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Ehrendoktorwürde: „Unerschütterliche Haltung der Menschlichkeit“

Im Mai 2022 wurde Margot Friedländer von der Freien Universität Berlin für ihr Leben und Wirken ausgezeichnet.

Von Christine Boldt

„Ich bin nach Deutschland zurückgekommen, um mit Ihnen zu sprechen, Ihnen die Hand zu reichen und Sie zu bitten, dass Sie die Zeitzeugen werden, die wir nicht mehr lange sein können.“ Mit diesem bewegenden Appell hatte sich Margot Friedländer im August 2019 an ihr Publikum im Hörsaal der Freien Universität Berlin gewandt, vor allem an die vielen Studierenden. Die damals 97-Jährige hatte aus ihrer Autobiografie vorgelesen, die 2010 unter dem Titel „Versuche, dein Leben zu machen“ erschienen ist. Als junge Frau musste sich Margot Friedländer in Berlin vor den Nationalsozialisten verstecken, sie überlebte das Ghetto Theresienstadt und emigrierte nach dem Krieg in die USA. 2010, im Alter von 89 Jahren, zog sie zurück in ihre Geburtsstadt Berlin.

Knapp drei Jahre nach ihrem Besuch an der Freien Universität Berlin wird Margot Friedländer erneut nach Dahlem kommen: Die 100-Jährige wird mit der Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin ausgezeichnet.

Der Fachbereich würdigt damit „die überragenden Verdienste von Margot Friedländer als Zeitzeugin der Verfolgung und des Überlebens in der Shoah, als engagierte Anwältin öffentlicher Geschichte, als Botschafterin der Erinnerung und der Menschlichkeit für jüngere Generationen“. Margot Friedländer sei eine beispielhafte „Bürgerwissenschaftlerin“, deren Leistungen über die Vermittlung selbst erlebter Geschichte weit hinausgingen: „Margot Friedländers citizen science steht für eigenständige Formen der Erkenntnis und Reflexion von Vergangenheit, die nicht nur für die Geschichte des Nationalsozialismus, sondern für die Zeitgeschichte und für die Geschichts- und Kulturwissenschaften überhaupt unverzichtbar geworden sind“, heißt es in der Begründung des Fachbereichs weiter. „Die Freie Universität Berlin erkennt darin eine hervorragende wissenschaftliche Leistung und ehrt mit Margot Friedländer zugleich eine Persönlichkeit, deren unerschütterliche Haltung der Menschlichkeit aus schwieriger Erinnerung auf die unverzichtbaren Grundlagen freier und verantwortlicher Wissenschaft verweist.“

"Was war, können wir nicht mehr ändern. Aber es darf nie wieder geschehen. Nie wieder"

Die feierliche Veranstaltung am 25. Mai im Max-Kade-Auditorium im Henry- Ford-Bau der Freien Universität Berlin war öffentlich, eine Anmeldung erforderlich. Die Laudatio hielt die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, emeritierte Professorin der Universität Konstanz. Der Historiker Paul Nolte, Professor der Freien Universität Berlin, führte ein Podiumsgespräch mit Margot Friedländer und Vincent Bruckmann: Der Student im Masterstudiengang Public History hatte Margot Friedländer 2019 an die Freie Universität eingeladen und die Veranstaltung moderiert.

Damals hatte Margot Friedländer den Zuhörenden gesagt: „Ich habe eine Mission. Ich spreche nicht für mich. Was war, können wir nicht mehr ändern. Aber es darf nie wieder geschehen. Nie wieder. Für euch, nur für euch.“ Ihre Mission geht weiter. Sie ist heute wichtiger denn je.

Für den Inhalt dieses Textes ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.

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