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An der Südostecke des Platzes, in der Bergmannstraße 39-50, sind vier aneinander angrenzende Friedhöfe zu finden: Dreifaltigkeitskirchhof, Friedrich-Werder-Kirchhof, Kirchhof Jerusalem und Neue Kirche sowie Kirchhof der Luisenstädtischen Gemeinde.

© imago

"Mein erstes Kreuzberg-Erlebnis" (2): Am Grab meiner Großeltern

Die Familie unserer Autorin hat ihre Wurzeln im Bergmannkiez, lange lebten Mutter und Großeltern dort. Als Kind verbrachte sie deshalb ebenfalls viel Zeit zwischen Bergmannstraße und Co. - oft auch auf dem Friedhof.

Kreuzberg, das war für mich immer nur der Bergmannkiez. Das war das Kreuzberg, wo meine Mutter aufgewachsen ist, dort, wo meine Großeltern begraben liegen. Und da meine Großeltern schon sehr früh starben, fuhren wir leider nie zum Kaffeetrinken in den Bergmannkiez, sondern meist zum Friedhof, ob am Sterbetag oder zum Geburtstag. Ich erinnere mich sehr gut an den Dreifaltigkeitsfriedhof: An seine breite Allee, die großen schattenwerfenden Bäume und das wildwachsende Gras zwischen den Gräbern. Im Sommer pflanzten wir Stiefmütterchen oder Eisbegonien; im Winter Silberblatt. Meine Großeltern, die einst genau gegenüber dem Friedhof gewohnt hatten, das waren immer nur goldeingravierte Namen auf einem roten Granitstein.

Als Kind gab es kaum einen langweiligeren Ort, denn Spielen war hier natürlich verboten. Und doch faszinierte mich dieser Ort. Die prächtigen Mausoleen, diese imposanten Ruhestätten, die mich an Pyramiden erinnerten. Ehrfürchtig stand ich immer wieder vor einem Familiengrab, an dem die Namen von vier Kindern standen. Selbst noch ein Kind, war es für mich einfach unvorstellbar, dass so viele Kinder in einer Familie hatten sterben können.

Nachdem das Unkraut gezupft und die neuen Pflanzen ihr Plätzchen bekommen hatten, ging es zum Glück immer noch auf den Spielplatz ganz in der Nähe. Oder ins Restaurant „Herz“ in der Marheinekehalle, wo es gutbürgerliche Küche gab, oder in eine Pizzeria am Südstern.

Die Bloggerin: Carmen Schucker.
Die Bloggerin: Carmen Schucker.

© privat

Es dauerte ein paar Jahre, dann fuhr ich wieder in den Bergmannkiez. Doch diesmal waren es die Cafés und Läden – oder das Bergmannstraßenfest, die lockten. Ich dachte immer: „Was hatte meine Mutter für ein Glück, hier aufzuwachsen.“ Und ich wusste: Meine erste eigene Wohnung, die soll im Bergmannkiez sein. Jahre später erfüllte ich mir diesen Wunsch. Auf dem Friedhof meiner Großeltern kann man mittlerweile Kaffee trinken gehen. Im hinteren Teil des Friedhofes liegt ziemlich einsam und verlassen immer noch ihr Grab. Die goldene Schrift ist etwas verblasst und die Nachbargräber sind zum größten Teil verschwunden. Ein riesiger Erdhügel türmt sich dahinter, Efeu schmückt nun ihr Grab. Was, denke ich manchmal, hätten sie wohl davon gehalten, dass nun ihre Enkeltochter um die Ecke wohnt?

Der erste Kuss auf dem Kreuzberg, die erste eigene Wohnung oder ein unvergesslicher Kreuzberg-Tag: Die Kreuzberger Kieze sind voller erster Erinnerungen. In unserer Rubrik "Mein erstes Kreuzberg-Erlebnis" zeichnen unsere Autoren ihre persönlichen Erinnerungen für den Kreuzberg Blog auf. Haben Sie auch eine tolle Geschichte zu erzählen? Dann machen Sie mit und schicken Sie uns Ihr erstes Kreuzberg-Erlebnis an kreuzberg@tagesspiegel.de

Dieser Artikel erscheint im Kreuzberg Blog, dem hyperlokalen Online-Magazin des Tagesspiegels.

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