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Mahner vor vollen Rängen: Hans Joachim Schellnhuber gab Einblicke in die Erkenntnisse zum Klimawandel.

© Arne Sattler

Klimaforschung: Die Zukunft der Menschheit entscheidet sich jetzt

Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, plädierte bei der „Einstein Lecture Dahlem“ für die sofortige Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen.

Die Botschaft des Abends: Je länger die Menschen CO2 in die Atmosphäre blasen, desto rapider muss der Ausstoß in den Folgejahren gesenkt werden, um die erlaubte Gesamtmenge nicht zu überschreiten und die zerstörerischen Folgen des Klimawandels so wenigstens noch im Zaum halten zu können.

Würde mit der Reduzierung sofort begonnen, könnte die Phase des Übergangs hin zu Null Emissionen bis etwa 2045 gestreckt werden, um damit den Anstieg der Erderwärmung auf eineinhalb bis zwei Grad zu beschränken, erklärte Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des 1992 von ihm begründeten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, bei der diesjährigen Einstein Lecture an der Freien Universität. Wenn die Menschheit erst 2020 aktiv werde, bleibe nur bis 2040 Zeit. Mache sie gar bis 2025 weiter wie bisher, blieben nur zehn Jahre, um den gesamten CO2-Ausstoß zu stoppen.

Wie das gelingen soll? „Bis 2030 müssen wir aus der Nutzung von Kohle als Energiequelle aussteigen“, erklärte der Klimaforscher im vollbesetzten Max-Kade-Auditorium im Henry-Ford-Bau, „und bis 2040 müssen wir die Massentierhaltung aufgeben und auf Zement als Baustoff verzichten.“ Schellnhuber ließ keinen Zweifel daran, dass Verzicht das Gebot der Stunde sei. Gefragt, was jeder Einzelne zur Rettung des Erdklimas tun könne, lautete Schellnhubers Empfehlung: Vegetarier werden und nicht mehr mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen.

Wir dürfen die Augen nicht länger vor dem Klimawandel verschließen

Schellnhuber ließ keine Ausflüchte zu, seine Forderungen waren so konkret wie unpopulär. Bei all den düsteren Aussichten gab er sich aber auch humorvoll. „Die Erde dreht sich um die Sonne, da sind wir uns einig – selbst die Klimaskeptiker stimmen da zu“, sagte der Wissenschaftler, als er zur Erklärung des Treibhauseffekts ansetzte. Auch einfältige Tweets zum Klimawandel von US-Präsident Donald Trump, der globale Erwärmung als eine Erfindung Chinas bezeichnet hatte, die der amerikanischen Wirtschaft schaden solle, blieben nicht unerwähnt. „In dieser Zeit die Augen zu verschließen, ist das Dümmste, was man tun kann“, sagte Schellnhuber.

Um die dramatischen Klimaveränderungen anschaulich zu machen, gab Schellnhuber einen Crash-Kurs über die Erd- und Menschheitsgeschichte. Vor rund 600 bis 700 Millionen Jahren war unser Heimatplanet zeitweise zur Eiskugel erstarrt. Nur den über das Eis hinausragenden Vulkanschloten sei es zu verdanken gewesen, dass sich die Atmosphäre wieder mit Kohlendioxid gefüllt und den Erdball ganz allmählich aufwärmt habe. Als schließlich ausreichend CO2 in der Luft gewesen sei, habe sich die Erde rasant erhitzt. Schellnhuber warnte: Wenn die Klimaschutzziele nicht erreicht würden, stehe Ähnliches wieder bevor.

Doch der Mensch brauche ein stabiles Klima, unterstrich der Klimaforscher. Der Homo sapiens existiere seit 200 000 Jahren oder länger, aber Hochkulturen und Zivilisation hätten sich erst entwickeln können, als die Erdtemperatur nach der letzten Eiszeit vor 11 000 Jahren stabil geblieben sei. Eine so lange Warmphase habe es in der Menschheitsgeschichte zuvor nicht gegeben, betonte Schellnhuber.

Führt der hohe Energieverbrauch unweigerlich in den Untergang?

Diese Warmphase habe zwar die Entwicklung einer industrialisierten Zivilisation ermöglicht. Doch es sehe zurzeit so aus, als ob deren hoher Energieverbrauch gleichzeitig ihren Untergang befördern könne. Dies könne ein Grund dafür sein, dass die Menschheit trotz der Tatsache, dass Millionen erdähnlicher Planeten in der Milchstraße existierten, keine Radiosignale von Außerirdischen empfange: Vielleicht sei die Lebenszeit hochentwickelter Zivilisationen schlichtweg zu kurz, als dass deren ins All geschickte Signale zur rechten Zeit andere, ebenso kurzlebige Zivilisationen erreichen könnten, sagte der Forscher.

Folgen Aufstieg und Fall von Zivilisationen einem unausweichlichen Naturgesetz? Führt der seit 200 Jahren währende Karbonisierungswettlauf, also die Freisetzung von CO2, unweigerlich in den Untergang? Diese Spekulation lehnte Schellnhuber ab. Der theoretische Physiker, der gerade mit dem diesjährigen Blue Planet Prize geehrt worden ist, der weltweit bedeutendsten Auszeichnung für Forschung zum Umweltschutz, ist überzeugt, dass die Menschheit sich noch anders entscheiden kann: „Ich denke, die Chancen stehen noch immer bei 50 zu 50“, sagte er. Seinen Vortrag schloss Joachim Schellnhuber mit einem Zitat Albert Einsteins: „Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“

Weitere Informationen: www.fu-berlin.de/einsteinlectures

Peter Schraeder

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