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"Es gibt Zufälle. Alles fließt dahin, wohin es gehört", sagt Johanna Rummel. Ihr Farbobjekt ist das diesjährige Rundgangmotiv der UdK Berlin.

© Stella Schalamon

Der Siegerentwurf: Die Farben des Zufalls

Johanna Rummel gestaltet das diesjährige Rundgangmotiv und zählt dabei auf einen Gehilfen, der für unerwartete Effekte sorgt.

Ein gelber und ein blauer Fluss schlängeln sich durch ein rosafarbendes Feld, um sich dann im Mäandertal von einer roten Welle umarmen zu lassen und als bläulich-grün-gelber Strahl nach oben zu strömen.

Eingebungen wie diese löst der nach oben fließende, vielfarbige Klumpen auf Johanna Rummels Plakat aus, das den Wettbewerb um das Design des diesjährigen Rundgangmotivs der UdK Berlin gewonnen hat. Reflektionen und wabernde Formen erzeugen ein Gefühl der Bewegung und die heimliche Frage, ob sich die Farben wohl mit dem Finger verschmieren lassen.

Vor zwei Jahren nahm Johanna Rummel an einem Workshop teil und lernte dort Experimente kennen, die ihrer Faszination für Texturen neue Richtungen gaben. Eine Schale mit Milch zum Beispiel. Landet ein Farbtropfen auf der weißen Oberfläche, bringt er sie gleichmäßig in Wallung, verharrt dann. Ein Hauch Spülmittel aber bringt ihn ekstatisch zum Springen, lässt ihn brodeln, Wirbel schlagen, die sich mit weiteren Farben zu seltsamen, ineinander fließenden Gebilden verzwirbeln. Ähnlich diesem Experiment fließen die Farben auf Johanna Rummels Plakat ineinander.

Für den Rundgang wird der Wettbewerb um das Gestaltungskonzept jedes Jahr an eine der Fachklassen der Visuellen Kommunikation vergeben, in diesem Jahr an die Klasse Design für Wirtschaft und Werbung von Prof. Uwe Vock. Betreut wurden die Entwürfe von Gosia Warrink, Designerin und künstlerische Mitarbeiterin Vocks.

Die Studentin sucht die Brücke zwischen Kunst und Werbung

Beide Lehrende schätzen experimentelles Arbeiten, was Johanna Rummel gefällt. Es bietet ihr die gesuchte Brücke zwischen Kunst und Werbung, die sich in weiteren Arbeiten der Studentin zeigt: Theatermagazine, Schallplattencover, ihr Instagram-Profil.

Nach ihrer Fachhochschulreife machte die heute 27-Jährige eine Ausbildung zur Grafik- und Mediendesignerin an den Dresdner Semper Schulen. Danach wurde sie für Bildende Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden angenommen. Sie lehnte ab. „Existenzängste“, sagt sie nur dazu. Stattdessen begann sie ein Studium in Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin-Oberschöneweide, zur Zeit absolviert sie ein Gastsemester an der UdK Berlin und wird im kommenden Wintersemester ganz in den Studiengang Visuelle Kommunikation am Standort Grunewaldstraße wechseln. Wenn sie über ihre Arbeit spricht, klingt es manchmal, als meine sie damit auch ihr Leben: „Es gibt Zufälle. Alles fließt dahin, wohin es gehört.“

Johanna Rummel kommt ursprünglich aus Leipzig. In der Schule wurde ihr eine Lese-Rechtschreib-Schwäche diagnostiziert. Bei Typografien findet sie daher die Formsprache, die Gestalt spannend. Es sind Texturen, Farben und Objekte, die sie anziehen, sagt sie.

Zum Beispiel der plastisch fließende Farbklumpen ihres Plakats. Für seine Grundform, die Johanna Rummel später mit Farben begoss, hatte sie Plexiglas mit einem Heißluftfön erwärmt, über eine Holzkugel gestülpt und händisch geformt. Ein Wort wie Klumpen liegt ihr fern. Sie nennt ihn ein „organisches Plexiglas-Farbobjekt“, kurz „Farbobjekt“.

Für den Film hat das bunte Objekt einen Auftritt in Zeitlupe

Für den Film, der mit dem Plakat, den Flyern und der Programmbroschüre sowie mehreren Merchandising-Artikeln das Gestaltungskonzept ausmacht, das jedes Jahr von den Wettbewerbsgewinnenden ausgearbeitet wird, hat das Farbobjekt einen Auftritt in Zeitlupe. Für die Aufnahmen schleppte Johanna Rummel in einem Reisekoffer mehrere Farbflaschen die vielen Treppenstufen bis ins Fotostudio unterm Dach des Medienhauses hinauf. Heute wummert ein Gebläse. Mit Kamerablitzen durchleuchtet die Studentin den vom abendlichen Gewitterhimmel dämmrigen Raum. Der blaue Samt ihres T-Shirts schimmert. Die langen Haare hat sie sich praktisch im Nacken zusammengeknotet, damit sie nicht ins Bild fallen.

Den größten Teil des Raumes macht der Studiohintergrund aus, grau und so geschwungen, dass eine Skateboarderin auf Ideen käme. Hier schuf Johanna Rummel vor wenigen Wochen ein von Studioleuchten gerahmtes Universum für das Plexiglas-Objekt. Durch eine mit Heißkleber befestigte Stange versetzte sie es in einen Schwebezustand. Eine große Wanne darunter fing die Farbe auf, die Johanna Rummel in Mengen über das Objekt ergoss. Genau diese Momente reizen sie. „Ich weiß, wie die Dinge sich verhalten, aber dann kommt der Zufall hinzu. Fast wie Magie.“ Die von ihr erdachte und kontrollierbare Form des Plexiglas-Objekts wurde um Zufallsgebilde ergänzt, die der Unaufhaltsamkeit der Farben gen Schwerkraft entsprangen. Am Computer griff Johanna Rummel wieder ein und hebelte die Schwerkraft aus, indem sie das Objekt auf den Kopf drehte. Schließlich soll das gesamte Design Standpunkte variieren und zugleich neue entstehen lassen. So fließen die Farben auf zauberhafte Weise nach oben, einzelne Tropfen fliegen davon als würden sie verdampfen.

Die Farben stehen für die vier Fakultäten der UdK Berlin

Die Größe des Farbobjekts im Film und auf dem Plakat täuscht. Eigentlich ist es ganz klein, so groß wie eine Faust. Das Plexiglas-Objekt hält Johanna Rummel gut verborgen. Ganz verblichen von der vielen Farbe sei es so verbraucht und unappetitlich, sagt sie. In der Wanne, die die Farbe auffing, hat sie inzwischen Kürbisse und Wassermelonen angepflanzt.

Die Farben, die sie sorgfältig ausgewählt hat, stehen für die vier Fakultäten der UdK Berlin: Bildende Kunst, Gestaltung, Musik und Darstellende Kunst. Welche Farbe für welche Fakultät steht, will Johanna Rummel nicht vorgeben. „Jeder assoziiert mit jedem Bereich eine eigene Farbe. Manchmal verschwimmen sie auch“, erklärt sie. Für sie seien die Farben ein buntes Ganzes, ein Leuchten. Sie denkt noch einmal nach. „Eigentlich ist alles eine Farbe.“

Alle zwölf Plakatentwürfe sind während des Rundgangs in Raum 103 in der Grunewaldstraße, sowie im Erdgeschoss der Hardenbergstraße ausgestellt.

Stella Schalamon

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