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Helmut Kohl. In Westdeutschland kannte eine ganze Generation lange keinen anderen Kanzler.

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CDU-Ikone: Im Zentrum: Helmut Kohl

Eine ganze Generation kannte lange keinen anderen Kanzler als ihn - Helmut Kohl siegte immer wieder. Er schaffte vieles und verschliss vieles, auch die Union. Wenn er heute die Fraktion besucht, ist er für viele da wie eine Ikone. Wie groß ist die Distanz zu seiner Partei?

Es ist sehr einfach, ihn nicht zu mögen. Es ist sehr einfach, sich über ihn zu erheben. Das war es immer. Jedenfalls, als er das Amt des Kanzlers innehatte. War nicht schon seine Sprachfärbung provinziell? War er nicht überhaupt, in Person, ganz und gar Provinz? Helmut Kohl, der deutsche Kanzler, der länger als der „Eiserne“ amtierte, 16 lange Jahre, hatte anfangs in Bonn wenige Freunde und zum Schluss, als die Republik sich auf den Weg nach Berlin machte, noch weniger. Ein Bonmot? Eine traurige Wahrheit. Doch nicht die ganze.

30 Jahre ist es her, dass er Helmut Schmidt ablöste. 30 Jahre, in denen sich so viel verändert hat, Revolutionen sich ereigneten, auch in Deutschland, eine politische und etliche wirtschaftliche. Allein schon die Privatisierungen, die stattfanden, aberhunderte, und zwar von großen Unternehmen, die das Land bestimmten. Wenn heute und die gesamte Woche über Kohls Wirken im Fernsehen Revue passiert – dann hat das, wenn es Privatsender sind, auch mit ihm zu tun. Wenn zugleich in den Nachrichten über den Wert des sogenannten demografischen Faktors bei der Rentenberechnung gesprochen wird, dann ist das auch eine kleine Rückkehr zu Kohl. Und wenn Frauen mehr Beteiligung am Sagen und am Sein fordern, dann erinnert das an – ja, auch an Kohl und seine Philippika in den 80ern gegen die „Bonzen“, gegen die „Paschas“, die vom Thron gestoßen werden müssten, wie es seinerzeit in der CDU hieß.

Der Oberpascha ist längst vom Thron gestoßen. Er hat so viele Fehler gemacht, so viele Menschen verletzt, verdrängt, besiegt, und er weiß das alles selbst. Manches tut ihm sogar leid, wer seine Bücher liest, liest auch das. Nicht dass er es im Nachhinein anders machen oder ändern wollte – aber das Bild von sich, das würde er nur zu gern ändern. Als einmal Walter Kempowski mit einer Gruppe von Schriftstellern bei ihm zu Abend gegessen hatte, belustigte sich Kohl später, wie sich mancher gewundert habe, dass er lesen könne. Tatsache war, dass er genau das nie lustig fand und darum umgekehrt diejenigen, die ihm „intellektuell“ kamen, vorzuführen versuchte, vornehmlich mit historischer Bildung. Und er schickte sich an, das Bild Deutschlands zu prägen wie weiland die französischen Staatspräsidenten das ihres Landes. Die Nationalbibliothek in Frankfurt, die Neue Wache in Berlin, das „Band des Bundes“, Kohl nahm an vielem mehr als nur Anteil.

Helmut Kohl: Stationen einer Karriere in Bildern

Eine ganze Generation derer aus dem Westen, die heute im Amt mit Bürden ist, kannte lange keinen anderen Kanzler als ihn. Er siegte doch immer wieder. Er schaffte vieles und verschliss vieles, in der Politik die Opposition, seine Partei, zum Schluss war die deutsche Begabung zum Aufbruch fadenscheinig wie ein abgewetzter Teppich, auf dem er auf und ab lief. Der zehnte „gute Grund“ der SPD, für Gerhard Schröder zu werben, hieß 1998 Helmut Kohl.

Dennoch ist er einer der wenigen Großen, die der Union bleiben. Adenauer. Erhard schon weniger. Kiesinger? Wer kennt ihn noch. Strauß’ Name ist inzwischen selbst in der CSU verblasst. Nein, Kohl. Und Schäuble. Aber das ist eine andere „Gechichte“. Je länger die große Zeit Vergangenheit ist, desto mehr rückversichert sich die CDU, um sich für die Zukunft ihrer selbst zu vergewissern; sich gewissermaßen noch zu spüren, zu merken, dass es sie, die geschichtlich aus dem Zentrum stammt, noch gibt. Komme, was wolle. Kohl ist da wie eine Ikone, hervorgeholt zur Feier. Betrachtet wird sie, angebetet nicht. Dazu ist es auch zu einfach, ihn nicht zu mögen.

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