zum Hauptinhalt
Baustelle aus der Luft: In der Nordsee arbeitet der Energiekonzern RWE am eigenen Offshore-Park.

© Marc Röhlig

Offshore-Energie: Ein Windpark im Werden

Der Ausbau der Hochseewindkraft läuft nicht nach Plan der Regierung. Dennoch bewegt sich was. Ein Flug über eine „Baustelle“ tief in der Nordsee.

Marcel Sunier sieht sein Projekt zum ersten Mal aus dieser Perspektive. Der 49-Jährige sitzt neben dem Piloten einer Propellermaschine. Unter ihm ein weites Feld: die Nordsee. Sunier ist Projektleiter des Windrad-Parks Nordsee Ost und kannte seinen Offshore-Park bisher nur aus Planungsmappen oder vom Schiff aus. „Das ist gigantisch“, sagt er und drückt sich ans Fenster. Der Laie aber sieht hier noch nicht viel.

Der Essener Energiekonzern RWE will hier in dem Areal mit einer Fläche von 35 Quadratkilometern 48 Windräder aufstellen. Bisher ragt kein einziges Windrad aus dem Meer. Doch immerhin stehen dort Stahlgerüste, Jackets genannt. Auf ihnen sollen später die Räder stehen. Beim Überflug dieser Tage sind mehrere Schiffe zu erkennen, die zwischen den Gerüsten unterwegs sind.

RWE Innogy, die Erneuerbare-Energien-Tochter, hat zwei eigene Schiffe gekauft, weitere angemietet. Angeführt wird die Flotte von der „Victoria Mathias“, einem aufbockbaren Installationsschiff. Sie sechs Meter dicke Stahlrohre in den Meeresboden rammen und die Jackets daran verankern. 50 Meter ist so ein Jacket hoch, die Hälfte davon liegt über der Wasseroberfläche. 16 solcher Jackets stehen bereits.

„Viel zu wenige“, moniert RWE-Innogy-Chef Hans Bünting, der mit im Flieger sitzt. „Wir hängen in der Warteschleife.“ Man hätte sich schon längst eine Fertigstellung von Nordsee Ost gewünscht. In Bremerhaven lagern fertige Bauteile, Rotorblätter, Turbinen. Doch der schleppende Ausbau des Stromnetzes durch den niederländischen Netzbetreiber Tennet und politische Störsignale aus Berlin lassen das Projekt stocken – behaupten die RWE-Manager. Derzeit stehen vor den deutschen Küsten 68 Offshore-Anlagen. Sie können gemeinsam bis zu 0,3 Gigawatt Nennleistung erzeugen. Das ist weniger als ein Hundertstel der mehr als 31 Gigawatt, die die gut 23000 Anlagen in deutschen Ländern erzeugen.

Die Bundesregierung hat als Ziel ausgegeben, die Offshore-Leistung von 0,3 auf zehn Gigawatt im Jahr 2020 zu steigern. „Vollkommen unrealistisch“, winkt Bünting ab. Er hält sechs bis sieben Gigawatt für erreichbar. Nordsee Ost ist einer von sechs derzeit im Aufbau befindlichen Windparks in der Nordsee. Der RWE-Park soll nach Inbetriebnahme ab Sommer kommenden Jahres rund 1000 Gigawattstunden im Jahr liefern, was rechnerisch genug für die Versorgung von 250000 größeren Haushalte wäre. Auch Tennet, die niederländische Firma, die für den Anaschluss zum Übertragungsnetz verantwortlich ist, gibt den Sommer 2014 als Ziel an.

Die Victoria Mathias hievt gerade Jacket Nummer 17 in die Nordsee. Das Meer ist hier gut 22 Meter tief. Das Schiff ist ein grober Kasten, aufgebockt auf vier Beinen. Man könnte es für eine Bohrinsel halten. Indem sich die Victoria Mathias selbst aus dem Meer hebt, schafft das Schiff eine stabile Arbeitsfläche. Wenn Nordsee Ost fertig ist, wird RWE über eine Milliarde Euro in das Projekt gesteckt haben. „Knapp die Hälfte ist schon drin“, sagt Bünting, Offshore sei beim Konzern ein „ausgewiesenes Wachstumsfeld“. „Noch“ fügt er hinzu. Denn in Berlin kippe die Sympathie für nachhaltige Energie aus Meereswind. Die Betreiber von Offshoreanlagen schauen besorgt auf eine Neuauflage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. „Wir hoffen, dass die Politiker das Thema Offshore sensibel behandeln“, sagt Bünting.

An der Victoria Mathias beginnt mit dem Einhämmern der Halterungsstifte: Ein hydraulischer Hammer, über 200 Tonnen schwer, saust senkrecht auf das erste Stahlrohr nieder. 30 Meter rammt er ihn in den Meeresboden. Gut 1000 Mal muss der Hammer auf einen gigantischen Stahlnagen Nagel einschlagen, um ihn tief genug in den Meeresboden zu rammen. Umweltschützer kritisieren das Verfahren: Das Rammen würde die unter Naturschutz stehenden Schweinswale belasten. Die Behörden schreiben Schutzmaßnahmen vor. Neben der Victoria Mathias liegt ein Schiff, das einen perforierten Schlauch im Kreis um die Arbeiten herum versenkt hat. In den Pumpt es permanent Luft. Die vom Grund aufsteigenden Blasen bilden einen Schleier. Das soll den Klang Hammerschläge dämpfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false