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Berliner Gourmet-Popcorn: Der große Knall

Ein bisschen Mais, etwas Salz und Butteraroma: Mehr braucht ordentliches Popcorn eigentlich nicht. Oder doch?

Es beginnt mit einem leichten Knacken, fast wie beim Biss auf eine Nuss, nur mit viel geringerem Widerstand und weniger Wucht. Dann ein sehr leises Krachen, als ob ein sehr, sehr kleines Haus von einer sehr kleinen Dampfwalze zermahlen wird. Dann ein zunehmend zäher werdendes Knautschen wie bei einem zu alten, zu trockenen Kaugummi - während gleichzeitig nach und nach das Aroma in den Mund stolpert: Salz! Butter! Zucker! Boom! Und das alles passiert innerhalb von Minuten immer und immer wieder - bis die Tüte mit dem Popcorn leer ist, meist schneller als gedacht.

Popcorn, dessen deutscher Name "Puffmais" viel zu selten genutzt wird, ist seit gut hundert Jahren der Snack zum Kino überhaupt. Popcorn ist in der Herstellung billig und im Geschmack meistens nicht sonderlich überraschend, aber es wäre ein großer Fehler, Popcorn deswegen auch als billig und langweilig abzutun. Wenn man nämlich ein einzelnes Popcorn-Korn nimmt und ganz genau ansieht, weiß man im Grunde schon, wie das mit der Hitze, dem Öl und dem Mais funktioniert. Jedes Korn eine kleine Explosion, jedes Korn eine kleine Plastik und ein Denkmal der Thermodynamik.

Thai-Curry, Zitrone-Zimt-Sahne, Piña Colada

Popcorn war die längste Zeit ein Snack gewordener Radio-Hit: meistens wahnsinnig süß, in der Produktion wunderbar billig und innerlich vollkommen leer. Und genau das war das Tolle an Popcorn, eben dass es so wunderbar quatschig, unter Nährstoffgesichtspunkten vollkommen sinnlos und schlichter, reiner amerikanischer Fun war. Ja - war.

Denn seit einiger Zeit ist Popcorn ein Trendsnack, produziert von Manufakturen mit niedlichen Namen und allerlei aufregenden Geschmacksrichtungen: Kurkuma und Zitrone, Thai Curry und geröstete Erdnüsse, Zitrone-Zimt-Sahne oder Piña Colada oder - die Verbindung der beiden großen Klassiker - süß und salzig in einem.

Die Idee ist natürlich klar: Ausgerechnet das einst so prollige und billige Popcorn soll weg von der Nebenrolle im Kinosaal und auf die Couchtische neben die Rotweinflasche. Oder als Nachtisch und Schlussakkord nach dem aufwändig gekochten Abendessen serviert werden.

Um zu verstehen, wie das passieren konnte, muss man im Grunde nur zwei Dinge wissen:

1. Essen, das sich auch nur im Entferntesten mit den Inkas oder halt Südamerika in Verbindung bringen lässt (Ceviche, Quinoa, Chia), ist seit einigen Jahren wahnsinnig angesagt - auch weil diese Getreide- und Körnersorten im Gegensatz zu Kartoffel und Zucker als irgendwie rein und edel und besonders vornehm und vernünftig gelten. So edel sogar, dass in den ersten Burgerläden Chili-Popcorn quasi als Light-Version von Pommes angeboten werden.

2. gibt es zwei sehr unterschiedliche Sorten von Popcorn, die unterschiedlich aussehen und sich unterschiedlich verarbeiten lassen. Von herkömmlichem Kino-Popcorn unterscheidet die neuen, aufregenden Szenen meist nicht nur das Geschmackssortiment, das auf der Absurditätsskala irgendwo zwischen Chips-Variationen und Neuköllner Eisdiele rangiert, sondern oft auch die Wahl des Puffmaises. Anders als den Kinobetreibern geht es den Manufakturen ja nicht darum, möglichst schnell und günstig Masse zu produzieren um ihren Umsatz aufzustocken. Sondern tatsächlich um Geschmack und Distinktionsgewinn.

Eine klitzekleine Atombombe

an sieht es dem Popcorn bei genauerer Betrachtung schon an: Während klassisches Popcorn, Fachbegriff: Butterfly-Popcorn, eben wie ein Schmetterling aussieht, dafür brüchiger, aber auch weicher ist, explodiert Mushroom-Popcorn, das erst seit 1998 überhaupt sortenrein produzierbar ist, eher wie eine klitzekleine Atombombe, zu einem schönen, runden Pilz. Durch die stabilere und rundere Form lässt sich Mushroom-Popcorn karamellisieren und kuvertieren, was geschmacklich viel mehr Möglichkeiten verschafft als das etwas brüchigere Butterfly-Popcorn, das in der Regel mit Pulvern - Chili, Kurkuma, Dill oder Zitronengras - gewürzt wird.

Auch wenn das wunderschöne Mushroom-Popcorn oft vegan und glutenfrei und ohne künstliche Aroma- und Konservierungsstoffe auskommt: So leicht und vernünftig, wie sich der mit wunderbar leichtem Popcorn komplett vollgestopfte Mund anfühlt, ist er leider gar nicht. Wenn man die wunderschönen, optisch und sprachlich ansprechenden Tüten der neuen Popcorn-Manufakturen umdreht, stellt man fest: Das Zeug hat fast genauso viele Kalorien wie Kartoffelchips.

Berliner Popstars

Zimt von Peppycorn: in Bio-Kokosöl gewendetes, mit Zimt und Roh-Rohrzucker gewürztes Butterfly-Popcorn. Ideales Topping für Eis, mit dezenter weihnachtlicher Note.

Midsommar von Wildcorn: mit Dill und Zitronengras gewürztes Butterfly-Popcorn, das nicht frisiert wurde und wie ein leichter Frühlingsdrink schmeckt. Passt aber auch perfekt zu leichtem Bier.

Lakritz von Meister Petz: klassisches Butterfly-Popcorn mit überraschender Geschmacksnote. Ist das süß? Salzig? Passt schön zu einem Filmabend auf der heimischen Couch.

Very Merry Himbeery von Popcorn Bakery: knallrotes Mushroom-Popcorn mit dem Geschmack von getrockneten Himbeerflocken. Schmeckt wie ein Best-of aus Himbeereis und Popcorn. Ein Snack wie die Restwärme des Spätsommers.

Thai Curry und geröstete Erdnüsse von Popcornkonditorei Knalle Dunkeloranges Mushroom-Popcorn mit vielen Erdnussstückchen - schmeckt wie im indischen Restaurant und macht auch überraschend satt. Ideal zu Rotwein.

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