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Unfallfahrt

© Andreas Meyer

Tödlicher Verkehrsunfall: Rekonstruktion einer Todesfahrt

Im Oktober wurde am Potsdamer Platz ein Rentner überfahren. Nun haben Gutachter den Unfall nachgestellt.

Berlin - Der Verkehrsunfall am Potsdamer Platz, bei dem Mitte Oktober ein 77-jähriger Mann aus Zwickau getötet wurde, gibt der Polizei weiterhin Rätsel auf. Deshalb hat sie fast sieben Wochen nach dem tödlichen Unfall das Geschehen am Tatort nachstellen lassen. Ermittler hatten am späten Dienstagabend die Potsdamer Straße Ecke Varian-Fry-Straße vor dem Hotel Mandala teilweise abgesperrt. Am Straßenrand parkte der silbergraue BMW-Sportwagen, also der Unfallwagen, der nur einen Tag nach der Todesfahrt vom 18. Oktober in Tempelhof sichergestellt worden war, und ein Reisebus.

Um 21.40 Uhr gibt der Einsatzleiter den Start frei: Der Motor des BMW heult auf, mit wachsendem Tempo rollt das Auto die Straße entlang. An der Ampel zur Varian-Fry-Straße quietschen die Reifen – der 350-PS-Wagen stoppt abrupt. Die Straße wurde zuvor gesperrt. Am Steuer sitzt ein Gutachter, der im ersten Durchlauf Fahr- und Bremsverhalten des 100 000 Euro teuren BMW-Modells testet. Für die Rekonstruktion des Geschehens ist das Fahrzeug mit Videokameras und Messgeräten ausgestattet worden. Die Erkenntnisse könnten später einmal vor Gericht eine Rolle spielen, um die Aussagen des tatverdächtigen Fahrers zu widerlegen.

Rund 30 Beamte sind am Dienstagabend im Einsatz. Bei der Rekonstruktion stützen sich die Ermittler unter anderem auf die Zeugenaussagen und detaillierte Unfallskizzen. Zeugen der Todesfahrt im Oktober sind nicht noch einmal zum Unfallort gebeten worden: „Das hätte man den Leuten auch gar nicht zumuten können“, sagt ein Ermittler.

Wie berichtet, war das Cabrio an jenem 18. Oktober, einem Sonnabend, gegen 21.15 Uhr mit schätzungsweise Tempo 70 die Potsdamer Straße entlanggefahren – erlaubt sind 30 km/h. Der Fahrer fuhr offenbar bei rotem Ampellicht über die Kreuzung und erfasste dabei den 77-jährigen Touristen, der die Straße überquerte. Der Fahrer flüchtete, ohne sich um den Verletzten zu kümmern. Der Rentner starb noch am Unfallort. Seine Frau kam mit einem Schock in eine Klinik.

Bei der Rekonstruktion am Dienstagabend hat ein Gutachter das spätere Unfallopfer dargestellt. Er trägt ähnliche Kleidung – dunkle Jacke, beige Hose – wie das Unfallopfer. Um aus der Perspektive des Fußgängers zu filmen, hat der Gutachter ein Stirnband übergestreift, an dem eine Kamera montiert ist.

Bei einem der Durchläufe wollen die Ermittler herausfinden, ob der Fahrer den Fußgänger an der Ampel hätte sehen können – und umgekehrt. Wieder braust der Sportwagen heran, schert kurz vor der Ampel nach rechts aus, vor ihm steht ein Reisebus, er wechselt wieder auf die linke Spur und rast dann über die Kreuzung – in diesem Fall dicht vorbei an dem Fußgänger. Die Ergebnisse werden von den Spezialisten in den nächsten Tagen ausgewertet.

Den Halter des BMW hatte die Polizei kurz nach der Tat ausfindig gemacht: ein 41-Jähriger aus Neukölln, der Hartz IV und Invalidenrente bezieht. Doch er konnte glaubhaft machen, dass er zur fraglichen Zeit das Auto an seinen Freund Murat S. (Name geändert) verliehen hatte.

Aber auch der 25-jährige Murat S., der zu einer libanesischen Großfamilie gehört, versicherte gegenüber der Polizei, dass er beim Unfall nicht am Steuer gesessen habe. Er habe das Auto an einen Verwandten verliehen – dessen Namen muss er laut Gesetz aber nicht nennen. Es liegt also an den Ermittlern der Polizei, dem Tatverdächtigen die Todesfahrt nachzuweisen.

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