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„BepiColombo“ unterwegs zum Merkur.

© Airbus/künstlerische Darstellung

Der Weltraum im Fokus: Hotspot der Planetenforschung

Das TU-Zentrum für Astronomie und Astrophysik ist an internationalen Projekten auf der Suche nach Leben im All beteiligt.

Ist da jemand? Dass wir nicht die einzigen Lebewesen im Weltraum sind, ist eine uralte Idee. Schon früh versuchten die Menschen den Sternenhimmel zu erkunden. Das zeigen die berühmte bronzezeitliche Himmelsscheibe von Nebra, antike Beobachtungsinstrumente, historische Berechnungen und Abbildungen aus fast allen Kulturen der Welt. Heute suchen internationale Teams mit Großteleskopen, modernsten Raumfähren und Messinstrumenten auf der Erde und im All nach bewohnbaren Zonen. Denn die Ressourcen auf der Erde sind endlich – und die Frage nach bewohnbaren Planeten könnte irgendwann existenziell werden. Doch wie sind solche Planeten in weit entfernten Galaxien zu finden und wie prüft man ihre Beschaffenheit? Das erforschen TU-Wissenschaftler*innen zusammen mit vielen Kolleg*innen in Berlin und in der ganzen Welt.

„Berlin hat sich mit dem Zentrum für Astronomie und Astrophysik an der TU Berlin (ZAA), der Planetologie an der FU Berlin und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in den letzten beiden Jahrzehnten zu einem ‚Hotspot‘ der Planetenforschung entwickelt“, konnte Jürgen Oberst, Professor am Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik der TU Berlin und Abteilungsleiter Planetengeodäsie am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) schon vor zwei Jahren auf dem European Planetary Science Congress an der TU Berlin berichten.

Blick in die Geschichte der Erde

Neuigkeiten rund um Exoplaneten, Planetenoberflächen, -beschaffenheit und -atmosphären haben Wissenschaftler*innen aus dem ZAA zusammen mit Berliner und internationalen Kolleg*innen nun jüngst in renommierten Zeitschriften veröffentlicht. Sie blicken dabei zu Nachbarplaneten wie Venus, weit ins Weltall und zurück in die Geschichte des eigenen Planeten. Denn auch die Erde benötigte mehr als vier Milliarden Jahre, bis sich in einem winzigen Zeitabschnitt intelligentes Leben entwickelte.

„Der Gesteinsplanet Erde war in der Frühzeit von glühend heißen Magma- Ozeanen bedeckt. Wir wollen verstehen, wie unsere frühe Atmosphäre sich so gewandelt hat, dass daraus habitable Bedingungen entstanden. So können wir unsere eigenen Ursprünge aufklären und auch die faszinierenden Daten interpretieren, die die Exoplaneten-Forschung auf der Suche nach der zweiten Erde derzeit sammelt“, erklärt Nisha Katyal. Sie ist Astrophysikerin am ZAA der TU Berlin. Zusammen mit Professor Heike Rauer und weiteren Kolleg*innen aus dem DFG-Sonderforschungsbereich „Späte Akkretion auf terrestrischen Planeten“, an dem die TU Berlin beteiligt ist, arbeitet sie an Modellen, die chemische Vorgänge und physikalische Bedingungen simulieren, die für die Entstehung einer bewohnbaren Atmosphäre wichtig sind.

Entwicklung wie im Zeitraffer

Simuliert wird zum Beispiel der Austausch von Elementen zwischen Planetenmantel und Atmosphäre wie das Entweichen von vulkanischen Gasen oder Wasserstoff in den Weltraum. Wie in einem Zeitraffer, so die Wissenschaftler*innen, könne man so die Entwicklung von Planeten unter verschiedenen Bedingungen simulieren. „Mithilfe der Modelle kann man vor allem abschätzen, welche atmosphärischen Linien man bei extrasolaren Planeten beobachten sollte, welche Wellenlängenbereiche zugänglich wären und wie empfindlich die Messinstrumente sein müssten, um Erkenntnisse über deren Atmosphäre zu gewinnen.“

Seit 1995 Schweizer Astronomen mit „51 Pegasi“ den ersten Planeten außerhalb unseres Sonnensystems nachwiesen, wurden mit leistungsstarken Weltraumteleskopen wie Kepler, CoRoT oder Hubble und aufwendigen Messungen inzwischen mehr als 4000 solcher Exoplaneten entdeckt. Eine „zweite Erde“ war noch nicht dabei, doch innovative Weltraumteleskope wie PLATO, dessen Start 2026 geplant ist, sollen gezielt nach erdähnlichen Planeten in der Milchstraße suchen. Bisher können Exoplaneten, ihre mögliche Beschaffenheit oder das Vorhandensein einer Atmosphäre nur indirekt nachgewiesen werden, zum Beispiel durch Helligkeitsmessungen. Ermutigende Ergebnisse für die Analyse künftiger Beobachtungsdaten von Exoplaneten berichteten jetzt die TU-Wissenschaftlerin Dr. Yeon Joo Lee und ihr Kollege Antonio García Muqoz zusammen mit Kolleg*innen der japanischen Raumfahrtagentur JAXA in „Nature Communications“. Sie haben Beobachtungs- und Messdaten des japanischen „Akatsuki Orbiter“ zu Helligkeitsmodulationen der Venus ausgewertet. „Bisher wurde angenommen, dass die häufig wechselnden Helligkeitsunterschiede auf die Rotationsgeschwindigkeit des Planeten und den Durchmesser der Atmosphäre hinweisen. Nach unseren genauen Messungen und Berechnungen ist das allerdings keineswegs zwingend“, so Yeon Joo Lee.

Reise zum Merkur

Gespannt wartet die Wissenschaftlerin nun auf die aktuellen Daten der europäisch-japanischen Weltraumsonde „BepiColombo“, die vor zwei Jahren vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch- Guyana startete und nun, Mitte Oktober 2020, auf ihrer bis 2025 dauernden Reise zum Merkur die Venus ganz nah – in 10 000 Kilometer Entfernung – passierte. Auch an dieser Planetenmission sind die Wissenschaftler*innen der TU Berlin beteiligt. Die Atmosphäre der Venus ist besonders dicht. Sie besteht zu mehr als 90 Prozent aus Kohlendioxid, und eine 20 Kilometer dicke, stark schwefelsäurehaltige Wolkenschicht verhindert, dass man auf die Oberfläche schauen kann. „Wir versprechen uns daher aus den Messdaten Aufschluss über die Komplexität der Venus-Atmosphäre“, erklärt die Astrophysikerin. Ein Thermal-Infrarot-Spektrometer und Radiometer an Bord der „BepiColombo“ soll nun Aufschluss über Dichte, Temperatur und chemische Zusammensetzung der mittleren Atmosphäre rund um die Venus geben. Ein UV-Spektrometer über Reflexionen und Emissionen der oberen atmosphärischen Schichten, Magnetometer messen die magnetische Umgebung und weitere Instrumente studieren die Interaktion zwischen Sonne und der oberen Venus-Atmosphäre. „Mit einer von dem starken Treibhauseffekt hervorgerufenen Oberflächentemperatur von 470 Grad, die Wasser auf der Oberfläche ausschließt, befindet sich die Venus momentan außerhalb der habitablen Zone“, erklärt Yeon Joo Lee. „Doch möglicherweise war sie in der Vergangenheit bewohnbar und wies ähnliche Bedingungen auf wie die Erde. Wann sie aus diesem Zustand abdriftete, weiß man nicht genau.“

Spekulationen über früheres Leben

Als im September dieses Jahres auf der Venus Monophosphan entdeckt wurde, ein Gas, das auf der Erde durch biologische Prozesse entsteht, erhielten Spekulationen über früheres Leben dort neue Nahrung. Eine biologische Quelle des Gases sei hier zwar nicht zwingend, so Professor Dirk Schulze-Makuch, doch auch er glaubt, dass die Venus in einer früheren Epoche durchaus bewohnbar gewesen sein könnte. Der TU-Astrobiologe erforscht Möglichkeiten von Leben in besonders lebensfeindlichen Umgebungen. Kürzlich veröffentlichte er im Journal „Astrobiology“ die Studie „Top Contenders for a Superhabitable World“. Danach könnte es in unserer Galaxie sogar Orte geben, die noch besser bewohnbar sein könnten als unsere Erde: etwas wärmer, größer oder feuchter und um einen Stern kreisend, der weniger hell leuchtet als unsere Sonne. Er schlägt daher vor, bei der Suche nach lebensfreundlichen Exoplaneten nicht nur nach erdähnlichen Planeten Ausschau zu halten, sondern auch nach „überbewohnbaren“.

Mehr als 100 Lichtjahre entfernt

„Wir identifizieren Parameter, die eine entsprechende Suche erleichtern“, erklärt Schulze-Makuch. „Leider können wir solche Bedingungen auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems nicht durch Beobachtungen überprüfen. Sie liegen alle mehr als 100 Lichtjahre entfernt. Doch wir können aus den mehr als 4000 bisher entdeckten Exoplaneten eine Liste von 24 Top-Kandidaten herausfiltern.“ Auch Schulze-Makuch blickt den in wenigen Jahren bevorstehenden Weltraumteleskop-Missionen der NASA mit „James Web“ und der ESA mit „PLATO“ gespannt entgegen: „Wir wünschen uns, dass dabei der Suche nach potenziell ‚überbewohnbaren‘ Exoplaneten mehr Priorität eingeräumt wird.“

Patricia Pätzold

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