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Berlin klingt nach Musik - ganz gleich ob auf einer Straße in Kreuzberg oder in der Philharmonie.

© dpa

Blog zum Musikfest (1): Eine besondere Zeit

Bald klingt die ganze Stadt: Das Musikfest Berlin bietet anspruchsvolle Musik, großartige Orchester, kompakt in 20 Tagen zusammengestellt. Aber was ist das überhaupt, ein Musik-Fest oder ein Festival?

Festival dürfte man das Programm eigentlich gar nicht nennen, das Winrich Hopp für das Berliner Musikfest zusammengebraut hat: keine Konzerte in Scheunen oder Kirchen, kein Open-Air-Event und nicht einmal ein Education-Programm. Sondern durchaus schwierige Musik pur in ganz traditioneller Darreichung, mit den besten Orchestern der Welt in kompakten 20 Tagen zusammengestellt. Ein Fest eben. Aber was ist das überhaupt, ein Musik-Fest oder auch ein Festival?

503 Festivals sind in der Statistik des Deutschen Musikrats gelistet - mit dem Hinweis, dass dieses nur eine sehr unvollständige Liste sei. So spricht man von „Festivalitis“ als wäre das eine Krankheit, und in der Tat muss wohl nicht jedes Dorf sein eigenes Festival haben. Denn dann wird das Besondere wieder zum Normalfall. Im Wort „Festival“ schwingt für mich doch eher das Populäre mit, das Event und auch das „Drumherum“ – all dieses ohne Wertung -, während im Wort Fest mehr etwas Feierliches, Konzentriertes und bisweilen auch Ernstes mitklingt. Das mag eine ganz subjektive Interpretation des Wortes sein, aber sie hilft vielleicht zur Klarstellung.

Kunst als „Spiel, Symbol und Fest“ überschreibt der Philosoph Hans Georg Gadamer seine Schrift „Die Aktualität des Schönen“ und erläutert dort die enge Verwandtschaft von Kunst und Fest. Ein Fest – ein Familienfest, ein religiöser Festtag – hebt sich aus dem Alltag dadurch ab, dass es eine besondere Gemeinsamkeit herstellt, und dass die Zeit eines Festes eine besondere und in besonderem Maße „erfüllte Zeit“ sei. So ist die Beziehung zwischen Kunst und Musikfest eine doppelte: Selbstverständlich werden bei einem Musikfest Kunstwerke aufgeführt oder gezeigt. Und man kann umgekehrt ein Fest als eine Ausdehnung eines Kunstwerks verstehen, ja als ein „Gesamtkunstwerk“ - als eine gestaltete Zeit jenseits des Alltags, die Menschen besondere Erfahrungen und Erlebnisse ermöglicht.

Das Besondere am Musikfest Berlin nun ist, dass es diese besondere und erfüllte Zeit gleich an den Beginn der Konzertsaison setzt, gleich zu Beginn eine Bündelung der musikalischen Kräfte der Stadt mit ganz klaren und besonderen musikimmanenten Bezugspunkten. Zu den Berliner Orchestern kommt ein eindrucksvoller Reigen internationaler Gastorchester, die schon aus finanziell-strukturellen Gründen sonst nicht in Berlin spielen können. So beginnt der Berliner Konzertherbst mit einem 20tägigen Höhepunkt, setzt Maßstäbe und gibt da, wo nach hoffentlich erholsamer Sommerzeit wieder eine große Aufnahmebereitschaft vorhanden ist, gleich eine konzentrierte „Dröhnung“ anspruchsvoller Orchestermusik.

Andreas Richter.
Andreas Richter.

© Mike Wolff

Am besten nehmen Sie die nächsten zweieinhalb Wochen Urlaub und gehen allabendlich ins Konzert, um sich berauschen und herausfordern zu lassen. Ich werde das dieses Jahr versuchen – und man verzeihe mir den einen oder anderen „freien“ Abend – und eine besondere Zeit, ja einen Selbsterfahrungskurs mit Bartok, Britten, Lutoslawski und Janacek verbringen. Und freue mich auf Ihre Erfahrungen, Kommentare und Widersprüche. In diesem Sinne von nun an täglich,

Ihr Andreas Richter

Andreas Richter

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