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Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich aus dem 18. Jahrhundert ist ein Beispiel eines historischen Gartens.

© KsDW, Bildarchiv, Heinz Frässdorf

Folgen des Klimawandels: Gärtnern im globalen Treibhaus

Wie überstehen historische Gärten den Klimawandel? Forscherteams suchen nach Antworten – und nutzen dafür historische Aufzeichnungen und moderne Messstationen.

Die Berliner Pflanzen haben sich in diesem Sommer einer außergewöhnlich guten natürlichen Bewässerung erfreut. In durchschnittlichen Jahren jedoch bekommen Blumen, Büsche und Bäume die Folgen des Klimawandels bereits zu spüren. Es wird wärmer und die Vegetation durstiger, sie braucht mehr Wasser – oder vertrocknet allmählich. Das betrifft den heimischen Garten ebenso wie historische Parks und Schlossgärten. Doch während Hobbygärtner Pflanzen einfach auswechseln können, stehen Landschaftsgärtner vor großen Problemen. Denn in historischen Gärten ist die Vegetation Teil eines kunstvoll geschaffenen Ensembles, das es als kulturelles Erbe zu erhalten gilt.

Wie historische Gärten fit für den Klimawandel gemacht werden können, erforscht seit 2014 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, an der zahlreiche Universitäten – unter ihnen die Freie Universität Berlin – sowie die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg beteiligt sind. Im Mittelpunkt des Projekts „Historische Gärten im Klimawandel“ stehen vier historische Gartenanlagen, in denen die Folgen der Erderwärmung bereits sichtbar sind: der Berliner Tiergarten, Park Babelsberg, der Park Branitz in Cottbus und Wörlitzer Park in Sachsen-Anhalt.

Für Professor Ulrich Cubasch, Direktor des Instituts für Meteorologie der Freien Universität, ist es ein echtes Herzensprojekt. Zum einen, weil Parks außerordentlich wichtig für das Klima einer Stadt und ihre Bewohner sind. Zum anderen, weil die verschiedenen Blickwinkel des interdisziplinären Projekts sogar einem erfahrenen Naturwissenschaftler wie ihm immer wieder bewusstmachen, wie komplex natürliche Lebensräume sind.

Im Schatten der Berliner Mauer entwickelten sich wertvolle Biotope

„Wenn ein großer, alter Baum plötzlich vertrocknet, sehen auch viele Wissenschaftler direkt einen Zusammenhang zu Klimaveränderungen. Bei näherer Betrachtung spielen aber auch die Bodenverhältnisse eine Rolle, die Bewässerung, Parasiten, Schadstoffe und eine ganze Reihe anderer Faktoren“, erläutert Cubasch. Er selbst war zum Beispiel erstaunt, als ihm am Projekt beteiligte Bodenwissenschaftler eine Probe aus dem Park Babelsberg zeigten: Wenige Zentimeter nährstoffreicher Humus an der Oberfläche, darunter nur noch Sand. Im Berliner Tiergarten fand man unter der Erdschicht sogar Trümmerschutt aus der Nachkriegszeit. Das ist bereits unter normalen Bedingungen ein schwieriger Nährboden. Kommt Klimastress hinzu, reagiert die Vegetation empfindlich. In Parks gibt es außerdem den sogenannten Nutzungsdruck: „Schon Fußballspielen kann die Humusschicht einer Wiese aufreißen“, sagt Cubasch. Auch Radfahren sei für Parks nicht unproblematisch, weil unbefestigte Wege darunter litten.

Der Venustempel, von 1749-97 errichtet, birgt einen Abguss der Venus Medici.
Der Venustempel, von 1749-97 errichtet, birgt einen Abguss der Venus Medici.

© KsDW, Bildarchiv, Heinz Frässdorf

Im vielbesuchten Tiergarten könnten asphaltierte Wege eine Lösung sein, im Park Babelsberg eher nicht. Dort solle der ursprüngliche, historische Zustand möglichst detailgenau rekonstruiert und erhalten werden, erzählt Cubasch. Doch was zählt dazu? Während der deutschen Teilung verlief die Grenze durch den Nordteil des Parks. In ihrem Schatten entwickelten sich ökologisch wertvolle Biotope, wie etwa Schilfstreifen. Soll man sie nun entfernen, weil sie nicht zur ursprünglichen Parkgestaltung gehören? Ziel des Projekts sei es auch, Kompromisse zu finden, die kunsthistorische und denkmalpflegerische Belange genauso berücksichtigen wie den Schutz der Biodiversität oder des Stadtklimas, sagt Cubasch. Asphaltierte Wege seien nämlich nicht nur eine ästhetische Veränderung. „Je nach Breite können sie auf das Klima eines Parks wie eine Straße wirken.“

Ab 1677 notierten Gartenbaumeister, wie Parks und Gärten gediehen

Der Meteorologe wird in den kommenden Monaten mit seinem Team an der Freien Universität ein Klimamodell für Parks entwickeln. Wegeführung und Bepflanzung könnten dann im Computer simuliert werden, bevor die Gärtner den Spaten tatsächlich ansetzen. Schattenspendende Bäume zum Beispiel dürften für Stadtbewohner in Zukunft immer wichtiger werden. „Im Tiergarten ist es bereits heute etwa drei Grad kühler als auf Wärmeinseln wie dem Alexanderplatz“, sagt Cubasch. „Pflanzt man jedoch zu viele Bäume auf einen Fleck, behindern sie die Durchlüftung, und der Park wird warm und stickig.“

Im Nymphäum befindet sich eine liegende Statue der Quellnymphe Egeria.
Im Nymphäum befindet sich eine liegende Statue der Quellnymphe Egeria.

© KsDW, Bildarchiv, Heinz Frässdorf

Für die Modellierung kann Cubasch auf einen besonderen Schatz zurückgreifen. Schon 1677 begannen Wissenschaftler in Berlin mit Temperaturaufzeichnungen. Und die Gartenbaumeister der Kurfürsten und Könige notierten regelmäßig, wie Parks und Gärten gediehen. Mit diesen historischen Daten füttern die Klimaforscher nun das neue Klimamodell. Hinzu kommen aktuelle Messdaten aus Kampagnen, die derzeit von der AG Stadtklima und Gesundheit der Freien Universität unter der Leitung von Professorin Sahar Sodoudi durchgeführt werden. Wenn das Modell ausgereift ist, wird es die Auswirkungen verschiedener Szenarien des Klimawandels simulieren können und auf andere historische Gartenanlagen übertragbar sein.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der interdisziplinären Arbeitsgruppe hoffen, gegen Ende des Projekts 2018 bereits einige Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Zum Beispiel, welche Parkpflanzen auf Klimaveränderungen besonders robust reagieren. Dieses Wissen hilft allerdings nur in begrenztem Maße, denn für die Wirkung eines Parks spielen Größe, Form und Farbe einzelner Gewächse eine wichtige Rolle. „Gärten waren für die Fürsten Prestigeobjekte“, sagt Ulrich Cubasch. „Wenn zu der Zeit extra ein exotischer Baum importiert wurde, kann man heute nicht einfach irgendetwas anderes einpflanzen.“ An Klimawandel jedenfalls hat damals noch niemand gedacht.

Stefanie Hardick

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