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Alltag im Görli. Bei einem der letzten Großeinsätze wurden 20 Verfahren wegen Drogen eingeleitet.

© Paul Zinken/dpa

Zwischen Dealern und Kita-Kindern: Wie Anwohner den Görlitzer Park sicherer machen wollen

Mehr Familien, mehr Leben: So, glaubt der Parkrat-Sprecher, könnte man Drogenhandel und Gewalt im Görlitzer Park eindämmen. Ein Ortstermin.

Der flackernde Blick spielt eine Rolle, die aufgeplatzte, blutverkrustete rechte Augenbraue auch. Dazu kommt noch das unverständliche Gebrüll, genug Alarmzeichen jedenfalls, dass Lorenz Rollhäuser stehen bleibt. Der lädierte Nordafrikaner hatte sich von hinten genähert, jetzt überholt er Rollhäuser, bleibt stehen, zieht sein Sweatshirt hoch und zeigt auf seinen Bauch. Er ist etwa 25 Jahre alt.

Rollhäuser ist 66 Jahre alt, er braucht keine Situation, die brenzlig werden könnte. Er muss nicht testen, ob einer möglicherweise im Drogennebel ein Messer zieht. Also sagt er: „Bleiben wir stehen, ich möchte Abstand halten.“ Das ergibt Sinn. „Denn hier“, sagt Rollhäuser, „ist schwieriges Gebiet. Hier ist das Betriebsgelände der Nordafrikaner. Hier gibt es Revierstreitigkeiten, hier ist man schnell gewaltbereit.“ 50 Meter weiter liegt ein Eingang zum Görlitzer Park, dahinter rauscht der Verkehr auf der Skalitzer Straße.

"Es gibt zeitnah keine zufriedenstellende Lösung"

Rollhäuser ist Sprecher des Parkrats, Stimme genervter oder engagierter Anwohner des Areals. Er kennt alle Winkel und Probleme des Parks. Er ist der Mann, der sagt: „Es gibt zeitnah keine zufriedenstellende Lösung. Und eine perfekte sowieso nicht.“ Der Parkrat kann nur empfehlen und auf Probleme hinweisen.

Es ist ein Wochentag, 11 Uhr, der Park liegt friedlich im Sonnenlicht, ein Mann mit zerrissener Jeans tastet mit einem Holzstock wie mit einer Wünschelrute übers Gras. „Er sucht nach Münzen, die Leute verloren haben“, sagt Rollhäuser.

Die Szene gehört zum friedlichen, entspannten Teil der Park-Atmosphäre. Sie gehört dazu wie der Jogger in der schwarzen Hose und die Kitagruppe mit den lachenden Kindern, die vorbeizieht. Der andere Teil besteht aus den Dealern und den Männern, die nicht dealen, aber trotzdem bedrohlich wirken. Rollhäuser kennt eine Frau, die ihm gesagt hat: „Ich gehe nicht mehr in der Park, so lange die Afrikaner da sind.“

Anwohner und Parkrat-Sprecher Lorenz Rollhäuser.
Anwohner und Parkrat-Sprecher Lorenz Rollhäuser.

© Frank Bachner

Nur: Was ist eine bedrohliche Situation? Für Rollhäuser ist es eine Frage des persönlichen Empfindens. „Hier stehen halt nur Männer. Schon klar, dass sich eine Frau unwohl fühlt, wenn sie von 100 Männern gecheckt wird.“ Monika Herrmann, die Grünen-Politikerin und Bezirksbürgermeisterin, die vor einer Woche noch Dealer verteidigt hatte, hat nun zugegeben, dass sie als Frau nachts durch keinen Park geht. „Es ist schade für jeden, der sich nachts nicht in einen Park traut“, sagt Rollhäuser. „Andererseits war dieser Park schon ein schwieriges Gebiet, bevor hier gedealt wurde.“

Die Guineer handeln, die Deutschen kaufen

Seit Jahresbeginn hat die Polizei im Görlitzer Park 264 Einsätze durchgeführt, allerdings nicht nur im Zusammenhang mit Drogendelikten. 2100 Personen hat die Polizei kontrolliert. Bei einem Einsatz am 6. September wurden 20 Verfahren wegen Drogen eingeleitet. Bei Kontrollen seit Jahresbeginn hatten 52 Tatverdächtige im Zusammenhang mit Drogenhandel Guineas Staatsangehörigkeit. Nach der Nationalität weist die Statistik sie seit 2014 als größte Tätergruppe beim Handel aus. Beim Erwerb beziehungsweise Besitz führen Menschen mit deutschem Pass seit 2014 die Liste der Tatverdächtigen an.

Am Eingang zur Görlitzer Straße, direkt neben dem alten, vollgesprayten Schuppen, steht seit ein paar Wochen ein mobiler Drahtzaun, auch der Parkrat hatte den Aufbau empfohlen. Der Zaun versperrt die Auffahrt zum Park. Aber er steht auch für die Sinnlosigkeit im Kampf gegen die Dealer. „Hier war ein Drive-in für Junkies“, sagt Rollhäuser. Die Dealer rollten mit ihren Autos auf die Auffahrt, Drogen und Geld wechselten die Besitzer, Deal beendet. Dazu plärrte Musik, die Anwohner waren genervt.

Der Zaun sollte Junkies davon abhalten, hier Stoff zu kaufen. Aber jetzt steht Rollhäuser davor und murmelt: „So habe ich mir das nicht vorgestellt.“ Ein effektives Hindernis ist der Zaun nicht mehr. Er wurde soweit zur Seite geschoben, dass man durch eine schmale Lücke auf die Straße kann. So gehen die Junkies jetzt halt zwei Meter weiter als früher.

Für Rollhäuser geht es um Mängelverwaltung

Sinnlos war für Rollhäuser auf jeden Fall die Null-Toleranz-Strategie von Frank Henkel, dem ehemaligen Innensenator der CDU. Kein Gramm Stoff im Park erlaubt, das war die Strategie. „Aktionismus“, sagt Rollhäuser verächtlich. Büsche wurden gerodet, den Dealern sollten die Verstecke genommen werden. „Da drüben“, sagt Rollhäuser und zeigt unbestimmt in die Ferne, „stand mal ein Flieder, jetzt ist da nur noch ein Stumpf. Da fragst du dich: Haben die noch alle.“

Für Rollhäuser geht es maximal um Mängelverwaltung, deshalb hat der Parkrat nur ein Ziel: „Eine Situation, die für alle einigermaßen erträglich ist.“ Sie haben Ideen beim Parkrat. Mehr Toiletten etwa. Rollhäuser zeigt zu einem Gebüsch an der Mauer des Parks. „Dort übernachten Romafamilien. Die haben da keine Toiletten.“ Also benützten sie das Gebüsch.

Überhaupt die Randbereiche des Parks, „alles verwahrlost“. Leben in den Park bringen, Familien anlocken, junge Leute, der Grünanlage ihre düstere Atmosphäre nehmen, das ist ein Plan des Parkrats. Oder die Mauer hinter dem Schuppen abreißen, „weil in den Streifen dazwischen nur Dealer gehen“. Aber die Anwohner spielen nicht mit. „Die haben Angst, dass dann die Dealer gefühlt noch näher kommen.“

In diesem Streifen, hinter einem der Schuppen, hängen auf einer Treppe sechs Männer aus Guinea herum. Ein 19-Jähriger gehört zur Gruppe, steht aber etwas abseits. Nein, sagt er, Dealer sei er nicht. Mit zwei Fingern nestelt er eine Plastikfolie mit seiner Aufenthaltserlaubnis heraus. „Mein Asylantrag ist abgelehnt.“ Seit 2016 ist er in Deutschland, er habe sieben Monate Deutschkurs hinter sich. Er schlafe im Park, er habe keine Lust auf sein Vier-Mann-Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft. „In Afrika habe ich allein geschlafen.“ Er könnte nach Guinea zurück, vermutlich muss er es bald. Nein, „ich kann nicht zurück.“ Weshalb? „Kann ich nicht sagen.“

Ein Fußballturnier für Dealer?

Möglich, dass er zu jenen Männern gehört, von denen Rollhäuser sagt: „Die stehen unter dem Druck, dass sie Geld nach Hause schicken müssen.“ Nicht wenige der afrikanischen Dealer im Park dürften unter diesem Druck stehen. Rollhäuser kann nur vermuten, aber er schätzt, dass viele Anwohner dafür sind, solchen Menschen eine Arbeitsperspektive zu geben. Nur so könne man das Drogenproblem angehen. Dann könne man den Dealern sagen: „Du hast eine Alternative. Wenn Du sie nicht annimmst, dann passt das hier nicht.“ Bedeutet? Hm, so genau will Rollhäuser das nun nicht sagen.

Zumindest am Sonnabend kam ungewohntes Leben in den Park. Auf dem eingezäunten Bolzplatz veranstaltete der Parkrat ein Fußballturnier für Menschen „aus anderen Ländern, die sich viel im Park aufhalten“. Es waren fast nur Teams mit afrikanischen Spielern. Und weil in einem Protokoll des Parkrats stand, dass es ein Turnier für Dealer sei, war jetzt die Aufregung groß. Ein Turnier für Dealer? „Nein“, sagt Rollhäuser, „das ist natürlich Quatsch. Es ist ein ganz normales Turnier. Da ist uns beim Protokoll ein Fehler unterlaufen.“

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