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Christian Blache (1838-1920): "Kleiner Matrose am Meer". Blache wird in Dänemark vor allem für seine Seestücke geschätzt.

© Schenkung Christoph Müller, Pommersches Landesmuseum Greifswald

Dänische Malerei in Greifswald: Die Dänen sind da

Vor zwei Jahren schenkte der Berliner Kunstmäzen Christoph Müller seine Sammlung dänischer Kunst dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Nun ist dieser Schatz erstmals zu sehen.

Endlich sind die Dänen da! Das waren sie eigentlich schon 1199, als dänische Mönche des Zisterzienserklosters Esrom Kloster Eldena gründeten. Es war die Geburtsstunde der Stadt Greifswald, die damals noch als kleine Siedlung zum Klostergut gehörte.

819 Jahre später kommen die Dänen wieder, diesmal in Form der Schenkung des Berliner Sammlers Christoph Müller. Bereits 2016 hatte der Kunstmäzen Werke dänischer Romantiker und Realisten dem Pommerschen Landesmuseum Greifswald gestiftet. Zur Ausstellungseröffnung Ende März sind nun weitere kostbare Stücke dazugekommen: „Ein Gemälde von J.L. Lund, des Freundes von Caspar David Friedrich, eine hochdramatische Strandszene von J. Friedländer sowie eine Radierung von C.W. Eckersberg“, schreibt Birte Frenssen, die Stellvertretende Direktorin des Museums, im Katalogvorwort.

Doch damit nicht genug: „Schließlich überreicht Christoph Müller zur Eröffnung der Ausstellung ein nüchtern-sensibles Frauenbildnis von Eckersberg, ein Selbstbildnis von Lund (…) sowie eine leicht skurrile Reiseszene auf einer Kanalbarke, von Martinus Rödbye gemalt“. Ferner nennt sie noch eine Zeichnung von Rohde, eine Druckgrafik von Kyhn, ein Studienblatt von Marstrand und ein seltenes Aquarell von P.C. Skovgaard, das Müller gerade erst gekauft hatte. Schon diese „Zugaben“ hätten jedes Museum geschmückt und erfreut. Die Greifswalder dürfen sich also besonders glücklich schätzen: Mit 387 Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen und Druckgrafiken von fast 120 Künstlern besitzen sie die größte Sammlung dänischer Kunst des 19. Jahrhunderts in Deutschland.

Auch der dänische Botschafter Friis Arne Petersen kann sein Glück kaum fassen, passen diese Ausstellung und dieses Geschenk doch wunderbar in die internationale Kulturstrategie des Landes, die „einen besonderen Schwerpunkt auf die kulturelle Zusammenarbeit mit Deutschland legt“.

Für das Pommersche Landesmuseum ist diese großzügige Schenkung Verpflichtung, sich der Sammlung anzunehmen, sie wissenschaftlich zu erschließen und immer wieder dem Publikum zu zeigen. Sie soll zudem Kern einer Galerie der Romantik werden. Schließlich ist auch Caspar David Friedrich, einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Romantik, in diesem Museum zu Hause. Der gebürtige Greifswalder studierte vier Jahre lang an der Kopenhagener Malerakademie – Bezugspunkte für solch ein Unternehmen gibt es also genug.

Im ersten Stock der Galerie grüßt die Museumssammlung die Neulinge: Ein Bild aus dem Bestand wird je einem Geschenk zugeordnet. So knüpft etwa der dramatisch brennende Dreimaster von Carl Emil Baagöe (1887) an das „Das Feuer“ von Louis Douzette (1901). Janus La Cour, einer der Lieblingsmaler des Sammlers und hierzulande bis jetzt nahezu unbekannt, trifft mit seiner „Dänischen Sommerlandschaft“ auf Eugen Brachts „Rügener Küste“, verwandte Seelen in enger Nachbarschaft. Auch geografisch ist Dänemark näher als manch einer denkt.

Vilhelm Kyhn (1819–1903): Jäger im Marschland bei Ausumgaard, 1881.
Vilhelm Kyhn (1819–1903): Jäger im Marschland bei Ausumgaard, 1881.

© Kilian Bartel /Pommersches Landesmuseum Greifswald

Gleich nebenan hängt der großartige „Jäger im Marschland bei Ausumgaard“ (1881) von Vilhelm Kyhn, der zu Hans Thomas „Flusslandschaft“ von 1886 gesellt wurde, wobei Kyhn mit seinem ungewöhnlichen Schützen im Dickicht fasziniert. Nicht umsonst ziert er das Katalog-Cover. Überraschend auch Ludwig Mogelgaards „Kiefern in Tisvilde Hegn“ von 1920 im roten Abendlicht, wahrscheinlich eines der jüngsten Bilder der Sammlung, das sich zu Eduard Krause Wichmanns „Pommerscher Landschaft“ gesellt. Schnell wird bei diesem Prolog klar, dass Christoph Müller sich nicht nur auf die Stars der stilbildenden Kopenhagener Malerschule aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts konzentrierte, von der sich übrigens auch Caspar David Friedrich inspirieren ließ, sondern auch Werke, die bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts reichen, sammelte. Die Kollektion entzieht sich dem kunsthistorischen Schubladendenken, die Zuordnungen verschwimmen.

Vieles ist hier zu entdecken. Kuratorin Birte Frenssen sortiert die Bilder nach Themen und nicht nach der Chronologie. Erst einmal gilt es, sich einen Überblick zu verschaffen über „Sturm und Stille“, „Bildnis und Figur“, „Italien und Orient“, „Herz und Heimat“, „Schwarz und Weiß“, „Wind und Welle“ und schließlich „Nähe und Ferne“. Im Prinzip blieben die Dänen ihrer Heimat verhaftet – und hier vor allem der Natur. „Der anschaulichste Gottesbeweis ist den Dänen die Natur. Wald und Wiese, Wind und Welle, Wasser und Wolke, da sind sie als Maler in ihrem Element und halten die fast wieder zurückgewonnene paradiesisch-urtümliche Zeit fest“, schreibt Müller im Katalog. Landschaften und Seestücke gibt es zuhauf zu bewundern, oft mit einem faszinierenden Licht. Nur ein einziges Großstadtmotiv befindet sich in der ganzen Sammlung, Otto Braches Aquarell „Stadt bei Nacht“, das eine schemenhafte Pferdebahn mit vier schnaubenden Pferden im fahlen Abendlicht zeigt.

Christian Eckhardt (1832 - 1914), Idyllischer Sommertag am Eingang des Dyrehaven bei Kopenhagen, 1883, Öl auf Leinwand, 40 x 64 cm
Christian Eckhardt (1832 - 1914), Idyllischer Sommertag am Eingang des Dyrehaven bei Kopenhagen, 1883, Öl auf Leinwand, 40 x 64 cm

© Pommersches Landesmuseum Greifswald

Dafür kann man viele Maler und Motive entdecken, die man hierzulande noch nie gesehen hat, etwa Christian Eckhardts ruhig-entspanntes Bild „Idyllischer Sommertag am Eingang des Dyrehaven bei Kopenhagen“ von 1883, einem großen Park nördlich der Stadt mit mehr als 2000 freilaufendem Rotwild. Aber davon ist auf dem Bild nichts zu sehen. Die rötliche Abendsonne bricht durch die dichten Bäume und wirft lange Schatten, ein langer dänischer Wimpel hängt schlaff vor einem Haus – wahrhaftig ein Idyll.

Die Kunstwerke sind im Stil der „Petersburger Hängung“ scheinbar planlos arrangiert, die kleinen Formate gruppieren sich oft über- und nebeneinander auf einer Wand. Es wirkt zunächst nahezu überwältigend. Dann wird der Blick von einem Sonnenstreifen eingefangen, der sich durch die dunklen Wolken kämpft, wie etwa auf dem Bild „Nach dem Regen – Am Limfjord“ von Jens Julius Andersen oder dem nur 15 mal 25 Zentimeter großen Ölbild „Kleines Segelschiff auf dem Meer“ von Vilhelm Petersen. Zu den überraschenden Themen gehören einige Bilder aus dem Orient, Piraten zur See oder eine beeindruckende Szene aus einer Koranschule von Peter Ilsted.

Carl Vilhelm Holsoe (1863-1935): "Interieur mit offener Tür". Einer der seltenen Innenräume der Sammlung Christoph Müller ist von den Niederländern des 17. Jahrhunderts inspiriert.
Carl Vilhelm Holsoe (1863-1935): "Interieur mit offener Tür". Einer der seltenen Innenräume der Sammlung Christoph Müller ist von den Niederländern des 17. Jahrhunderts inspiriert.

© Schenkung Christoph Müller, Pommersches Landesmuseum Greifswald

Erleuchtet vom dänischen Licht lohnt es sich anschließend, dem Caspar David Friedrich Zentrum einen Besuch abzustatten, der Geburtsstätte des großen Greifswalder Malers. Das Vorderhaus der Seifensiederei seines Vaters war bei einem Brand zerstört worden, das Hinterhaus blieb erhalten. Hier kann man sich über den größten Sohn der Stadt und sein Leben informieren. Im „Eldena- Raum“ und im „Rügen-Raum“ bekommen Besucher an Hand von Reproduktionen, Karten und Dioramen Einblicke in Friedrichs Wirken in der Region. Im Keller der Werkstatt läuft ein sehr informativer NDR-Film über Friedrich und seine Zeit.

Streift man dann durch die Stadt, trifft man immer wieder auf Motive, die Friedrich gemalt hat, den Markt, die Kirchen, den Hafen und die mächtige, beeindruckende Ruine von Kloster Eldena. Hier hat man fast das Gefühl, durch ein Gemälde von Friedrich zu laufen. Ein schöner Abschluss einer Reise nach Greifswald – und zu den Dänen.

Pommersches Landesmuseum Greifswald, Rakower Straße 9, bis 12. August 2018, Di - So 10 bis 18 Uhr

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