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Jubiläum. Am 4. Februar feiert Facebook seinen 10-jährigen Geburtstag. Das soziale Netzwerk ist umstritten.

© AFP

10 Jahre Facebook: Mein geliebtes, gehasstes Social Network

Zehn Jahre alt wird Facebook am 4. Februar. Doch Mark Zuckerbergs Erfindung ist derzeit so beliebt wie die FDP oder Markus Lanz - und steht wirtschaftlich trotzdem so gut da wie nie zuvor.

Verehrtes Facebook, wir müssen reden. Zehn Jahre bist du jetzt alt. Glückwunsch. Zeit für eine persönliche Bilanz: 28 Tage, vier Stunden und fünf Minuten. So viel Lebenszeit hast du mir schon gestohlen in den sieben Jahren, in denen ich bei dir Mitglied bin. 17 Minuten verbringt ein durchschnittlicher Facebook-Nutzer wie ich täglich auf deinen Seiten und hinterlässt dabei einen Wust an mitunter sehr persönlichen Informationen. Lange dachte ich, ich sei dein Kunde. Dabei verhält es sich genau umgekehrt: Ich bin das Produkt, mit dem du dein Geld verdienst. Meine Geheimnisse sind dein Kapital.

Max Schrems bekam die ungefilterten Rohdaten

Weißt du noch, wie dir damals dieses Missgeschick passiert ist und du aus Versehen einem deiner Nutzer verraten hast, was du alles über ihn weißt? Max Schrems, Datenschutzaktivist aus Wien, war es gelungen, an die ungefilterten Rohdaten zu kommen, die du in nur drei Jahren über ihn heimlich gesammelt hast. Das Ergebnis: 1200 Schreibmaschinenseiten gespickt mit Orts- und Zeitangaben, Fotos und vertraulichen Chatprotokollen, die Schrems, wie er sagt, eigentlich schon längst gelöscht hatte. Damit erinnerst du mich fast ein wenig an meine Frau. Die vergisst nämlich auch nichts. Nie.

Julian Assange würde dich sicher nicht „liken“.

Julian Assange würde dich sicher nicht „liken“. Der Wikileaks-Gründer bezeichnet dich gar als Spionage-Werkzeug der US-Regierung. „Die Menschen sind auf Facebook, um flachgelegt zu werden“, hat er mir mal erklärt. Assange sagt: Wer bei dir Mitglied ist, tut das vor allem hormongetrieben, um mit deiner Hilfe potenzielle Kandidaten zur Fortpflanzung zu finden. Die Geheimdienste würden sich dieser menschlichen Schwäche bedienen und so an Informationen gelangen, an die sonst keiner rankäme. Damals, vor zwei Jahren, habe ich Assange ob dieser Verschwörungstheorie noch für total durchgeknallt gehalten. Heute tue ich das nicht mehr.

Das Konzept von Privatsphäre habe sich ja ohnehin überlebt, hat dein Schöpfer, Mark Zuckerberg mal gesagt, und das lange noch vor dem NSA-Skandal. Dass Mr. Zuckerberg nicht sonderlich viel vom Datenschutz hält, ist kein Geheimnis. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Wisconsin-Milwaukee hat sich die Mühe gemacht, sämtliche Interviews und Äußerungen deines Daddys zu sammeln und auszuwerten. Dabei stellte er fest, dass der Begriff „Privatsphäre“ bei euch im Silicon Valley offenbar so gut wie gar nicht existiert. Nur 68-mal habe Zuckerberg das Wort bislang öffentlich in den Mund genommen, so der Autor der „Zuckerberg Files“. Eine verschwindend geringe Zahl, wenn man berücksichtigt, wie oft dein Herr Papa in den vergangenen Jahren doch immer wieder auf dieses Thema hin angesprochen wurde.

Einmal hast du mich zu Hause bei dir empfangen, das war noch in deiner alten Butze in Palo Alto. Das Großraumbüro, in dem deine Programmierer saßen, erinnerte mehr an einen Kinderspiel- als an einen Arbeitsplatz: Skateboards, Tischtennisplatten, ein Basketballplatz und überall Coca-Cola, Obst und Süßigkeiten für mau.

Aber so einfach lasse ich mich nicht blenden. Natürlich weiß ich, wie mächtig du bist. Du hockst nicht nur auf Yottabytes von Daten, Du thronst auch auf einem gigantischen Berg an Dollar-Kapital, das du durch den Börsengang vor zwei Jahren eingesammelt hast.

Mit einem Börsenwert von 156 Milliarden US-Dollar verputzt du Dax-Konzerne wie Volkswagen oder Siemens zum Frühstück. 28 Millionen Nutzer hast du allein in Deutschland, 1,2 Milliarden aktive Nutzer weltweit. Jeder zweite Internetnutzer weltweit surft auf deiner Welle. Kein Werbetreibender kommt mehr an dir vorbei. Diese Marktmacht kriegen vor allem diejenigen zu spüren, die nicht bereit sind, regelmäßig größere Summen an dich zu überweisen. Fehlt nur noch, dass du Anzeigenkunden, die lieber bei Google Reklame schalten, einen Pferdekopf ins Bett legst.

Das Netz ist voll mit Beschwerden von Werbetreibenden

Das Netz ist voll mit Beschwerden von Werbetreibenden, die sich von dir mies behandelt fühlen. „Wer nicht bereit ist, mindestens 10 000 Euro monatlich auf den Tisch zu legen, der wird von Facebook ignoriert“, hat Alex neulich gepetzt, der für eine Marketingfirma in Köln Tausende von Werbekunden betreut. Tatsächlich vertröstest du solche Tagelöhner mit einer Do-it-yourself-Seite im Netz: „Deinen Angaben zufolge sind unsere Selbstbedienungsoptionen die besten Werbelösungen für dich.“ Deine Telefonnummer aber bekommen nur Premium-Kunden, die sich diese Sonderbehandlung ordentlich was kosten lassen.

Oft wurdest du schon für tot erklärt; Mitgliederschwund, fehlender Coolness-Faktor, ein einsetzender Exodus der jungen Leute. Den Vogel aber schoss die Princeton-Universität ab, die vergangene Woche eine Rechnung präsentierte, wonach Facebook seinen Zenit überschritten habe und in drei Jahren dichtmachen könne. Genüsslich hast du diesen Fehdehandschuh aufgehoben und der Elite-Universität vorgerechnet, dass auch sie nach dieser Logik spätestens 2017 ohne Studenten dastünde. Bam!

So beliebt wie die FDP oder Markus Lanz

So sehr ich dir deinen Erfolg gönne, mein liebes, verhasstes Facebook, ich hoffe, ich trete dir nicht zu nahe, wenn ich dir sage, dass ich dich nicht besonders leiden kann. Mit dieser Meinung bin ich übrigens nicht allein. Auf einer nach unten offenen Beliebtheitsskala rangierst du aktuell irgendwo zwischen Markus Lanz und FDP. Oft habe ich schon daran gedacht, den Stecker zu ziehen, mich bei dir abzumelden. Aber ich traue mich nicht, zumindest nicht solange du einen Großteil meiner echten wie auch falschen Freunde in Geiselhaft hältst.

Wie soll das also weitergehen mit uns beiden? Angeblich arbeitest du an einer ganzen Reihe von Smartphone-Apps. Denn du bist nicht blöd. Der PC ist tot, die Schlacht wird künftig auf den Mobilgeräten entschieden. In atemberaubender Geschwindigkeit hast du deinen Kurs korrigiert, als du gemerkt hast, dass dir Messenger-Dienste wie Whats-App (30 Millionen Nutzer allein in Deutschland) den Schneid abkaufen. Einen Kalender fürs Handy willst du bald herausbringen, munkelt man, eine Video-Plattform à la Youtube.

In den USA kommt jetzt erst einmal deine News-App auf den Markt. Bezeichnenderweise trägt sie den Namen „Paper“. Mehr Substanz, weniger Gewäsch, lautet die Devise. Damit hast du nicht nur den gedruckten Zeitungen, sondern auch allen Katzenvideo-Fans und Food-Fotografen den Kampf angesagt. Mit Paper willst du mir eine elektronische Zeitung mit qualitativen Inhalten bieten, maßgeschneidert nach meinen persönlichen Interessen. Ich bin gespannt. Und auch ein bisschen besorgt. 28 Tage, vier Stunden und fünf Minuten meiner Lebenszeit hast du mich schon gekostet. Ob ich wohl jemals von dir loskommen kann?

Richard Gutjahr ist Blogger (gutjahr.biz) und Journalist. Er moderiert für den Bayerischen Rundfunk Nachrichtensendungen.

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