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Dosenpfand - eine gescheiterte Idee? Seit 2008 werden mehr Getränke in Einwegverpackungen als in Mehrwegverpackungen verkauft.

© dpa

Für die Lobby: Blechschaden - schlechte Bilanz für das Dosenpfand

Dosenpfand, Flaschenpfand – irgendjemand verdient immer. Es ist eine schier unendliche Lobby-Geschichte.

Der Griff ins Regal, die Flasche an den Hals – und weg mit ihr, zerknautscht im Automaten. So wenig schön dieses Bild ist, so treffend beschreibt es wohl doch das Konsumverhalten in der Getränkeindustrie. Immer mehr Kunden kaufen jene Plastikflaschen, die nach der Rückgabe beim Händler zerquetscht, abgeholt und recycelt werden. Weil die Durstigen auch dafür Pfand zahlen beziehungsweise zurückerhalten, glauben die Kunden, einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Es ist eine lange Geschichte und ein großes Geschäft geworden mit einem Pfand, das die Verbraucher aus guter Absicht mittragen und das doch nicht hält, was es verspricht.

Die beste Ökobilanz hat freilich die Mehrwegflasche. Je häufiger eine Flasche im Umlauf ist, geleert, gereinigt und wiederbenutzt werden kann, desto umweltfreundlicher. Die Pfandregelung sollte die Kunden zusätzlich motivieren. Im Kern lautete sie: Sinkt der Anteil des Mehrwegs auf unter 72 Prozent, wird auch der Rest bepfandet. Auch Einweg. Und so sollte die Einführung auch des Einwegpfands im Jahr 2003 – unter Bundesumweltminister Jürgen Trittin verbal eingängig zum „Dosenpfand“ umetikettiert – das Mehrwegsystem stärken. Dessen Anteil war schon unter seiner Vorgängerin Angela Merkel kontinuierlich dahingeschmolzen auf knapp 63 Prozent. 200 Prozesse strengte die Einweglobby seinerzeit gegen Trittins Dosenpfand an, vergebens.

Seit 2008 werden mehr Getränke in Einwegverpackungen als in Mehrwegverpackungen verkauft

Das Einwegpfand war der Versuch, staatlicherseits den Markt zu steuern. Denn die Verbraucher waren und sind bis heute guten Willens, Flaschen zurückzubringen, statt sie in der Landschaft zu entsorgen. „Wir haben in den Markt eingegriffen, um mehr Wettbewerb zu bekommen“, sagt Jürgen Trittin elf Jahre später: „Davon profitieren heute die rund 250 kleinen und mittelständischen Mineralwasserunternehmen und kleinere Bierbrauer.“ Und, klar, der politische Lobbyismus sollte auch dem rot-grünen Ökokonzept entsprechen und dem Umweltschutz dienen.

Doch das Gegenteil trat ein. Die politische Initiative scheiterte auf breiter Front. Einweg legt weiter zu, während der Anteil des Mehrweg stetig abnimmt. Die Lobbyisten der jeweiligen Getränkebranchen streiten um die Pfandfrage wie einst die Kesselflicker und dürfen darauf setzen, dass die Politik wieder steuernd einzugreifen versucht.

Denn seit 2008 werden mehr Getränke in Einwegverpackungen als in Mehrwegverpackungen verkauft. 2011 lag die Einwegquote schon bei 53,3 Prozent, bei Erfrischungsgetränken sogar bei 71,7 Prozent. Auch Mineralwasser wird in 58,3 Prozent aller Fälle in Einwegflaschen verkauft. Heute liegt die Mehrwegquote lediglich zwischen 30 und 40 Prozent.

Seit Jahren also wird damit die gesetzliche Zielgröße von 80 Prozent für Mehrwegverpackungen und ökologisch vorteilhafte Einwegverpackungen verfehlt. Und damit nicht genug: Das Durcheinander in den Getränkeregalen steigt mit dem dortigen Angebot, weil die Kennzeichnung oft unzureichend, meistens sogar irreführend ist. So lesen Kunden auf Flaschen den Begriff „Pfand“ und glauben, sie förderten mit dem Kauf dieses Produkts das Mehrwegsystem. Doch längst ist nicht eindeutig erkennbar, ob eine Pfandflasche nun eine Einweg- oder eine Mehrwegflasche ist.

Aldi, Lidl, Eigenmarken – sie sind durch Pfand erst richtig groß geworden

Spätestens hier ist das Einwegpfand als Lenkungsinstrument gescheitert – während die auf Einweg umgestiegenen Konzerne gut daran verdienen. So errechnete der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), dass die Einzelhandelskonzerne pro Tonne gepresster Einwegpfandflaschen 250 bis 400 Euro verdienen. Allein daraus erzielen sie 100 Millionen Euro Umsatz Jahr für Jahr. Den Mineralwassermarkt beherrschen heute deutsche Großunternehmen: Aldi, Lidl, Eigenmarken – sie sind durch Pfand erst richtig groß geworden. Ihr Leergut lassen Aldi und Lidl inzwischen von eigenen Gesellschaften (wieder-)verwerten. Und wenn ein Kunde die Einwegflasche nicht zurückträgt, verbucht der Hersteller (sofern er am Pfandsystem teilnimmt) weiteren Gewinn.

Jürgen Trittin bilanziert: „Beim Mehrweg für Mineralwasser – anders als beim Bier – haben sich trotz Pfand am Ende die Einweglobbyisten durchgesetzt. Aber ohne das Dosenpfand sähe es heute noch schlechter aus. Wir brauchen zusätzlich eine Abgabe auf Einweg.“

„Das politische Ziel, über das Dosenpfandgesetz den Markt zu lenken, ist völlig danebengegangen.“

Das schwarz-gelbe Kabinett hatte der Getränkeindustrie vor einem Jahr eindeutige Kennzeichnungsregeln auferlegt. Sämtliche Pfandflaschen sollten den Hinweis „Einweg“ oder „Mehrweg“ tragen. Die Marktführer fürchten um ein lukratives Geschäft. „Wer über die Verpackungsverordnung versucht, Mehrweg zu stärken, kann nicht davon ausgehen, dass die Kunden zwangsläufig nicht mehr zu Einweg greifen“, kontert ein Konzernvorständler, der sich gegen jede staatliche Regelung sperrt. „Nicht die Lobbystrategie ist gescheitert, sondern das politische Ziel, über das Dosenpfandgesetz den Markt zu lenken, ist völlig danebengegangen.“

Der Naturschutzbund Deutschland indes dringt darauf, eine Getränke-Verpackungssteuer einzuführen, um den Anteil umweltschädlicher Einwegplastikflaschen und Dosen drastisch zu verringern. Die Lobbyarbeit, sie geht in die nächste Runde.

Dieser Text erschien in der "Agenda" vom 24. Juni 2014 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag in Sitzungswochen des Bundestages erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie jeweils bereits am Montagabend im E-Paper des Tagesspiegels lesen. Ein Abonnement des Tagesspiegels können Sie hier bestellen:

Claudia Lepping

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