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Christiane Putzich war diesen Winter nicht bei den Paralympics.

© Imago

Das Protokoll einer Daheimgebliebenen: Paralympics mit vielen besonderen Momenten

Die deutschen Rollstuhl-Curler hatten sich nicht für Peking qualifiziert. So blieb viel Zeit für Nationalspielerin Christiane Putzich, die Winterspiele intensiv zu verfolgen. Ihr Protokoll.

Von Max Fluder

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

Dienstag, 8. März

Trotz der widrigen Umstände vor Ort scheint die Stimmung doch recht gut zu sein. Auch dem Team D scheint es gutzugehen, das höre ich zumindest aus den Interviews raus. Besonders freue ich mich über die Silbermedaille von Linn Kazmaier – die ist mit 15 das erste Mal dabei und dann hat sie direkt so einen Erfolg. Und was mich außerhalb vom Team D extrem freut, ist, dass die ukrainischen Sportler da sind und dass sie ihre sportliche Leistung abrufen können, wofür sie so lange trainiert haben.

Richtig mitgefiebert habe ich beim Super-Kombi-Rennen von Anna-Lena Forster. Wie sie beim ersten Lauf als Vierte ins Ziel kam und dann diesen wahnsinnigen Slalomlauf raushaute, das war schon echt der Hammer! Auch Anja Wickers Bronzemedaille in Biathlon war toll, da hat sie es trotz Schießfehlern auf der Loipe noch rausgerissen.

Es gab bei diesen Paralympics schon viele besondere Momente. Für mich persönlich bedeutend war die Rede von Andrew Parsons bei der Eröffnungsfeier. Der Moment, wo er am Ende dieses wahnsinnig starke Statement gegeben, „Peace“ gerufen hat. Zusammen mit dem Einlauf der Ukrainer ist das ein ganz besonderer Moment gewesen. Auch dass unsere Sportler die Mütze beim Einlauf abgezogen haben, gehört dazu. Zu sehen, dass so viele Sportler ohne Mütze gekommen sind – ich denke, dieser Grad an Solidarität ist einfach super.

Ich freue mich aus alles, was jetzt noch kommt: auf coolen Sport und Mega-Leistungen. Was mich als Curling-Spielerin ein bisschen bedrückt, ist, dass man vom Curling so wenig mitbekommt. Es werden nur ein paar Spiele gezeigt, die Ergebnisse sehe ich online ein.

Normalerweise hätte ich heute im Büro gesessen und wäre heute Abend beim Curling-Training. Aber weil ich jetzt eine Zwangspause einlege, habe ich Zeit, die Spiele genauer zu verfolgen. Das erleichtert das alles auf jeden Fall.

Donnerstag, 10. März

Was mir aus den vergangenen Tagen in Erinnerung geblieben ist, ist auf jeden Fall die heiße Phase beim Curling. Da liegt mein Augenmerk drauf. Dass es zum Schluss doch nochmal rundging und die Slowakei, ein Team, mit dem ich nicht gerechnet hätte, in die Halbfinals eingezogen ist – das hat mich überrascht. Die anderen Halbfinalteams waren da erwartbarer. Die Schweden waren meine Geheimfavoriten, die haben eine extreme Entwicklung in den vergangenen Jahren gemacht. Die Chinesen sind ja amtierende Weltmeister und auch die Kanadier hatte ich im engeren Favoritenkreis. Mein Tipp ist: Im Finale heißt es Kanada gegen Schweden.

Ich habe mitbekommen, dass bei den Skifahrern einer schwer gestürzt, aber glücklicherweise nicht schwer verletzt ist. Der Grisu, Christoph Glötzner. Die alpinen Frauen, unter anderem die Monoski-Fahrerin Anna-Lena Forster, kommen ja erst noch. Da fiebert man noch ein bisschen mehr mit, wenn man wie ich selbst Monoski fährt. Man versucht natürlich, sich von den Profis was abzuschauen. Aber es ist halt leider so: Es sieht ganz anders aus, wenn man dann selbst drinsitzt.

Die Paralympics zu schauen macht immer wieder Spaß. Was ich jedes Mal faszinierend finde ist, wenn da Menschen mit Seheinschränkungen den Berg auf Alpin-Skiern runterfahren. Und dass Leute mit den verschiedensten Beeinträchtigungen – auch vom Schweregrad her – solche sportlichen Leistungen erbringen. Und man sieht ihnen allen an, wie glücklich sie das macht. So soll das bleiben.

Mehr Medaillen für das deutsche Team müssen es nicht unbedingt sein. Es geht darum, dass die Athleten mit ihrer Leistung, die sie erbringen konnten, zufrieden sind. Auch dann, wenn es ein blöder Platz vier ist, die Holzmedaille. Was aber wichtig ist: dass man junge Menschen nachkriegt, dass man die Nachwuchsarbeit vorantreibt. Ich glaube, es gibt keinen Wintersportbereich, der keine Nachwuchssorgen hat. Wenn es andere Nationen schon geschafft haben, viele junge Menschen zu integrieren und ihnen bei diesen Paralympics eine Bühne und die Chance gegeben haben, dann finde ich das gut.

Samstag, 12. März

Es war so viel los die vergangenen beiden Tage, sehr spannend. Das Curling-Finale – Schweden gegen China – war ein tolles Spiel. Es hätte am Anfang in die eine oder andere Richtung ausgehen können. Zum entscheidenden Zeitpunkt, direkt nach der Pause, da haben sich bei den Schweden leider die Fehler gehäuft. Bei einem Spiel gegen die Chinesen kann man sich sowas nicht erlauben. Ich wäre gerne dabei gewesen, das ist nochmal eine ganz andere Stimmung. Was ich aus diesem Wettbewerb mitnehme: dass bei den Profis jeder jeden schlagen kann.

Ich freue mich riesig für Anna-Lena Forster. Dass sie in ihrer Parade-Disziplin ihre Leistung super abrufen konnte, das finde ich gut. Einfach eine Mega-Leistung. Ich ziehe den Hut vor ihr. Sie hatte zwischendurch ja einen kleinen Durchhänger. Ich finde es großartig, wie sie sich nochmal motiviert hat. Andrea Rothfuss und ihrer Medaille bei den fünften Spielen kann man auch nur gratulieren. Ich glaube schon, dass man sich da viel Druck macht, wenn man auch bei diesen Spielen eine Medaille holen will. Dass die 15-jährige Linn Kazmaier Gold geholt hat, das setzt ein Zeichen. Ich glaube, das ist ein Ansporn für viele andere junge Menschen.

Auf eine weitere Medaille morgen am letzten Wettkampftag spekuliere ich jetzt nicht unbedingt. Ich hoffe aber, dass die Athleten sagen können: „Ich habe mein Bestes gegeben.“ In knappen sieben Tage werden all die Wettkämpfe gequetscht. Das ist für die Athleten - ohne Pause - schon heftig.

Von den nächsten Spielen erwarte ich bessere Umstände als die, die in China mitgeherrscht haben. Die haben den Sport in den Schatten gestellt. Und ich hoffe, dass wir auch wieder dabei sind und wir die deutschen Sledge-Hockey-Spieler sehen. Und dass bis dahin das Team D Paralympics weiterhin wächst. Die tollen Erfolge aus Peking müssen als Botschaft nach draußen gehen. Ich denke, dass die Rundumsituation in Cortina eine andere sein wird. Denn das ist ein Wintersportort. Ich denke, da wird wieder das olympische, wie auch paralympische Feeling wieder komplett da sein. 

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