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Bundesbildungsministerin Johanna Wanka mit frisch geerntetem Obst.

© Wolfgang Kumm/dpa

Obstbäume in Berlin: Johanna Wanka wirbt für "Mundraub"

Obstbäume gibt es überall in der Stadt - nur die Früchte verfaulen oft, weil kaum jemand weiß, dass man sie von öffentlichen Bäumen pflücken darf. Bildungsministerin Johanna Wanka wirbt nun für das Gratisobst - und hat im Britzer Garten schon mal probiert.

Eigentlich sollte jetzt eine Gruppe Schüler helfen. Aus unerfindlichen Gründen ist die aber nicht gekommen. Also steigt Johanna Wanka nun einfach selbst auf die Leiter und pflückt Kirschpflaumen, Mirabellen und kleine Äpfel. Nicht alles, was die Bundesbildungsministerin heute kostet, ist schon eine reife Frucht. Aber darum soll es in dem etwas wild gewachsenen, wuchernden Teil des Britzer Gartens vor rund 30 Journalisten, Kameraleuten und Fotografen ja auch gar nicht gehen.

"Sie wundern sich vielleicht, dass eine Ministerin öffentlich Obst pflückt", fasst Wanka die Ratlosigkeit der Anwesenden recht treffend zusammen. "Wir wollen, dass Bildung und Forschung mit der Lebensrealität verbunden werden", sagt sie dann etwas kryptisch. "Was will ich mit meiner Stadt? Darum geht es."

"Ressourcen, für die man nicht bezahlen muss"

Mit der symbolischen Aktion im Süden Berlins gedenkt die Bildungsministerin auf die öffentlich zugänglichen Obstbäume, Obststräucher und Kräuter aufmerksam zu machen, die allen Bürgern zugänglich sind. "Es geht um Flächen, die vergessen wurden. Wir wollen, dass diese Bäume und Sträucher wieder genutzt werden", erklärt Wanka. "Es sind Ressourcen, für die man nicht bezahlen muss."

Weit verbreitet ist bereits der Trend des "Urban Gardening", also des lokalen Gartenbaus in der Stadt. Doch zunehmend etabliert sich auch die Nutzung dieser öffentlichen Obstschätze. Für Berlin ein Trend von Bedeutung: Tausende Obstbäume und Obststräucher stehen im Stadtgebiet. Viele sind, über die Erwähnung in den Baumkatastern hinaus, selbst Anwohnern in unmittelbarer Nähe kaum bekannt. Die Früchte der Bäume werden so kaum genutzt und verfaulen Jahr für Jahr.

Im Bundesgebiet wie auch international haben sich erste Initiativen gebildet, die auf die vernachlässigten Obstbestände aufmerksam machen. Sie kartieren und bereiten online auf, organisieren gar saisonale Ernten.

"Mundraub" kartiert auch in Berlin

Auch in Berlin gibt es entsprechende Aktivität. Die Online-Plattform "Mundraub" kartiert seit 2009 öffentlich zugängliche Obstbäume und Sträucher, aber auch Kräuter wie Bärlauch oder Wunderlauch. "Wir wollen das vergessene Obst retten, das von keinem geerntet wird und daher nur verfault", sagt Sprecherin Andie Arndt. "Es geht um verschwendete Nahrungsmittel, gerade in den Städten und stadtnahen Gebieten."

Auf der Webseite mundraub.org tragen mittlerweile fast 30.000 registrierte Nutzer Fundstellen im gesamten Bundesgebiet ein. Täglich kommen mehrere hundert neue Einträge hinzu. "Es ist noch lange nicht alles kartiert", sagt Arndt. "Wir sind auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen."

Für Berlin sind mittlerweile 1500 Obstbäume eingetragen, mit einem leichten Übergewicht in den östlichen Teilen der Stadt. Die meisten Funde gehen auf Apfelbäume zurück. Gerne würde die Initiative auch auf Baumkatasterdaten lokaler Behörden zurückgreifen, um ihre Bestände zu vervollständigen. Die Stadt Hamburg etwa hat ihre Datensätze bereits zur Verfügung gestellt. Und Berlin? "Wir sind noch in Gesprächen mit den Behörden", sagt Arndt.

Die Resonanz ist überwiegend positiv

Die Berliner scheinen diesen relativ neuen Trend recht positiv aufzunehmen. "Wir erhalten überwiegend positive Resonanz", sagt Arndt. Manchmal gebe es Kritik am Namen, aber "uns geht es nur um die verlorenen Nahrungsressourcen, die jedermann nutzen können sollte".

Können die Karten nicht auch zu Missbrauch führen? Menschen, die aus dem Angebot Kapital schlagen wollen, etwa durch Verkauf des Obstes auf Märkten, könne man nicht ausschließen, sagt Arndt. "Verhindern können wir das natürlich nicht. Wir setzen aber auf den gesunden Menschenverstand."

Die Aktion im Britzer Garten thematisiert auch einem weiteren kritischen Punkt, der immer wieder Fragen aufkommen lässt: die mögliche Schadstoffbelastung des Obstes durch Abgase, gerade in Großstädten wie Berlin. "Da können wir entwarnen", sagt die Mundraub-Sprecherin. "Früchte, die in der Stadt oder stadtnah geerntet werden, sind nicht stärker belastet als Landobst." Das belegten auch neue Studien. Mit einer kleinen Einschränkung: "Obst und vor allem Gemüse, das direkt neben viel befahrenen Straßen wächst, sollte man tatsächlich meiden."

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