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Hartmut Stinus bei den Ski-alpin-Wettbewerben.

© imago images/Mika Volkmann

Das Betreuerteam hinter den Medaillengewinnern: „Man ist 24/7 für die Mannschaft da“

Ohne sie wären die deutschen Erfolge bei den Paralympics vermutlich nicht möglich gewesen. Zwei Physiotherapeuten und ein Arzt berichten von ihren Spielen.

Von Max Fluder

An dieser Stelle berichtete das Team der Paralympics Zeitung, ein Projekt von Tagesspiegel und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Alle Texte zu den Spielen rund um Peking finden Sie hier. Aktuelles finden Sie auf den Social Media Kanälen der Paralympics Zeitung auf Twitter, Instagram und Facebook.

Wenn die deutschen Sportlerinnen und Sportler bei den Paralympics die Ski-Alpin-Pisten herunterrasen, dann blicken ihnen Menschen wie Rainer Schubert hinterher. Und wenn die Sportler gewinnen, dann freut sich Rainer Schubert mit ihnen. Denn ohne Schubert und seine Kollegen wäre der Erfolg vielleicht gar nicht erst möglich gewesen.  

Rainer Schubert ist einer der Physiotherapeuten bei den Paralympics – und bei den Deutschen, aber auch bei vielen anderen Nationen, sind sie es, die die Athletinnen und Athleten mit an den Start begleiten. Sie sind es, die ihnen helfen in den Ski einzusteigen und ihre Sachen tragen. Unten – am Ende der Abfahrt – nehmen dann in der Regel die Mannschaftsärzte die Athleten in Empfang. 

Hinter den Sportlerinnen und Sportlern stehen viele Menschen: Ärzte, Physiotherapeuten, Techniker und viele mehr. Sie bereiten die Grundlage für den sportlichen Erfolg, sind aber nicht im Fernsehen zu sehen oder in Interviews zu hören. Der Physiotherapeut Rainer Schubert, ein Arzt und die einzige Frau im Team hinter dem Team, eine Physiotherapeutin für die Ski-Nordisch-Sportler, darüber, was ihnen am Beruf zusagt, ob sie Stress empfinden – und an was sie sich gerne zurückerinnern. 

Rainer Schubert, Physiotherapeut 

„Von einem normalen Tagesablauf kann man schlecht reden“, sagt Rainer Schubert. Dafür sei jeder Tag zu unterschiedlich, zu abhängig vom Wetter, von den Pisten – und manchmal auch von Zufällen. Unfälle lassen sich nur bedingt vorhersagen. Eines aber lässt sich ganz grob festhalten: „Morgens ist man auf der Piste, abends in der Behandlung, so kann man das vereinfacht sagen.“ 

Der Alltag als Physiotherapeut ist lang, manchmal auch hektisch und nicht planbar. Aber eines ist er dann auch, sagt Schubert: belohnend. „Wenn man mit den Sportlern unterwegs ist, arbeitet man im Team zusammen. Man hat da einen fachlichen Austausch untereinander. Und ja, es macht natürlich auch einfach Spaß mit dem Team, mit den Athleten im Hintergrund zu arbeiten“, sagt er. Eine Aufgabenbeschreibung gibt es nicht wirklich, aber eine Mission, ein nicht ganz greifbares Ziel: „Die Leistung muss der Sportler liefern, unsere Aufgabe ist es, auch für Ruhe und Entspannung zu sorgen und der ruhende Pol zu sein“, sagt Schubert. 

Angestellt ist er beim Deutschen Behindertensportverband (DBS) als Honorarkraft. Für jeden Tag, den er für den DBS arbeitet, wird er bezahlt. Daheim in Deutschland hat er eine Praxis. Schubert sagt: „Da stellt sich die Frage, wie viel Sportbetreuung kann und will ich mir leisten. Denn wegen Geld macht das hier keiner. Das ist ein Profisport, aber kein Fußball.“ Zum DBS gefunden hat er über einen Kollegen, der jetzt immer noch beim DBS ist. Ein Ausbilder von ihm hatte das früher auch gemacht. Bei Sommerspielen betreut er auch die nicht-behinderten Leichtathleten. 

Die Paralympics in Peking sind Schuberts zweite Winterspiele. Woran er sich gerne zurückerinnert? „Wenn ich an die letzten Spiele denke, dann waren es die Medaillen, wo man sich einfach mitfreut“, sagt er. „Wo man sieht, dass es sich gelohnt und man als Team gut zusammengearbeitet hat. Aber das betrifft das ganze Team, das Team hinter dem Team.“ 

Alexandra Schade, Physiotherapeutin 

„Mein Ziel ist es, die Athletinnen und Athleten auf ihrem Weg bestmöglich zu begleiten“, sagt Alexandra Schade. Die Physiotherapeutin ist für den Para-Ski-Nordisch-Kader zuständig – und begleitet die Athletinnen und Athleten nun zum zweiten Mal zu den Paralympics. Damit hat sich Schade einen Wunsch erfüllt: im Team unterwegs zu sein, teilhaben an den Wettkämpfen, mitfiebern zu können. Sie nennt das eine „Wahnsinns-Bereicherung“. 

Wenn Schade von den Wettkämpfen spricht, dann ist ihre Stimme geradezu euphorisch. Das Gefühl dabei zu sein? Lässt sich kaum beschreiben, sagt sie: „Wenn man den Job hat, im Ziel zu stehen und das Rennen mitzuverfolgen, und man der Erste ist, der die Athleten beim Medaillengewinn empfangen und umarmen kann, ist das unbeschreiblich.“ Und danach geht es weiter mit dem gemeinsamen Freuen – ob jetzt eine Medaille oder eine gewünschte Platzierung. „Ganz gleich ob Trainer, Sportler, Techniker oder eben Physiotherapeut ist. Da gibt es keine Wertigkeiten, sondern ein großes Ganzes“, sagt Schade. 

Als Physiotherapeutin, sagt Schade, ist man nicht nur für das Körperliche da. Sondern auch für das Emotionale. „Da ist auch viel Zwischenmenschliches, was da passiert“, sagt sie. Und: „Aber es ist eben auch völlig in Ordnung dabei zu sein, um jemanden zu trösten, wenn es nicht gefunkt hat, den aufzufangen und zu umarmen. Die Athleten teilen das, was sie bewegt, und man darf da dabei sein.“ 

In ihrer Arbeit erlebt sie viel Dankbarkeit, sagt Schade. Seitens der Athleten, aber auch seitens der anderen Menschen im Team. Über die Zeit bauen sich da freundschaftliche Kontakte auf – und über einen Kontakt aus dem Para-Cycling ist Schade auch zu den Ski-Nordisch-Leuten gekommen. Schade hat früher selbst Leistungssport betrieben, Judo vor allem. Später hat sich die gelernte Masseurin zur Physiotherapeutin fortbilden lassen. Sie ist froh, dass sie mit in Peking sein kann, dankbar dafür. „Das ist ja wirklich wie eine kleine Familie, die da entsteht, wenn man so lange zusammen unterwegs ist“, sagt sie. 

Hartmut Stinus, Arzt 

Wenn Winter-Paralympics anstehen, dann kann es vorkommen, dass Hartmut Stinus viele Anrufe zu ungewöhnlichen Uhrzeiten bekommt. Stinus ist Mannschaftsarzt für die Para-Ski-Alpinisten. Und wenn große internationale Wettkämpfe wie die Paralympics anstehen, dann ist er für die Sportlerinnen und Sportler erreichbar. Zu jeder Zeit. Stinus sagt: „Man ist 24/7 für die Mannschaft da. Das Telefon ist Tag und Nacht an und wenn nachts ein Athlet Bauchschmerzen hat, dann geht man da auch ran.“ 

Das erste Mal war Stinus 1992 in Albertville dabei, die Spiele in Peking sind seine sechsten. Kaum jemand aus dem Betreuerstab hat so viele Paralympics miterlebt wie er. Freude bereitet es ihm immer noch. Auch weil er selbst gerne Ski fährt, Amateur-Skilehrer ist. „Skifahren macht mir selbst viel Spaß, ich finde aber auch viel Spaß in der Betreuung von Athleten“, sagt er. 

Als Arzt empfinde er viel Dankbarkeit, sagt Stinus. „Manche sagen es direkt. Die kommen und bedanken sich herzlich. Bei anderen hört man es über Dritte – übers Trainerteam.“ Aber er hat auch Verantwortung für das Team – manchmal auch ein wenig Stress. „Aber als Sportarzt muss man eine gewisse Stressresistenz haben. Die erlernt man durch Erfahrung“, sagt er.  

Besonders betont er das Gemeinschaftsgefühl im Team. Das sei, was eine medizinische Betreuung auch ausmache. Stinus sagt: „Als Arzt gewinnst du keine Medaille, aber du kannst helfen, dass es den Athleten gut geht, dass die Athleten frei sind.“ Die Stimmung auch im Betreuerstab, der Adrenalin und die Anspannung, das sei alles gleich wie bei den Sportlern: „Wenn die Rennen vorbei sind, fährt man erst mal wieder runter. Das ist wie ein Flow im Team.“ 

Stinus ist auch über Bekannte zum DBS gekommen. Ans Aufhören hat er – nach 30 Jahren Paralympics – hat er schon gedacht. Aber noch gibt es keinen Nachfolger. Und noch genießt es Stinus zu sehr. Vor allem die schönen Momente, wie der eine ganz besondere. 2010 in Vancouver. Gerd Schönfelder war gerade die Abfahrt heruntergefahren, Stinus konnte den Sportler unten in Empfang nehmen. In Deutschland war da gerade Schönfelders Kind auf die Welt gekommen. „Ich sagte nur: ‚Gerd, ruf mal zu Hause an.‘ So viel Gänsehaut war selten“, sagt Stinus.

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