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Die AfD - Zu oft im Fernsehen? Die falschen Fragen?

© AP

Die AfD und die Medien: Neue Sachlichkeit

Nach der heftigen Kritik an ARD und ZDF: Talkshows entdecken im Umgang mit der AfD eine neue Sachlichkeit.

War da was? Kaum ist die AfD in den Bundestag eingezogen, tauchen ihre Vertreter nicht mehr in den Polit-Talks im Fernsehen auf. Dabei war das Gezeter doch so groß: Nach der Bundestagswahl hatten führende Vertreter anderer Parteien die Ursachen für den AfD-Wahlerfolg in der Präsenz der AfD-Vertreter in TV-Talks gesucht. Noch am Wahlabend war Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Sender in der „Berliner Runde“ scharf angegangen. Es werde noch darüber zu diskutieren sein, in welchem Ausmaß die beiden öffentlich- rechtlichen Sender in den vergangenen Wochen massiv dazu beigetragen hätten, die AfD eben nicht klein, sondern groß zu machen.

Es wurde diskutiert und das nicht zu knapp. Senderverantwortliche und Moderatoren meldeten sich zu Wort, neue Talk-Strategien, Umgangsweisen, gar Interviewtechniken waren Thema. Und plötzlich zeigte Unterhaltungstalker Markus Lanz, wie es im medialen Umgang mit der Protestpartei und Vertretern wie Alexander Gauland auch gehen kann.

ZDF-Chefredakteur Peter Frey hat die Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen nach den Bundestagswahlen zunächst einmal umgehend zurück gewiesen: „Wir haben die AfD genauso berücksichtigt wie die andere Partei, die bis dahin nicht im Deutschen Bundestag vertreten war: die FDP.“ Das ZDF zählte sogar Talkgäste durch. Bei „Maybrit Illner“ habe es in dem Zeitraum seit Anfang 2016 bei knapp 400 Gästen elf Mal Vertreter der AfD gegeben. Das zeige deutlich, so Frey, „dass wir hier niemanden benutzen, um unsere Quoten nach oben zu treiben“.

Das sieht der Bundespräsident anders. Aus Frank-Walter Steinmeiers Sicht haben deutsche Medien den Provokationen der AfD im Wahlkampf zu viel Raum gegeben. „Tabubrüche dürfen sich nicht auszahlen“, sagte Steinmeier der „Zeit“, ohne die AfD beim Namen zu nennen. „Wer für jede neue Provokation eine neue Einladung in eine Talkshow erhält, fühlt sich zum Provozieren ermuntert.“

Es sei nicht Aufgabe von Journalisten, Parteien kleinzuhalten

Nun übernahm Polit-Talker Frank Plasberg die öffentlich-rechtliche Verteidigung. „Niemand kann eine Partei groß machen, wenn es dafür in der Bevölkerung nicht ein Bedürfnis gibt“, sagte der ARD-Moderator dem „Spiegel“. Es sei nicht die Aufgabe von Journalisten, Parteien kleinzuhalten. Das sei der Job der politischen Konkurrenz. AfD-Politiker wollen nicht mit den anderen Gästen diskutieren, lieber setzten sie sich mit dem Moderator auseinander, weil so die Opferrolle schneller herstellbar sei. „Das ist ein Dilemma, als Moderator müssen Sie sich sehr beherrschen, in der Sache angemessen und konsequent zu fragen, aber kein Tribunal herzustellen.“

Fest steht, ließ die „hart aber fair“-Redaktion in Sachen Gäste- und Themenwahl mitteilen: „Wir werden auch in Zukunft nicht jeden Tabubruch der AfD thematisieren.“ Die entscheidenden Fragen bei der Planung lauten vielmehr: Was ist das relevante Thema der Woche, wer kann dazu Relevantes beitragen? Es gelten für alle Parteien die gleichen journalistischen Standards.

Das klingt fast ein bisschen wie Selbstvergewisserung. Gab es denn wirklich zu viel AfD-Bühne im Fernsehen? Im Internetzeitalter sei es nicht mehr so, sagt Kommunikationswissenschaftler Michael Haller, dass ein paar Sendungen während des Wahlkampfs das Wählerverhalten merkbar beeinflussen könnten. Andererseits: Wegen des harten Medienwettbewerbs, vor allem im Kampf um Klickzahlen und Reichweiten, hätten Journalisten schon nach Aufregern gesucht.

Dabei gerate die Sache selbst, weil spröde und trocken, aus dem Blick. „In diesem Jahr, muss man fairerweise sagen, hat sich viel gebessert. Die Medienberichte über das Flüchtlingsthema, über ostdeutsche Protestierer und über AfD-Mitläufer sind sachlicher und informativer geworden“, sagt Haller. Das Gleiche wünsche man sich im journalistischen Umgang mit der AfD und ihren Abgeordneten in Berlin: nicht übersehen, sondern genau hinschauen, genau nachfragen, genau berichten, erst dann Meinungen kundtun. „Es braucht eine neue Sachlichkeit.“

Kumpel Pogge muss mitsingen

Man kann es sich mit der AfD auch spaßig machen. Produzent Friedrich Küppersbusch geht mit dem Polit-Talk „So!Muncu!“ und Moderator Serdar Somuncu auf n-tv eigene Wege. Im Mai war AfD-Mann André Poggenburg zu Gast. Somuncu rockte, Küppersbusch spann Fäden: „Hier erwies sich als entwaffnend, ihn gnadenlos freundlich einzugemeinden, Kumpel Pogge muss mitsingen, die Hölle des Umarmungsfernsehens. Die Kameraden sind auf alles vorbereitet, außer: freundlich bis desinteressiert und genau wie alle anderen behandelt zu werden.“ Das Problem, so Küppersbusch, sei nicht die Umgangsweise oder Interviewtechnik mit bestimmten Politikern jetzt. „Das Problem ist Umgang und Fragestil mit den Politikern bisher.“

Wo in jeder Frage die Unterfrage mitschwinge: „... und kommen Sie nächste Woche auch wieder in meine Show?“, sei kein Mastino-Journalismus zu erwarten. Auch Joachim Herrmann und Martin Schulz, die sich in der „Berliner Runde“ über die Moderation ereiferten, hätten dies nicht getan, solange ihnen gefällige Fragen gestellt wurden. Die Unsicherheit, wie man mit Protestpolitikern umgehen soll, hätte nur entstehen können, weil man sich früher in einem Comment, in einem geübten Ritual, befand: was man fragt, nicht fragt, wie man sich benimmt und nicht. Das Problem sei dieser Comment. Küppersbuschs Vorschläge klingen stupende einfach: nicht stigmatisieren, nicht bevorzugen. Sachfragen sachlich klären. Mehr recherchieren, Fragen nie ohne eigenen Wissenshintergrund stellen.

Die erste Bewährungsprobe nach der Bundestagswahl für einen (neuen?) medialen Umgang mit der AfD gab es in einer Unterhaltungssendung: bei „Markus Lanz“. Zum Tag der Deutschen Einheit saß Alexander Gauland im ZDF-Talk. Von Beginn an setzte Lanz den AfD-Politiker unter Druck, wollte wissen, warum seine Partei Menschen über einen Kamm schere. „Herr Gauland, ich würde mich gerne ohne Schaum vor dem Mund mit Ihnen unterhalten.“

„Sie haben es in der Hand, das Ding konstruktiv zu gestalten."

Lanz blieb höflich, ruhig, ließ den Gast ausreden. Das war hartnäckig, aber eindeutig fair. Keine Gelegenheit für den AfD-Politiker, sich in die Opferrolle zu begeben. Am Ende seines Gesprächs bedankt sich Lanz bei Gauland: „Sie laufen nicht weg.“ Und mit Blick auf die Rolle der AfD als Opposition im Bundestag: „Sie haben es in der Hand, das Ding konstruktiv zu gestalten – oder ewig rückwärtsgewandt.“

Ähnlich Konstruktives bei „Maischberger“, einen Tag später. Fast hatte man geglaubt, es werde keine AfD mehr in Polit- Talks geladen. Da tauchten Kerstin und Frank Hansen, eine SPD-Ortsvorsitzende und ein AfD-Funktionär, beide miteinander verheiratet, bei „Maischberger“ auf. „Wie war’s am Wahlabend zu Hause?“, wollte die Moderatorin wissen. Eine Umarmungsstrategie, die nichts aussparen muss. Die Folge: eine sachbezogene Diskussion über das Wählerverhalten im vermeintlich gespaltenen Deutschland. Einen „Dialog mit Respekt“ empfahl Talkgast Martin Patzelt (CDU): „Was wir in Ihnen als Ehepaar demonstriert bekommen, ist doch durchaus ein Modell.“ Oder, um es mit Küppersbusch zu sagen: Man hatte sich dran gewöhnt, in Talkshows O-Töne abzumelken, statt sich vorher schlauzumachen und im Bedarfsfall zu streiten. Gute Gelegenheit, das zu ändern, allen Parteien gegenüber, also nicht nur, aber vor allem bei der AfD.

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