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Brandenburg: V-Mann beschuldigt Verfassungsschutz

Toni S. gibt vor Gericht alles zu: Handel mit Hass-CDs geschah mit Wissen des Geheimdienstes

Von Frank Jansen

Berlin/Cottbus. Der ehemalige V-Mann Toni S. aus Cottbus hat in seinem Prozess vor dem Landgericht Berlin die Vorwürfe der Anklage bestätigt und den Brandenburger Verfassungsschutz belastet. Er hätte den Handel mit rechtsextremen CDs, Postern und Kleidungsstücken „niemals in so großem Stil aufgezogen, wenn die Potsdamer mir nicht Straffreiheit zugesichert hätten“, sagte der 28 Jahre alte Neonazi. Außerdem bestätigte S. nach einigem Hin und Her frühere Aussagen gegenüber der Berliner Polizei, wonach er vom Verfassungsschutz einen „jungfräulichen Computer“ erhalten habe, damit die Brandenburger Polizei bei einer drohenden Durchsuchung nicht seinen alten PC und die darauf gespeicherten Daten entdeckt.

Toni S. hatte, wie berichtet, von Sommer 2000 an für Brandenburgs Verfassungsschutz gespitzelt. Im Juli 2002 nahm ihn die Berliner Polizei fest. In der Anklage wird S. unter anderem vorgehalten, er habe 2800 Exemplare der Neonazi-CD „Noten des Hasses“ vertrieben, auf der zum Mord an Michel Friedman, Rita Süssmuth und Alfred Biolek aufgerufen wird. Außerdem habe er in einem Lagerraum zahlreiche Hass-CDs, Naziplakate und Sweatshirts mit Hakenkreuzen aufbewahrt. Der Verfassungsschutz bestreitet, von der Existenz des „ Bunkers“ gewusst zu haben. Toni S. sagte gestern jedoch, sein V-Mann-Führer sei informiert gewesen.

Einige Äußerungen klangen widersprüchlich. So sagte Toni S. zuerst, der V-Mann-Führer mit dem Decknamen „Dirk Bartok“ habe ihn nicht vor Durchsuchungen gewarnt. Auf Nachfragen von Staatsanwältin Mendrina äußerte S. das Gegenteil. Außerdem seien anhängige Strafverfahren eingestellt worden. Die ominöse Computergeschichte schilderte Toni S. so: Er habe dem V-Mann-Führer gesagt, der Polizei dürfe nicht der PC mit den Daten seiner Szene-Geschäfte in die Hände fallen. Daraufhin habe „Bartok“ einen „gesäuberten“ Computer geliefert. Diesen will Toni S. immer abends in seine Wohnung gestellt haben, „weil Durchsuchungen meistens nachts stattfinden“. Der alte Computer sei im Keller eines Nachbarn versteckt und morgens wieder installiert worden.

Die Zweite Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Hans-Jürgen Brüning interessierte sich in besonderem Maße für die Rolle des V-Mann-Führers mit dem Decknamen „Dirk Bartok“. Dieser hatte mit einem Kollegen Toni S. für Brandenburgs Verfassungsschutz angeworben. Die Beamten hätten ihn unter Druck gesetzt, sagte der Angeklagte. Wenn er ihnen keinen Gefallen tue, hätten sie das Wissen „um mich wirtschaftlich kaputt zu machen“, sagte der hektisch redende Toni S.. Er habe dann in die Zusammenarbeit eingewilligt und vom Verfassungsschutz ein Handy bekommen, dessen Nummer durch einen Sperrvermerk gesichert war.

Die Kammer ließ Telefonate vorspielen, die das Berliner Landeskriminalamt abgehört und aufgezeichnet hatte. In den Gesprächen berichtete Toni S. dem V-Mann-Führer, er fühle sich observiert. „Dirk Bartok“ sagte zu, sein Chef werde sich „in Berlin“ erkundigen. Der V-Mann-Führer ermahnte S., seine Wohnung „sauber zu halten“, da eine „miese Aktion“ der Polizei bevorstehen könnte.

Mehrere Male druckste Toni S. herum. Er verneinte jedoch, vom Brandenburger Landeskriminalamt unter Druck gesetzt worden zu sein. Beamte des LKA hatten S. am 1. November in der U-Haft besucht und angeblich „Schutzmaßnahmen“ für die Zeit nach dem Prozess zugesagt. Das Urteil wird am 11. November verkündet.

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