuld hat. Er geht keinen Verbrechen nach, die in der Grauzone liegen.

Die Aufmerksamkeit ist enorm, das „Time Magazine“ hat Robert Mueller gerade zur drittwichtigsten Person des Jahres gewählt. Was bedeutet dieser Fall für ihn?

Ich bin mir nicht sicher, ob ihm von Anfang an klar war, wie politisch heikel dieser Fall werden würde. Aber er wird diese Herausforderung auch nur als die drittschwerste ansehen, die er jemals zu erfüllen hatte. Als FBI-Direktor hatte er immer wieder darüber gesprochen, was sich für ihn verändert hat, seit er Elitesoldaten im Vietnamkrieg anführte. Und dass Männer in den Krieg zu führen für immer die schwerste Aufgabe seines Lebens darstelle. Als FBI-Direktor sagte er, dass er besser schlafe als während seiner Zeit in Vietnam – und das trotz der Anschläge des 11. Septembers, die er, gerademal sieben Tage im Amt, aufzuklären hatte. Er gibt alles für seine jetzige Aufgabe als Sonderermittler, immerhin der wohl letzte Job seiner Karriere, aber es würde mich wundern, wenn ihn das besonders stressen würde.

Mueller gilt als extrem verschwiegen, zeigt sich selten und gibt keine Interviews. Wem vertraut er eigentlich wirklich?

Sein Ermittlerteam besteht aus Leuten, mit denen er in der Regel schon sehr lange zusammenarbeitet. Da ist zum Beispiel Aaron Zebley, der war sein Stabschef beim FBI und folgte ihm später in die Anwaltskanzlei WilmerHale. Andrew Weissmann beriet ihn beim FBI. Er hat ein Team von Leuten um sich versammelt, die er sehr gut kennt und denen er vertraut, weil sie alle große Erfahrung haben. Jeannie Rhee ist eine erprobte Anwältin, die Mueller bei WilmerHale kennengelernt und mit in den Staatsdienst genommen hat. James Quarles hat im Watergate-Skandal ermittelt, er weiß genau, wie schwierig diese Fälle sein können und was man braucht, um sie zusammenzustellen. Michael Dreeben ist einer der bekanntesten Anwälte der Regierung in Berufungsverfahren, der nun mit für die große Strategie in diesem Fall verantwortlich ist.

Welche Strategie benutzt Robert Mueller denn? Sein Vorgehen wird immer wieder mit Mafia-Ermittlungen verglichen.

Das ist richtig. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine erstaunlich normale FBI-Untersuchung. Das FBI konzentriert sich meist darauf, Organisationen zu Fall zu bringen: Mafia-Clans, Drogenkartelle, Straßengangs. Nicht immer lohnt sich der Aufwand einer FBI-Untersuchung, wenn es um die Straftaten Einzelner geht. Das Vorgehen in diesem Fall ähnelt dem Vorgehen bei einem Mafia-Clan. Man setzt bei den weniger wichtigen Personen der Organisation an und drängt sie dazu zu kooperieren. Dieser Strategie folgt Mueller unglaublich methodisch.

Die Öffentlichkeit erfährt nur wenig von dem, woran Mueller genau arbeitet. Was glauben Sie, was am Ende herauskommt?

Es ist extrem schwer zu beurteilen, wie weit er ist. Es sieht danach aus, als ob er einen Fall um eine kriminelle Verschwörung rund um die Finanzierung der Trump-Organisation baut. Und dann noch einen Fall, bei dem es um die Behinderung der Justiz geht.

Wie lange werden die Ermittlungen noch dauern?

Ich habe mal gesagt, nach Thanksgiving im November sind wir schlauer. Das war auch so, in den vergangenen Wochen haben wir einiges erfahren, woraus wir unsere Schlüsse ziehen können. Mueller weiß offenbar sehr viel und beginnt auch, sein Wissen zu teilen, um weiter voranzukommen. Das meiste, was wir von der Untersuchung wissen müssen, werden wir wohl zu Beginn des neuen Jahres erfahren haben. Aber vergessen Sie nicht, solche Ermittlungen können mehrere Jahre dauern, auch wenn zwischendurch immer wieder Urteile gesprochen werden.

Es gibt keine zeitliche Begrenzung?

Zumindest keine bestimmte. Aber Mueller ist sich natürlich bewusst, dass er nicht ewig Zeit hat. Der Druck ist sehr hoch, die amerikanische Öffentlichkeit will wissen, was passiert ist. Mueller hat aber bereits Anklagen gegen so viele unterschiedliche Personen erhoben – er geht unglaublich schnell vor.

Garrett Graff (37) ist ein US-amerikanischer Journalist und Autor. Seit seinem Buch „The Threat Matrix: Inside Robert Mueller’s FBI and the War on Global Terror“ gilt er als Mueller-Biograf. Die Fragen stellte Juliane Schäuble.

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