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Ob Taxis oder Ferienwohnungen in Großstädten: Die Share Economy hat nicht nur Vorteile.

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Share Economy: Teilen ist das neue Haben

Edel, hilfreich und gut bezahlt: Das Modell der Share Economyer fasst immer mehr Lebensbereiche. Aber wie selbstlos und nachhaltig ist die Szene wirklich?

Reichlich konsumieren, viel reisen, ausgiebig Auto fahren – und das ohne schlechtes Öko-Gewissen. So könnte man das Lebensgefühl der Generation Share Economy zusammenfassen. Seit das Wort vor einigen Jahren in der deutschen Öffentlichkeit aufgetaucht ist, seit Online-Plattformen das Vermieten von Immobilien und das Verleihen und Tauschen anderer Güter leicht gemacht haben, seitdem umgibt sich die Szene mit einem selbstschmeichlerischen Diskurs, in dem viel von Nachhaltigkeit, Besitzmüdigkeit und Altruismus geschwärmt wird. Herrliche Post-Eigentums-Zeiten brechen angeblich gerade an, in denen Menschen nicht mehr nach materiellen Anhäufungen streben, sondern sich mit temporären Zugängen zufriedengeben. Musik? Stream ich. Auto? Leih ich. Hotelzimmer? Hab ich durch Couchsurfing ersetzt.

Tatsächlich hat das Konzept mittlerweile die unterschiedlichsten Branchen erfasst. Das reicht von gemeinsam genutzten Fahrzeugen bis zu gemeinsam beackerten Beeten, von verborgten Spielzeugkisten bis zu getauschten Kleidern, von weitergereichten Büchern bis zu verschenkten Essensresten. Manchmal wird sogar Wikipedia und Cloud Computing unter dem großen, schwammigen Share-Economy-Begriff summiert. Server, Software, Wissen – wird ja auch alles irgendwie „geshart“. Doch der gute Ruf, der dem Teilen und allen, die darum ihre Geschäftsideen modellieren, anhaftet, hat in den vergangenen Monaten sichtbar gelitten. Taxifahrer wehren sich lautstark gegen Mitfahrplattformen wie Uber und WunderCar, die ortsansässige Autofahrer mit preisbewusster Kundschaft zusammenbringen. Damit könnte es zumindest in deutschen Städten schnell wieder vorbei sein: Die Hamburger Wirtschaftsbehörde hat es dem Start-up WunderCar mittlerweile untersagt, Fahrten anzubieten, deren Entgelt die Betriebskosten des Fahrers übersteigt. WunderCar hat daraufhin sein Konzept leicht verändert. Jetzt stehe der monetäre Aspekt überhaupt nicht mehr im Vordergrund, sagt WunderCar-Marketingchef Patrick Arle: „Die Leute machen das ohnehin eher aus Idealismus.“ Es gebe zum Beispiel viele Singles unter den Nutzern. Denen gehe es eher darum, beim täglichen Pendeln nette Leute kennenzulernen.

Einige Anbieter haben durchaus soziale Ambitionen

Auch wenn die Neupositionierung bei WunderCar nicht ganz freiwillig geschah, so ist sie doch symptomatisch. Schon jetzt lassen sich deutliche strukturelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Anbietern erkennen: Auf der einen Seite stehen oft kleine Start-ups mit lokalen oder regionalen Verleih- oder Tauschbörsen, bei denen der Aufwand der Mitwirkenden in keinem oder relativ schlechtem Verhältnis zu den Verdienst- bzw. Sparmöglichkeiten steht. Stattdessen geht es um das Ausprobieren neuer Konsumformen und die soziale Interaktion. Viele der ambitionierten Plattformen verschwinden mangels Nachfrage allerdings schnell wieder in der Versenkung.

Auf der anderen Seite agieren Unternehmen, die mit reichlich Investorengeld aufgepumpt sind. Ihr Ziel: das lukrative Tourismus- und Reisegeschäft aufmischen. Mit Altruismus hat das wenig zu tun, weder seitens der Unternehmen noch seitens der privaten Anbieter. Wer sich hier registriert, der will mit seinem Besitz, sei es Auto oder Immobilie, Geld verdienen. Der Wert des Vermietungsportals Airbnb wird derzeit auf zehn Milliarden Dollar geschätzt; gerade hat das amerikanische Unternehmen wieder 450 Millionen Dollar Investorengelder erhalten. Die US-Firma Uber, die mittlerweile in rund 20 europäischen Städten mit ihrer Transportvermittlungs-App aktiv ist, wurde von Investoren, darunter Google und Goldman Sachs, vor wenigen Wochen mit 1,2 Milliarden Dollar Risikokapital ausgestattet. Sie ist damit eines der bestfinanzierten Start-ups aller Zeiten. Das Geld helfe den jungen Unternehmen, trotz anfänglicher gesellschaftlicher Widerstände durchzuhalten, erklärt Patrick Arle. „Die Investoren sehen den langfristigen Nutzen, die werden wegen einiger Demonstrationen nicht gleich wieder abspringen.“ In Großstädten ist der Personennahverkehr ein relevanter Markt, und wer sich heute die Pole-Position bei der Privatfahrten-Vermittlung sichern kann, muss nur noch warten, bis daraus ein breiter Trend wird.

Für Ferienwohnungen gilt das Zweckentfremdungsverbot

Auf dem Wohnungsmarkt hat das schon geklappt. Tausende Berliner Wohnungen werden mittlerweile über weltweit aktive Plattformen wie 9flats, Airbnb oder Wimdu angeboten; wie viele davon nur sporadisch vermietet werden und wie viele permanent zu Ferienwohnungen umfunktioniert wurden, ist nicht bekannt. Mit dem „Zweckentfremdungsverbot“, das seit 1. Mai in Berlin gilt, könnte der Boom der Vermittlungsportale dennoch erst mal ausgebremst sein. Dass die Internetportale nun überall als die bösen Mietraumvernichter dargestellt werden, hält Roman Bach von 9flats für scheinheilig. „Es ist vollkommen klar, dass dieses Argument, das die Lobbyverbände der Hotelbranche gezielt gestreut haben, von der Politik liebend gerne aufgegriffen wurde.“ So müssten die Verantwortlichen im Senat nicht erklären, warum in den letzten Jahren zu wenig in den Bau von Wohnungen investiert wurde. „Und es gibt keine Verlierer in der Story, außer ein paar Start-ups.“ Der kuschelige Überbau, in den sich viele Share-Economy-Unternehmen eingehüllt hatten, schützt nicht mehr vor Anfeindungen. Der Konkurrenzkampf wird mittlerweile offen ausgetragen.

Höchste Zeit also, nach neuen, unbesetzten Geschäftsfeldern zu suchen. Aber was könnte das nächste große Sharing-Ding sein, nach Autos und Wohnungen? Bohrmaschinen und Bücher sind es wohl eher nicht, abgelegte Billigklamotten oder schrumpelige Salatköpfe vermutlich auch nicht. Das vollvernetzte Internet der Dinge, bei dem der gesamte Hausrat mit wenigen Klicks auf Sharing-Datenbanken hochgeladen werden kann, lässt ebenfalls auf sich warten. Entsprechend leer und verlassen dümpeln die Plattformen vor sich hin, auf denen man Gebrauchsgegenstände des Alltags ausleihen kann. Auch von den zahlreichen Netz-Flohmärkten gehen bislang keine spektakulären wirtschaftlichen Impulse aus. Dafür sind die Güter, die dort in Umlauf gebracht werden sollen, vermutlich schlicht zu wertlos. Und ihre gemeinsame Nutzung – trotz Internet – immer noch zu umständlich. Roman Bach sieht eher noch Potenzial im Luxussegment: „Es gibt zum Beispiel schon Plattformen, die Stundenkontingente für Privatjets verkaufen.“ Sehr teuer sei das, „aber immer noch billiger, als selbst ein Flugzeug zu kaufen“.

Was könnte das nächste große Ding sein?

Auch bei Yaso Pakasathanan kann man Stundenkontingente erwerben. Die kosten im Schnitt einen Euro, dafür kriegt man zwölf Quadratmeter Asphalt. Das Start-up Ampido, das Pakasathanan vor zwei Jahren an der Uni Köln zusammen mit einem Kommilitonen gegründet hat, ermöglicht das Teilen von Parkplätzen. Wer einen Einzelstellplatz besitzt oder ein ganzes Firmengelände oder auch nur eine freie Einfahrt, der kann sie über die Ampido-App Parkplatzsuchenden anbieten. Den Autofahrern wird der Platz auf dem Smartphone angezeigt, abgerechnet wird ebenfalls über die App, Ampido kassiert 30 Prozent Provision. Ein klarer Deal, der Vorteile für alle Beteiligten verspricht und mit wenig organisatorischen Umständen oder aufwendigem persönlichen Kontakt verbunden ist. Noch ist das ‚Parkplatz-Teilen‘ in Deutschland trotzdem ziemlich unbekannt; überschaubare 1500 Plätze hat Ampido zurzeit deutschlandweit im Angebot. „Wir kratzen da erst an der Oberfläche“, sagt Pakasathanan. Dass darunter ein großer Schatz schlummert, davon ist er überzeugt.

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