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Schutz vor dem Krieg. Die gesicherten Funde werden im Nationalmuseum von Sanaa mit Hilfe des DAI digitalisiert und fachgerecht verpackt.

©  DAI, Orient-Abteilung

DAI hilft Jemen beim Kulturerhalt: Die Rettung kam per Satellit

Kulturerhalt in Krisenregionen am Beispiel des Jemen – Wissenschaftler des DAI arbeiten in Berlin an einem digitalen Denkmalregister.

Seit 2015 tobt nun schon der unerbittliche Krieg im Jemen, der bisher über 50 000 Tote gefordert hat. Aber auch das einzigartige jemenitische Kulturerbe fällt mehr und mehr dem Krieg zum Opfer. Weltkulturerbestätten wie Shibam, Zabid und die Altstadt von Sanaa werden zunehmend zerstört, aber auch Moscheen, Dammanlagen, Gräberfelder und ganze Museen sind betroffen. Raubgrabungen richten zudem großen Schaden an. Es ist kaum vorstellbar, dass unter diesen Bedingungen noch archäologische Arbeit geleistet werden kann. Doch die Außenstelle Sanaa der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) ist immer noch geöffnet und arbeitet mit drei jemenitischen Lokalbeschäftigten sowie einer Schweizer Kollegin, die die Verwaltung regelt. „Dadurch sind wir handlungsfähig, verfügen über ein eigenes Konto und können die Mitarbeiter bezahlen“, berichtet Iris Gerlach, Leiterin der Außenstelle Sanaa in Berlin. Neben den Haushaltsmitteln stammen die Gelder vom Auswärtigen Amt und der Gerda Henkel Stiftung.

Was kann man von Deutschland aus tun, um dem Jemen zu helfen? Mit dem Projekt „Yemeni Museum at Risk: Sicherung und Archivierung von Museumsobjekten im Jemen“, das von der Gerda Henkel Stiftung gefördert wird, hilft das DAI, den Bestand der Objekte des Nationalmuseums von Sanaa sachgerecht zu sichern. Als der Krieg 2015 plötzlich begann, glaubte niemand an eine jahrelange Auseinandersetzung. So wurden die Exponate aus dem Nationalmuseum von Sanaa eilig verstaut und eingelagert. Mangels geeigneten Verpackungsmaterials und auch des entsprechenden Knowhows litten die Objekte bald unter Schimmel, Ungeziefer und UV-Strahlung. Der in Sanaa amtierende Präsident der jemenitischen Antikenverwaltung (General Organization of Antiquities and Museums) Mohanad Ahmed Mohammed al-Sayani wandte sich 2018 an das DAI mit der Bitte um Hilfe.

Zuerst ging es darum, die über 100 000 Objekte erstmals zu erfassen und zu dokumentieren. Manchmal helfen aber auch schon ganz einfache Dinge wie geeignetes Verpackungsmaterial, Fotoausrüstungen sowie ein Tresor für Schmuck und wertvolle Kleinfunde, die dem Nationalmuseum zur Verfügung gestellt wurden.

Da der Jemen kein nationales Denkmalregister hat, entwickeln die Orient-Abteilung in Zusammenarbeit mit dem IT-Referat des DAI einen digitalen Atlas, in dem alle Fundorte, Grabungsdaten, Fotos, Pläne und naturwissenschaftliche Daten eingearbeitet werden. Für diesen „Ancient Yemen Digital Atlas (AYDA)“ liefern auch die Jemeniten ihre Daten, die sie im Nationalmuseum gesammelt haben.

In einem ersten Schritt wurde ein Handbuch zur praktischen Arbeit auf Englisch und Arabisch erstellt. Wie fotografiere ich ein Objekt, wie lege ich eine Kleinfunddokumentation an? Dabei geht es darum, die Anleitung möglichst einfach und verständlich zu halten. Sie muss an die lokalen Verhältnisse angepasst sein, gleichzeitig aber auch Regelungen der UNESCO und des Internationalen Rats für Denkmalpflege (ICOMOS) verständlich vermitteln. „Einzelne Kapitel werden mit Filmen begleitet, die wir in Fundplätzen in Äthiopien gedreht haben. Da dort durch die Einwanderung südarabischer Bevölkerungsgruppen aus dem heutigen Jemen die antike Kultur ähnlich ist, sind die Filme für die jemenitischen Kollegen gut zu nutzen“, sagt Gerlach.

40 Jahre Forschung im Jemen haben eine Unmenge Daten produziert, die digitalisiert in den Atlas einfließen und natürlich nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich sind. „Einige dieser Daten sind für Raubgräber von großem Interesse und sollten deswegen zunächst nur den Mitarbeitern des DAI und der jemenitischen Antikenverwaltung zugänglich sein“, erläutert Gerlach.

Mehr als 9000 Punkte sind erfasst

Mehr als 9000 Punkte sind seit 2017 mit Mitteln des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes auf einer Jemenkarte erfasst, die auf einem Geographischen Informationssystem (GIS) basiert. Das können ganze Städte wie Ma'rib sein, aber auch Turmbauten, Wasserwirtschaftsanlagen, archäologische Fundplätze. Man konzentriert sich auf archäologische Plätze, gleichwohl sind auch wichtige Bauwerke wie Moscheen und Museen erfasst. So können auch zerstörte Bauwerke dokumentiert werden. Gleichzeitig fließen aber auch geologische Daten ein. So kann man Vorkommen antiker Rohstoffe lokalisieren ebenso wie günstige naturräumliche Siedlungsbedingungen. Damit steht der Atlas auch anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu Forschungszwecken zur Verfügung.

Die Oase Marib im Juli 2019. Mehr als 9000 Punkte sind in die interaktive Karte des digitalen Atlas eingearbeitet.
Die Oase Marib im Juli 2019. Mehr als 9000 Punkte sind in die interaktive Karte des digitalen Atlas eingearbeitet.

© DAI Orient-Abteilung

Hilfe für die jemenitischen Kollegen in den Museen ist ein weiterer Teil des Projektes. Über Skype halten die Wissenschaftler in beiden Ländern Kontakt. Mit Hilfe des Auswärtigen Amtes werden regelmäßig jemenitische Wissenschaftler über Amman zur Fortbildung nach Berlin eingeladen, um praktisch am digitalen Atlas zu arbeiten. AYDA wird nun mit den Datenbanken des DAI verknüpft, damit liegen die Daten außerhalb des Jemen und sind somit sicher. Zugleich garantiert das DAI langfristig Pflege und Update des Systems, was für eine langfristige Nutzung unabdingbar ist.

Mit dem digitalen Atlas kann man etwa auf der Detailkarte der Oase von Ma'rib die Punkte vor Ort vermessener Fundorte entlang einer Bergkette erkennen. Hinter jedem Punkt liegen viele Informationen zum Ort, zur Herkunft, zur geographischen Lage, Fotos und Pläne. Plötzlich hört die Konzentration der Punkte inmitten der Oase auf. „Dort, wo keine Punkte sind, herrscht ein anderer Stamm in der Oase und der hat seine Zustimmung verweigert, dass die Archäologen das Gebiet betreten“, erzählt Josephine Schoeneberg, die die Daten einpflegt.

Mit dem Monitoring mit Hilfe der Satellitenbilder konnten die Mitarbeiter des DAI auch schon Schlimmeres verhindern. So entdeckten sie im Ruinenfeld von Ma'rib abgesteckte Parzellen, die offensichtlich zur Bebauung freigegeben waren. „Wir haben unsere Fotos an die Antikenverwaltung und an die UNESCO geschickt und konnten so das illegale Bauprojekt bisher stoppen“, erzählt Schoeneberg. Andererseits „steht man oft hilflos dabei, wenn man die Kriegsschäden nur dokumentieren kann“, ergänzt ihr Kollege Holger Hitgen.

Die Datensammlung des DAI hat noch einen ganz praktischen Nutzen. Sie hilft Fahndern des Bundeskriminalamtes und des Zolls auf Kunstmessen, geraubte Kulturgüter aus dem Jemen zu identifizieren und so für das Kulturerbe sicherzustellen.

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