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Was steckt hinter Cybermobbing und wie kann man Kinder und Jugendliche schützen.

© Pixabay

Digitale Gesellschaft: Spurensuche am Tatort Internet

Eine Europäische Studie soll Zusammenhänge von Cyber-Kriminalität, Persönlichkeitsfaktoren und Covid-19 aufzeigen. 

Ist jemand, der sich zu Hassrede im Internet hinreißen lässt, im Alltag auch von anderen Problemen betroffen? Welche Umstände tragen dazu bei, dass Nutzer sozialer Medien politischen und religiösen Extremismus „liken“? Sind risikofreudige Menschen, die etwa Abenteuerreisen und Fallschirmsprünge mögen, online größeren Gefahren ausgesetzt als ihre introvertierten Zeitgenossen? Bewegen sich die Digital Natives sicherer durchs Internet als ihre Eltern, und wie medienkonservativ sind die Altersgruppen in den Ländern der Europäischen Union im Vergleich? Diese und weitere Fragen wollen Psychologinnen und Psychologen der Freien Universität mithilfe einer europaweiten Online-Studie im Rahmen des EU-Projektes „PROPHETS“ beantworten.

"Es gibt große Überschneidungen"

„Meine Erfahrung ist, dass wir in der Wissenschaft oft nur sehr spezifisch auf Cybercrime eingehen: Wir untersuchen entweder nur Cybermobbing, nur terroristische Online-Aktivitäten oder ausschließlich bestimmte Formen von Internetkriminalität“, sagt Herbert Scheithauer, Professor für Psychologie und Leiter des Arbeitsbereichs Entwicklungswissenschaft und Angewandte Entwicklungspsychologie der Freien Universität. Dabei gebe es große Überschneidungen zwischen den Phänomenen: Wenn ein Mobbing-Täter Fotos stiehlt und verfremdet, sei das beispielsweise auch eine Straftat; gleichzeitig sei der Täter möglicherweise selbst Opfer von delinquenten Organisationen im Internet. „Wir erfassen nun die Querverbindungen zwischen den illegalen Phänomenen und befragen die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer nicht nur zu ihren Erfahrungen mit Cyber-Kriminalität, sondern auch zu ihren Lebensumständen und ihrer Persönlichkeit.“

Cybermobbing in Schulen

So will das Team um Herbert Scheithauer feststellen, ob Persönlichkeitsfaktoren und die Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen mit unterschiedlichen Formen der Internetkriminalität zusammenhängen. „Besonders gespannt sind wir auch auf die Antworten, ob die Corona-Pandemie das Online-Verhalten und die Häufigkeit von negativen digitalen Erlebnissen verändert hat“, sagt der Entwicklungspsychologe.

Auf die Ergebnisse der Studie könnten er und seine Kolleginnen und Kollegen dann gezielt reagieren, etwa in ihren Fortbildungsangeboten für Schulen. Bei diesen sind auch Mobbing und Cybermobbing oft Thema. Dabei stellt Herbert Scheithauer fest, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler selten ausschließlich ein Problem mit Mobbing haben, sondern dies mit anderen widrigen Umständen zusammenhängen kann. „Hier müssen wir Psychologen und Pädagogen viel gezielter und intensiver mit den Schülerinnen und Schülern arbeiten“, betont er, „ein einfaches, kurzes Präventionsangebot oder ein Aufklärungsfilm reichen nicht aus.“ Informationen etwa zu sicheren Passwörtern seien wichtig, sagt Herbert Scheithauer, auch Warnungen auszusprechen, etwa Fotos nicht leichtsinnig zu posten. Aber bei Vorbeugungsmaßnahmen vor Internetkriminalität müsse die Persönlichkeit einbezogen werden: „Manche Nutzer sind impulsiver und bewegen sich riskanter durchs Netz, weil ‚Risiko‘ für sie positiv konnotiert ist. Ich muss sie also ganz anders ansprechen als ängstlichere Menschen. Die Vorsichtigen wollen wir dagegen nicht generell vom Internet abschrecken.“ Mit Tailored Interventions, maßgeschneiderten Interventionen, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Internetnutzer jeden Alters da „abholen“, wo die Vorbeugung von Cyber-Kriminalität und -Radikalität für sie persönlich Sinn ergibt.

Auswertung nach Ländern

Dazu soll die aktuelle Studie einen besseren Eindruck verschaffen und die durch die Pandemie angestoßenen Entwicklungen einbeziehen. Die Ergebnisse werden auch nach Ländern ausgewertet. Informieren wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anschließend Regierungseinrichtungen, Polizei, Präventionsarbeiter und Eltern. Gerade Erziehungsberechtigte sollten sich der Aufgabe bewusst werden, ihre Kinder im Umgang mit dem Internet zu unterstützen, in vielen Familien sei das genau umgekehrt, sagt Herbert Scheithauer. 

Internationale Kooperationen:

Das Projekt steht unter dem Dach von PROPHETS (Preventing Radicalisation Online through the Proliferation of Harmonised ToolkitS). In dem europäischen  Forschungsprojekt untersuchen 15 wissenschaftliche, staatliche und polizeiliche Einrichtungen aus zehn Ländern digitale Radikalisierung sowie terroristische Aktivitäten im Internet und arbeiten an Präventionsmöglichkeiten. Finanziert wird die Kooperation mit Mitteln des Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union. Interessierte können online anonym an der Befragung teilnehmen und erhalten eine PDF-Broschüre über Cybersicherheit.

www.prophets-h2020.eu

Jennifer Gaschler

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