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Ein zerstörtes Relief des Judaskusses aus der Dorfkirche von Doorn (1510-1530) illustriert die Macht des Bildersturms.

© Rijskmuseum Amsterdam

Ausstellung im Amsterdamer Rijksmuseum: Die Geburt der Nation

Das Amsterdamer Rijksmuseum zeigt eine grandiose Ausstellung über den Achtzigjährigen Krieg vor 450 Jahren, an dessen Ende die Niederlande entstanden.

Philipp II. (1527-1598) ist sich seiner Macht bewusst. Mal bildet ihn Jacques Jongelinck als Cäsar in Bronze ab, mal malt ihn Lucas de Heere 1559 als König Salomon. Philipp II. ist König von Spanien und Herrscher über ein Weltreich, in dem die Sonne nie unter geht. Aber er ist auch Herzog von Brabant und Gelderland, Graf von Holland, Graf von Flandern, kurzum Fürst der 17 verschiedenen niederländischen Gebiete, die die heutigen Staaten Niederlande, Belgien und Luxemburg umfassen. Seine Macht scheint grenzenlos. Er hat alles im Griff, wie die vier von Jacob van Deventer gemalten Pläne niederländischer Städte zeigen, vier von 250, die der Selbstvergewisserung seiner Macht dienten.

Philipp möchte Ordnung in seinem Reich, und so heißt auch der erste Raum der großen Ausstellung „80 Jahre Krieg“ im Rijksmuseum Amsterdam. Der Raum zeigt die Ruhe vor dem Sturm, denn vor 450 Jahren regte sich unter den niederländischen Adligen und Städten Widerstand gegen die drohende Abschaffung von Privilegien durch die spanische Krone.

Niemand ahnte 1568, welche Folgen dieser Kampf um Privilegien bekommen würde. Schon bald wurde er zu einem Glaubenskrieg, in den schließlich auch ausländische Mächte verwickelt waren. Der Achtzigjährige Krieg zog sich über Generationen hin. Er brachte nicht nur Leid und Zerstörung, sondern entließ die nördlichen Niederlande 1648 als Republik der Vereinigten Niederlande in die Unabhängigkeit von Spanien – in einer Zeit, in der in Europa absolutistische Herrscher regierten. Trotz des Konfliktes mit Spanien entwickelte sich diese Republik zu einer ökonomischen, kulturellen und militärischen Großmacht, in der die Freiheit der Wissenschaft und des Glaubens galten.

Philipp schickt Herzog Alba mit spanischen Truppen

Reformatorische Ideen aus dem Deutschen Reich finden ihren Weg in die niederländischen Gebiete. Doch Philipp II. lässt in seinem Herrschaftsbereich nur den katholischen Glauben gelten. Das wird nicht hingenommen: Antikatholische Anhänger von Johannes Calvin überfallen 1566 Mönche und plündern Kirchen, wie Druckgrafiken belegen. Daraufhin schickt Philipp Herzog Alba mit spanischen Truppen, der mit harter Hand die spanisch-katholische Ordnung durchzusetzen versucht. Der Konflikt läuft erst recht aus dem Ruder.

Auf den Terror der „spanischen Furie“, wie später ein anonymes Propagandagemälde aus Antwerpen heißen wird, reagieren wiederum die Protestanten. Ein Bürgerkrieg bricht aus, katholische Kirchen und Klöster werden jetzt erst recht geplündert, Heiligenbilder zerschlagen, unschätzbare Kulturgüter vernichtet. Die Menschen bekommen immer mehr das Gefühl, ihr König tue nichts für seine Untertanen, im Gegenteil. So kommt Wilhelm von Oranien ins Spiel, der sich 1568 als Statthalter des Königs an die Spitze des Aufstandes stellt.

Funde aus der Zeit des Bildersturms dauern bis heute an

Ein zerstörtes Relief des Judaskusses aus der Dorfkirche von Doorn (1510-1530) sowie ein teilzerstörtes Relief „Veronica mit dem Schweißtuch“ illustrieren in dem Themenraum „Chaos“ eindrücklich die Macht des Bildersturms. Die gut erhaltenen Skulpturenfragmente wurden vor zehn Jahren unter dem Holzfußboden der Kirche entdeckt.

Spott- und Propagandadrucke erleben eine Blütezeit, die Drucke und mit ihnen die Botschaften verbreiten sich schnell. Die Protestanten treffen sich jetzt im Freien zu ihren Gottesdiensten. Mit Planwagen und bewaffnete Männer schützen diese „Waldpredigten“, so auch der Titel von Pieter Breughels d.J. Gemälde. In einem Buch ist eine Zeichnung der brennenden Stadt Stavoren zu sehen, der spanische Gouverneur hatte sie zurückerobert. Diese Zeichnung zeigt die verheerenden Folgen für die Menschen auf beiden Seiten.

„Vertreibung“ heißt das nächste, folgerichtige Kapitel in der Geschichte des sich entwickelnden Bürgerkrieges. Wer es sich leisten konnte, floh über die Grenze ins Ausland und ließ sich dort nieder. Oft waren es erfolgreiche Geschäftsleute, dankbar zeigten für die freundliche Aufnahme etwa in Wesel. „Ich war ein Fremder und Ihr nahmt mich auf“, diese Worte von Jesus stehen auf einem prächtigen Pokal, den die niederländischen Flüchtlinge aus Dankbarkeit für die Aufnahme der Stadt Wesel schenkten.

In Köln entsteht 1575 der beeindruckende Stich „Seditio“. Während im Hintergrund Kirchen geplündert werden, steht im Vordergrund ein Wesen auf zwei Beinen, dessen doppelter Oberkörper sich bis aufs Blut bekämpfen – eine Warnung vor dem Bürgerkrieg, der sich noch verschlimmern sollte.

Eine Spirale der Gewalt beginnt

Ein zerstörtes Relief des Judaskusses aus der Dorfkirche von Doorn (1510-1530) illustriert die Macht des Bildersturms.
Ein zerstörtes Relief des Judaskusses aus der Dorfkirche von Doorn (1510-1530) illustriert die Macht des Bildersturms.

© Rijskmuseum Amsterdam

„Krieg“ ist der nächste Raum überschrieben, dessen Wände pechschwarz gehalten sind. Eine eindrucksvolle Inszenierung dessen, was sich in weiteren Spiralen der Gewalt fortsetzt. Der Norden setzt standardisierte Musketen aus Emden im Kampf ein. Eine reguläre Armee wird aufgebaut und bezahlt im Gegensatz zu den demoralisierten spanischen Truppen, die plündernd durchs Land ziehen und als Besatzer gesehen werden.

Die Malerei dieser Zeit dient meist propagandistischen Zwecken, etwa das Gemälde von Claes van Wiehringen, auf dem ein spanisches Schiff vor Gibraltar in die Luft fliegt. Der Krieg weitet sich aus, die Niederländer greifen spanische Schiffe an, wo sie sie treffen können. In der Schlacht von Nieuwpoort werden die Spanier besiegt, das Pferd von Albrecht von Österreich bekommt Moritz von Nassau geschenkt. Drei Jahre später wird es überlebensgroß als Triumphbild gemalt. Aber auch die Spanier feiern ihre Siege in großartigen Tapisserien wie etwa die Eroberung von Hulst. Jedes Kunstwerk dient der Propaganda oder der Selbstvergewisserung.

Der Norden und der Süden gehen zunehmend eigene Wege, was der Raum „Identität“ mit zwei unterschiedlichen Wandfarben demonstriert. Mit über 200 Kunstwerken und Objekten erzählt das Rijksmuseum diese wechselvolle komplizierte Geschichte, die sich bald auf die ganze damals bekannte Welt erstreckt. Mit der Gründung der Vereinigten Ostindischen Compagnie sind die Niederländer auf allen Weltmeeren unterwegs, greifen spanische Schiffe an und erbeuten Gold und Silber aus Südamerika.

Porträt von Wilhelm von Oranien von Michiel van Mierevelt, 1620-1624
Porträt von Wilhelm von Oranien von Michiel van Mierevelt, 1620-1624

© Museum Prinsenhof Delft

Eines der beeindruckendsten Kunstwerke ist Gerard ter Borchs „Soldat zu Pferde“ von 1634. Der einsame Reiter, der sich mühsam auf seinem Pferd hält und dem Betrachter den Rücken zukehrt, lässt viele Interpretationen zu. Keineswegs ist es aber das auftrumpfende Bild eines Siegers. Es reicht. So ist die Stimmung.

Der Prinsenhof Delft erzählt die Geschichte von "Wilhem von Oranien"

Endlich Frieden. Die prächtige Urkunde des Friedens von Münster 1648 beendet auch diesen Krieg und entlässt die Republik der Vereinigten Niederlande international anerkannt in die Unabhängigkeit, während der Süden unter spanischer Herrschaft bleibt. Geblieben ist ihnen aus dieser Zeit die Nationalhymne, der Wilhelmus, die wohl europäischste Hymne einer Nation. Da bekennt Wilhelm von Oranien auf Niederländisch, dass er von deutschem Blut sei und den König von Spanien immer geehrt habe – sprich, von einer Abspaltung von Spanien war zu Beginn des Aufstandes nie die Rede. Seine Geschichte erzählt die Ausstellung „Willem van Oranje is hier!“ im Museum Prinsenhof Delft.

Gerard ter Borchs „Soldat zu Pferde“ von 1634 zeigt alles andere als einen auftrumpfenden Krieger.
Gerard ter Borchs „Soldat zu Pferde“ von 1634 zeigt alles andere als einen auftrumpfenden Krieger.

© Boston, Museum of Fine Arts_ Juliana Cheney Edwards Collection

Mit zehn Hellebardieren flieht Wilhelm 1572 in die sichere Festungsstadt Delft, die sich dem Aufstand angeschlossen hatte. Aus dem St. Agatha-Kloster, nun der Prinsenhof, leitet er den Aufstand gegen Spanien. So ist das Gebäude das größte Exponat. Die Ausstellung zeigt aber nicht nur die Flucht Wilhelms und seine letzten Jahre, sondern auch die letzten Jahre des Klosterlebens. Maarten van Heemskercks „Beweinung von Christus“ (1566) wurde mit anderen Kunstwerken vor dem Bildersturm im gleichen Jahr gerettet und im Rathaus von Delft sicher verwahrt.

Zu den eindrucksvollen Exponaten gehört die von Wilhelm 1581 verfasste „Apologie“, die als Tapete vergrößert einen ganzen Raum einnimmt. Sie wird ein Bestseller in Europa, denn darin plädiert er für Glaubensfreiheit für beide Kirchen, ungewöhnlich für die Zeit. Philipp II. wird als Verräter und Mörder am eigenen Volk angeklagt.

Ein fanatischer Katholik ermordete den Prinzen

Eindrucksvoll ist die Inszenierung der Ermordung Wilhelms. Die Tatwaffe und eine Totenmaske Wilhelms sind ausgestellt, ebenso ein Druck seines Mörders, des fanatischen Katholiken Balthasar Gerards. Ein weiterer Druck zeigt dessen Hinrichtung in Delf. Wilhelms Söhne Moritz und Frederik Hendrik setzen den Krieg gegen Spanien fort. Am Ende des Krieges 1648 reisen die spanischen Gesandten von Münster über Antwerpen, wo sie einst gewütet hatten und nun festlich empfangen werden, zurück nach Spanien, Menschen, die einen Krieg beendeten, dessen Anfang sie nie erlebt hatten.

Rijksmuseum Amsterdam, bis 20. Januar. www.rijksmuseum.nl. Museum Prinsenhof Delft, bis 3.März. www.prinsenhof-delft.nl

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