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Laurent Hermann Progin zeigt seine Entwürfe gern in der freien Natur.

© Anna Rumpold

Berliner Fashion Week: Frischluft in Kretschmers Modekosmos

Guido Maria Kretschmer präsentiert auf der Modewoche seinen Protegé Laurent Hermann Progin. Gefunden hat er ihn in einer Casting-Show.

„Guido, Guido!“ Die Fotografen und Fans können sich kaum beruhigen. Endlich ist er da! Es sind nur noch wenige Stunden bis zu Guido Maria Kretschmers Mega-Show, die er zusammen mit dem Otto-Versand präsentiert. Trotzdem ist er so knuffig und entspannt, wie man ihn aus dem TV-Format „Shopping-Queen“ und aus seinem Personality-Magazin „Guido“ kennt. Er steht vor dem E-Werk zwischen den Schaufensterpuppen des neuen Outdoor-Showrooms der Fashion Week. Für die Fotografen schmiegt er sich an die gesichtslosen Figuren, herzt und küsst sie. Dabei reißt er beiläufig hier einen losen Faden ab, streicht dort eine Naht glatt. Ein alter Hase.

Irritierenderweise sind es aber gar nicht seine eigenen Kreationen, mit denen er sich präsentiert. „Guido, hierher!“ Kretschmer wechselt die Puppe und zieht die Rüschen einer Seidenbluse straff. Im Hintergrund wartet lächelnd mit schweizerischer Höflichkeit Laurent Hermann Progin. Er beobachtet, lernt. Dafür ist er hier, dafür hat er gearbeitet. Der in Basel und bei Jean Paul Gaultier ausgebildete Jungdesigner hat in der Casting-Show „Guidos Masterclass“ um 50 000 Euro und eine einjährige Mentorschaft des Promi-Designers gekämpft, er arbeitet bereits seit einem halben Jahr in Kretschmers Team.

Ernst oder Persiflage?

Jetzt darf Progin, unterstützt und finanziert von Kretschmer, fünf Teile aus seiner eigenen Kollektion „La fribourgeoise“ zeigen, an der er parallel arbeitet. Sie baut auf dem Motto des Wettbewerb-Finales „Express yourself“ auf, für das er sich von seiner westschweizerischen Heimat hat inspirieren lassen, von Trachten und Bräuchen. Aus der gestärkten weißen Schürze der Alltagstracht wurde ein Abendkleid aus schwerer Seide, der Rock zur Gewinnerbluse mit gefälteltem Rüschenkragen ist aus Scherenschittmotiven von Progins Heimatkanton Freiburg sowie Appenzeller Karostoff gefertigt. Einen schönen Kontrast bildet der braune Mantel aus alten Wolldecken, für den er mit der hellen und der dunkleren Seite spielt. Progins Kollektion ist eine sensible Erkundung seines Heimatgefühls aus der Perspektive seiner neuen Heimat Berlin. Sollte ihm das Podium nicht allein gehören?

Wir trafen uns in einem Garten. Laurent Hermann Progin und Guido Maria Kretschmer.
Wir trafen uns in einem Garten. Laurent Hermann Progin und Guido Maria Kretschmer.

© Privat

Guido Maria Kretschmers neue Kollektion „Rue du Coeur“ hingegen ist eine Reise in die Träume und ins Belohnungszentrum seiner Fans und Kundinnen. Im Orientexpress geht es, mit Baskenmütze und in den Farben der Trikolore, gen Istanbul. Zu den bewährten Schnitten, die Kurven umschmeicheln und Pölsterchen kaschieren, kommen Pailletten und Glitzerstoffe in Edelsteinfarben, bis einem ganz schwindelig wird. Außerdem prangen neben Herzen in allen Größen die Initialen GMK auf etlichen Entwürfen. Schließlich ist jede Kollektion inzwischen auch Fan-Merchandising. Ob das ernstgemeint und kommerziell gedacht ist oder den Guido-Kult persiflieren soll, ist nicht immer ganz klar. Aber Progin, der für Witz in der Mode plädiert, erklärt, dass das eben der Punkt sei, in dem er sich gestalterisch mit Kretschmer treffe.

Kretschmer zeigt seine väterliche Seite

Das Mentorenmodell ist natürlich ein Geschäft, wenn auch ein sehr herzliches und offensichtlich über die TV-Schau hinaus ernstgemeint. Kretschmer weiß, dass er als TV-Personality seinem Publikum immer neue Seiten bieten muss. Seine Mentorschaft ermöglicht es ihm, eine neue, väterliche Seite zu zeigen. Im Gegenzug ist der Umgang mit den avantgardistischen Entwürfen von Laurent Hermann Progin wie Frischluft für Kretschmers etwas abgestandenen Modekosmos. Bis das ausgereizt und jede Lektion gelernt ist, wird es wohl keinen Laurent ohne Guido geben.

Nach der Kretschmer-Show wirft eine Böe Laurents Open-air-Präsentation um. Eine der Puppen, die Kretschmer vorher umarmt hatte, verliert ihren Kopf. Nun wird die elegante Installation mit schweren Steinplatten gesichert – hartes Berliner Pflaster. Laurent Hermann Progin hat keine Zeit, sich darum zu kümmern. Er ist noch hinter Kretschmers Kulissen beschäftigt, gefeiert wird später.

Ingolf Patz

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